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Gesellschaft

Böses Blut im Bundestag

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Wer als homosexueller Mann Blut spenden will, muss sich in Enthaltsamkeit üben. Die Gesetzgebung sieht vor, dass Männer, die mit anderen Männern sexuellen Kontakt hatten, zwölf Monate keusch leben müssen, bevor sie spenden können. Eine Regelung, die viele als diskriminierend empfinden.

Von Luca Bartolotta

15.000 Blutspenden pro Tag. So viel braucht es, um Versorgungsicherheit für chronisch Kranke und Verletzte in Deutschland zu gewährleisten. Doch die Blutkonserven in Deutschland werden immer wieder knapp. Erst recht in Zeiten von Corona, denn viele potenzielle Blutspender*innen trauen sich nicht mehr zur Spende zu gehen. Da ist es eigentlich kaum vorstellbar, dass eine gesamte Personengruppe per Gesetz von der Blutspende de facto ausgeschlossen wird. Die Rede ist von homo-, bi- und transsexuellen und allen anderen MSM, das heißt „men who have sex with men“, die in den vorangegangenen 12 Monaten Geschlechtsverkehr mit anderen Männern hatten. Eine Regelung, die ihren Ursprung in den 80er Jahren findet. Damals grassierte das HI-Virus in der Bundesrepublik und homosexuelle Männer wurden grundsätzlich von der Blutspende ausgeschlossen.
Doch seitdem ist einiges passiert. Während in den 80ern die Gesellschaft noch wenig über das Virus wusste, hat sich dank verschiedener Aufklärungskampagnen das Bewusstsein gegenüber dem HI-Virus stark verbessert. Inzwischen leben etwa 88.000 Menschen in Deutschland mit HIV oder Aids. Die Neuinfektionen, auch unter homosexuellen Männern, sind weiterhin rückläufig. Seit 2017 gibt es die bis heute bestehende Regelung der zwölfmonatigen Sperrfrist, da ein grundsätzlicher Ausschluss nicht mehr zeitgemäß war.

Unreflektiertes Sexualverhalten wird unterstellt
Doch viele MSM fühlen sich von dieser Regelung diskriminiert. Denn die abstrakte Gruppenzugehörigkeit sollte eigentlich keine Rolle für einen Ausschluss von einer Blutspende spielen, sondern das individuelle Risikoverhalten. Ein heterosexueller Mann mit vielen ungeschützten weiblichen Sexualkontakten dürfte rein logisch ein gleichwertiges oder gar höheres HIV-Risiko haben als beispielsweise ein monogam lebendes homosexuelles Paar. Neueste Präparate wie die sogenannte PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe) können darüber hinaus das Risiko einer HIV-Infektion senken, möglicherweise sogar ganz ausschließen. Ordnungsgemäß eingenommen, soll die kleine blaue Pille zuverlässig vor einer HIV-Infektion schützen. Frank Kürsten von der AIDS-Hilfe Mainz mahnt jedoch: „Die PrEP kann mich zwar vor einer HIV-Infektion schützen, vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten aber nicht. Die meiste Sicherheit liefert immer noch das Kondom.“ Früher war die PrEP fast unbezahlbar, erklärt Kürsten weiter, „eine Monatspackung kostete achthundert bis tausend Euro“. In den letzten Jahren hätten Krankenkassen diese jedoch vermehrt in ihre Leistungen aufgenommen, auch hier ist also eine deutliche Entwicklung seit 2017 in der HIV-Sicherheit entstanden.
Dies scheint inzwischen auch dem Bundestag aufgefallen zu sein. Ein Antrag der FPD-Abgeordneten Jens Brandenburg und Kathrin Helling-Plahr zur Abschaffung des Blutspendeverbots für homosexuelle und transsexuelle Menschen wurde erstmals Mitte Mai diskutiert. Im Antrag heißt es: „Eine Benennung von MSM und transgeschlechtlichen Personen als Personengruppen mit erhöhtem Übertragungsrisiko schwerer Infektionskrankheiten ist eine ungerechtfertigte Pauschalisierung und diskriminierend. Den Personengruppen als Ganzes wird ein unreflektiertes und risikoreiches Sexualverhalten unterstellt.“ Die Regierungsparteien signalisierten bereits Reformbereitschaft, laut ZDF-Berichten soll die Rückstellfrist von zwölf auf vier Monate verkürzt werden. Die AfD sieht in den momentanen Regelungen keine Diskriminierung und ist gegen eine Änderung.
50.000 Unterzeichner*innen der Petition „Knappheit der Blutreserven durch Covid-19: Diskriminierung beim Blutspenden stoppen!“ sehen das anders. Sie fordern endlich eine Gesetzesänderung hin zu einer legalen Blutspende von MSM. In anderen EU-Staaten wie Italien oder sogar im streng konservativen Polen ist das schon länger der Fall. Sie weisen auch darauf hin, dass jede Blutkonserve vor Transfusion ohnehin akribisch auf übertragbare Krankheiten getestet wird – auch auf das HI-Virus.

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