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„Demokratie ist kein Zuschauersport“ 

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Die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz bezieht neue Räumlichkeiten in der Mainzer Kaiserstraße. Welche Vorteile der neue Standort mit sich bringt und wie die Aufgaben der Einrichtung aussehen, verraten Bernhard Kukatzki und Dr. Sarah Scholl-Schneider.

von Noah Green

Die Hemmschwelle ist schlicht und einfach geringer“ – so beschreibt Direktor Bernhard Kukatzki die Situation am neuen Standort der rheinland-pfälzischen Landeszentrale für politische Bildung in der Mainzer Kaiserstraße. Als es absehbar gewesen sei, dass der Mietvertrag für den vorigen Sitz am Kronberger Hof auslaufen würde, habe man direkt begonnen, sich nach alternativen Räumlichkeiten umzuschauen. Politische Bildungsarbeit dürfe nicht düster und verwinkelt daherkommen, sondern solle offen, hell und freundlich gestaltet sein. 

Während am alten Standort primär ein gezieltes Publikum die Einrichtung aufgesucht habe, würden nun auch deutlich mehr Passant:innen den Weg ins Innere des neubezogenen Altbaus finden. Die zentralere Lage in der Stadt führe zu mehr Sichtbarkeit und besteche durch seine Nähe zu etlichen anderen öffentlichen Einrichtungen. 

Einen weiteren Vorteil sieht man in der neuen Anordnung des Gerty-Spies-Forums; jener Räumlichkeit, in der Vorträge und Diskussionsveranstaltungen einer interessierten Öffentlichkeit angeboten werden. Hier habe man in der Raumgestaltung bewusst auf klassische Stuhlreihen verzichtet, um hoheitliche Machtstrukturen im Bildungssetting zu vermeiden. Man wolle schließlich niederschwellig miteinander ins Gespräch kommen, betont die stellvertretende Direktorin Dr. Sarah Scholl-Schneider.  

Die Landeszentrale für politische Bildung ist dem rheinland-pfälzischen Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit untergeordnet. Die Aufgaben der Einrichtung sind in einer Anordnung der Landesregierung festgehalten und umfassen neben der Vermittlung von politischen Grundlageninformationen schwerpunktmäßig auch die Gedenk- und Erinnerungsarbeit zur NS-Zeit im Bundesland. 

„Unser Ziel ist es, dazu beizutragen, dass wir mündige Bürgerinnen und Bürger haben, die wir gleichzeitig für eine politische Partizipation fördern wollen“, führt Bernhard Kukatzki aus. „Wir sind werteorientiert und werben auch für unsere Demokratie.“ 

Dem Auftrag kommt man mit den verschiedensten Formaten nach und versucht mithilfe eines umfangreichen Informationsangebots, ein breites Publikum zu erreichen. Theaterstücke, Filme, Bücher, Workshops und klassische Vorträge zählen zum Instrumentarium der Einrichtung. Außerdem wird darüber aufgeklärt, welche Gefahren die Demokratie bedrohen, was konkret durch die Bereitstellung von Materialien über „Fake News“ und Verschwörungstheorien ermöglicht wird. Auch sogenannte „Argumentationstrainings gegen Stammtischparolen“ finden sich im Veranstaltungskalender der Landeszentrale.
 
Das Erstarken antidemokratischer Kräfte führt in der Landeszentrale für politische Bildung nicht zu Lähmungserscheinungen – das Gegenteil sei der Fall. „Je schlimmer die Situation um einen herum wird, desto mehr wird man sich dessen gewahr, was für eine wichtige Position man hat“, sagt die stellvertretende Direktorin. Bürger:innen aus dem gesamten Bundesland wenden sich an die Einrichtung und nehmen die gesellschaftlichen Entwicklungen zum Anlass, aktiv zu werden und sich engagieren zu wollen. Auch die Landesregierung sei sich des Werts der politischen Bildung bewusst, was sich laut Direktor Kukatzki vor allem darin zeige, dass man von finanziellen Kürzungen verschont geblieben sei.
 
Nichtsdestotrotz geht es nach dem Leitungsteam auch darum, wachsam zu bleiben, sich zu informieren und nicht in Weltuntergangsstimmung zu verfallen. Das Leben im Zeitalter der „spätmodernen Polykrise“, wie Dr. Sarah Scholl-Schneider es nennt, habe zwar eine gänzlich neue Dimension erreicht und bringe spezielle Herausforderungen mit sich. Dennoch könnten junge Menschen, deren Zukunftsperspektive sich angesichts der zugespitzten Lage besonders betroffen zeigt, von historischen Entwicklungen profitieren. „Ein Demokratieverständnis entwickelt sich auch durch den Rückblick in die Demokratiegeschichte“, hält die stellvertretende Direktorin fest. Das Entscheidende allerdings sei, miteinander im Gespräch zu bleiben. Auch der Austausch mit anderen Generationen könne dabei helfen, den Umgang mit Krisen zu bewältigen. 

In diesem Sinne bildet auch die im Frühjahr 2025 stattfindende vorgezogene Bundestagswahl den Anlass, eine Reihe neuer Projekte zu realisieren. Man wolle die Werbetrommeln rühren, damit möglichst alle mitmachen. Geplant sind Informationsbroschüren – auch in leichter Sprache –, Erklärvideos und eine Social-Media-Kampagne. Darüber hinaus wird es die Möglichkeit geben, einen analogen „Wahl-O-Mat“ zu bedienen. Wie genau das aussehen und funktionieren wird, können Interessierte im Rahmen eines Besuchs am neuen Standort der Landeszentrale herausfinden – und somit gleichermaßen das Anliegen der Einrichtung unterstützen. Nämlich: Zum Teil einer wichtigen Begegnungsstätte werden. 

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