Geheimprojekt mit Folgen
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Weil die Jungs der Musical-AG nicht so fit waren wie die Mädels, ließ ihr Lehrer sie heimlich „nachsitzen“. Der erste Auftritt der neuen „Boy Group“ war ein voller Erfolg. Inzwischen steht die Männer WG bis zu 70-Mal pro Jahr auf der Bühne.
von Daniela Klotz
Als der studierte Orchestermusiker Tilman Jerrentrup im Jahr 2002 an die Diltheyschule kam, gründete er als erstes gemeinsam mit einem Kollegen eine Musical AG. Sozusagen als Ergänzung zu den klassischen Bläser-, Streicher- und Orchesterklassen. Erstes Projekt: „Der kleine Horrorladen“. Doch bald zeigte sich ein „kleines Problem“: „Ich hatte einfach super viele Mädels, die richtig gut gesungen haben, die einfach Bock hatten auf der Bühne“, erinnert sich Jerrentrup. „Die Jungs haben sich einfach nicht so getraut.“ Also startete der Lehrer für Darstellendes Spiel, Deutsch und Musik ein „Geheimprojekt. Das war anfangs eigentlich der Gag daran.“ Nach den Musical Proben mussten die Mädels gehen und die Jungs bleiben. „Wir haben sogar jemanden abgestellt, der geschaut hat, dass die auch nicht noch mal reinkommen.“
So abgeschirmt studierten die Jungs drei Comedian Harmonists Lieder ein. Das Ergebnis wurde dann auf einer Weihnachtsfeier das erste Mal vorgeführt und „ist unfassbar gut eingeschlagen“. Die Männer WG war gegründet. Ein halbes Jahr drauf meldeten sich die Mädels für ein eigenes Projekt, das den passenden Namen Frauenzimmer erhielt.
Beide „Auskopplungen“ der Musical AG funktionieren ganz unterschiedlich, erklärt Jerrentrup. Die Frauenzimmer sind über mehrere Jahre eine feste Formation, die die aufwändigeren Stücke einstudiert. Drei- bis vierstimmig und immer auf die jeweiligen Sängerinnen abgestimmt. Weil mehr mitmachen möchten als die Formation vertragen kann, findet inzwischen sogar ein regelrechtes Casting statt.
Auch die Die Männer WG ist ein „totaler Selbstläufer“ geworden. Die Schüler der unteren Klassen warten schon, dass sie endlich mitmachen können. Die Gruppe hat dann auch einen festen Kern von Schülern, wird aber bei fast jedem Auftritt von Ehemaligen unterstützt. Die kennen natürlich die von Jerrentrup arrangierten Stücke genauso gut wie die charmanten Choreographien, die die Schüler sich selbst ausdenken.
Bei den Stücken reicht die Bandbreite von 20er Jahre Schlagern bis zu Bodo Wartke, dessen „Liebeslied“ die Männer WG schon standardmäßig als Zugabe bringt. Die Begleitung am E-Piano übernimmt „Impressario“ Jerrentrup, der mit witzigen Moderationen auch auf die jeweiligen Stücke einstimmt: „Ich nehme die Dinge immer ein bisschen hoch. Ernsthaft kann man das nicht bringen, weil da zum Teil Texte drin sind, die man heute nicht mehr ohne Weiters singen kann“, sagt der. Entsprechend werden allzu überkommene Passagen an den Zeitgeschmack oder die aktuelle Situation angepasst. Nur beim „Liebeslied“, da bleiben die Herren stur.
Der Plan, die Jungs fitter für die Musical Bühne zu machen, ist nebenbei auch aufgegangen. Die aktuell rund 70 Mann/Frau starke Truppe plant unter Leitung von Tilman Jerrentrup und seiner Kollegin Maria Schneemann als nächstes eine Revue. Die wird von den Schülerinnen und Schülern vorbereitet, Gesang, Choreographie, Bühnenbild, Texte – alles Eigenregie. Bei all den Aufgaben finden alle das Plätzchen, das ihren Talenten entspricht. Als „Nachhilfe“ engagiert Jerrentrup auch mal einen Stimmbildner. Am Schluss kommt aber immer eine professionelle Band dazu. Fürs Schuleigene Orchester, das sich im Musical ebenso wie in Klassik oder Filmmusik wohlfühlen würde, wäre die Aula nicht groß genug.
Die Teilnahme an den verschiedenen Formationen ist für die Schülerinnen und Schüler im Übrigen vollkommen freiwillig. Es macht halt Riesenspaß, bringt Erfolgserlebnisse und unterm Strich auch Vorteile im echten Leben: Wer auf der Bühne steht, verhält sich auch bei Prüfungen und dergleichen Situationen anders, findet Jerrentrup.
Und auf der Bühne steht die Männer WG oft genug. Vor Corona hatten die WGler bis zu 70 Auftritte pro Jahr. Vor allem während der Karnevalszeit mehrere täglich. Das ging nur, weil genügend „Manpower“ da war, Jerrentrup sich Pianisten zur Verstärkung holen konnte und die Eltern der WGler immer „voll mitspielen“, also z. B. Fahrdienste übernehmen oder auch mal den VW Bus herleihen. Freundschaft und Zusammenhalt spielt eben auch eine große Rolle.
Jetzt werden die Anfragen wieder mehr und mehr. Eine gute Gelegenheit, sich von den Qualitäten der Männer WG zu überzeugen, bietet der Wiesbadener Weihnachtsmarkt. Da treten die Herren schon traditionell kurz vor Weihnachten auf, weil da „ganz viele Alte“ bereits in Weihnachtsurlaub daheim sind. Bis zu 30 WGler stehen dann auf der Bühne. Dieses Jahr am 22.12. um 17.30 Uhr auf der großen Bühne des Sternschnuppenmarktes. Nicht verpassen!