Lade

Tippen zum Suchen

Campus Gesellschaft Kultur

Junge Klassikstars ziehen junge Menschen an!

Teilen

Ervis Gega kam mit 16 Jahren aus Albanien mit ihrer Familie nach Deutschland. Seit dieser Spielzeit ist die 50-jährige Ausnahmegeigerin und künstlerische Leiterin der Klassischen Philharmonie Bonn zudem künstlerische Leiterin der Landesstiftung Villa Musica. Ein Amt, das die ehemalige Stipendiatin der „Villa“ mit großer Verantwortung und mit ebenso viel Freude angeht. STUZ-Redakteur Ulrich Nilles sprach mit ihr über Aufgaben, Möglichkeiten und die neue Spielzeit, die unter dem Motto „Aufbruch“ läuft.

STUZ: Wie kam es dazu, dass Sie die künstlerische Leitung der Villa Musica übernommen haben?
Prof. Gega: Ich habe das Gefühl, hier aufgewachsen zu sein. Während meines Studiums in London war ich drei Jahre lang Stipendiatin der Villa Musica und hatte das große Glück, dass mir die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur eine sehr wertvolle Guarneri-Geige zur Verfügung gestellt hat. Diese Stiftung arbeitet sehr eng mit der Villa Musica zusammen. Nach meiner Rückkehr nach Mainz wurde ich dann von der Villa Musica als konzertierende Künstlerin und später als jüngste Dozentin der Stiftung engagiert. Zudem war ich Mitglied der Jury zur Auswahl der Stipendiaten sowohl bei Villa Musica als auch bei der Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (ZIRP). Diese lange Verbundenheit führte schließlich dazu, dass ich als Künstlerische Leiterin vorgeschlagen wurde.

Viele Menschen kennen Villa Musica nicht. Können Sie kurz erklären, wofür die Institution steht?
Da möchte ich widersprechen. Aus meiner Sicht ist Villa Musica vielen Menschen bekannt. Ich wurde sogar neulich in meiner Bonner Nachbarschaft und in einem Kölner Restaurant auf die Stiftung angesprochen. Man muss dazu wissen, dass wir nicht nur eine Akademie sind, die musikalische Exzellenz fördert, sondern auch als Konzertveranstalter auftreten. Villa Musica bringt Jahr für Jahr mehr als 140 erstklassige Konzerte mit den Stars von morgen in über 44 teils kleinere Orte in ganz Rheinland-Pfalz.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Villa Musica aus?
Mein Tag beginnt damit, dass ich meinen Sohn zur Schule bringe. Im Büro lese und beantworte ich ab acht Uhr E-Mails. Danach tausche ich mich mit meinen Mitarbeitenden und den Künstlern aus und beschäftige mich mit allem, was zur künstlerischen Leitung gehört, bis hin zum Layout unseres Saisonprogramms. Als Neue im Amt möchte ich die Veranstalter und alle Abläufe bei den Konzerten kennenlernen. Außerdem fallen Sitzungen und Meetings an.

Villa Musica ist eine Stiftung. Wer sind die Träger dieser Institution?
Villa Musica ist eine Landesstiftung, die Mitte der 1980er Jahre gegründet wurde. Sie ist ein kulturelles Leuchtturmprojekt der Landesregierung von Rheinland-Pfalz, eine Perle mit großer Strahlkraft in Deutschland und Europa. Jährlich fördern wir mindestens 80 junge Talente auf Streich- und Holzblasinstrumenten sowie Harfe und Klavier. Unsere Mittel stammen größtenteils aus den Zinserträgen des Stiftungskapitals und zu einem Teil aus einem Landeszuschuss.

Gibt es weitere Förderer, die sich für die Stiftung engagieren?
Neben dem Land ist unser wichtigster Partner der SWR. Hinzu kommen noch einige Banken, Sparkassen und weitere Sponsoren sowie der Verein Freunde der Villa Musica. Wer unterstützt Sie bei der Umsetzung Ihrer künstlerischen Visionen? In allen Punkten bespreche ich mich da mit meinem wunderbaren Team der Villa Musica.

Welche Zielgruppen möchten Sie mit den Konzerten der Villa Musica erreichen?
Wir möchten ein breites Publikum ansprechen. Ein besonderer Fokus liegt jedoch auf dem jungen Publikum.

Haben Sie Ideen, wie man ein jüngeres Publikum gewinnen kann?
Ich denke, dass junge Klassikstars junge Menschen anziehen. Der heutige Musikmarkt spiegelt sich stark in den Sozialen Medien, und auch die Generation der 30- bis 40-jährigen Künstler ist dort genauso präsent wie Rockstars. Ich setze daher auch auf junge, populäre Dozenten, die ebenfalls über Social Media vernetzt sind. Der Erfolg des diesjährigen Eröffnungskonzerts mit viel jungem Publikum bestätigt diesen Weg.

Mit welchen weiteren Partnern arbeitet Villa Musica zusammen?
Um junge Musiker besser zu fördern, habe ich Verbindungen zu den drei Rheinland-pfälzischen Staatsorchestern in Ludwigshafen, Mainz und Koblenz sowie zu zwei Orchestern außerhalb des Landes aufgebaut. Unsere Stipendiaten werden dort solistisch auftreten – das ist eine fantastische Karrierechance.

Am 21. September hat die Konzertsaison 2024/2025 unter dem Motto „Aufbruch“ begonnen. Wie gestalten Sie diesen Aufbruch?
Im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen die Stipendiaten, Dozenten und das Publikum. Außerdem habe ich ein neues Konzept entwickelt. Wir bieten unseren Stipendiaten erstmals auch ein „Coaching for Artist Management“ an, um sie besser auf den Musikmarkt vorzubereiten. In Zusammenarbeit mit der internationalen Künstleragentur „Dorn Music“ erhalten die Teilnehmenden Beratung in Neuwied-Engers, unter anderem zu Lebensläufen und Image-Marketing. Zudem vermitteln wir nun auch den musikwissenschaftlichen Hintergrund der einzustudierenden Programme.

Wie spiegelt sich der „Aufbruch“ im Programm wider?
Komponisten wie Beethoven oder Gershwin haben in ihrer Zeit für einen musikalischen Aufbruch gesorgt. Diese Tradition setzen wir fort, indem wir auch JazzMusiker einladen, die mit den Stipendiaten an JazzStücken arbeiten. Im sogenannten Crossover-Genre verschmelzen verschiedene Musikrichtungen miteinander. Die beiden Musiker werden zudem gemeinsam mit unseren Stipendiaten die „Rhapsody in Blue“ aufführen.

Welche Rolle spielen Komponisten wie Schumann, Mozart und Händel im 21. Jahrhundert?
Klassische Musik steht oft im Gegensatz zum Zeitgeist der modernen Gesellschaft. Ich glaube, dass die Vorbehalte gegenüber Klassischer Musik bei der jungen Generation weniger stark sind als früher. Viele Schulklassen besuchen inzwischen Konzerte und Opern. Villa Musica ergänzt das Programm mit Cross-Over-Konzerten und bietet auch Kinderkonzerte an. Weitere Ideen sind in Planung.

Zeitgenössische Musik ist für klassisch orientierte Konzertbesucher manchmal schwer zugänglich. Wie integrieren Sie moderne Komponistinnen und Komponisten in das Programm?
Neue Musik ist wichtig! Wir müssen unser Publikum Schritt für Schritt an sie heranführen, indem wir bei unseren Konzertabenden traditionelle und moderne Kompositionen kombinieren. Außerdem wollen wir künftig junge Komponisten durch Stipendien fördern und ihre Werke aufführen. Wenn wir das nicht tun, verlieren wir den Kontakt zur Musik unserer Zeit.

Wie erreichen Sie die Talente für Villa Musica?
Villa Musica ist mittlerweile weltweit bekannt. Viele Musiker möchten Teil dieser Einrichtung sein. Vor jedem Probespiel veröffentlichen wir die Ausschreibungen in den Fachmedien, und es gibt immer großes Interesse an den wenigen Plätzen. Alle wollen diese dreijährige, weltweit einzigartige Ausbildung im Bereich Kammermusik durchlaufen und von der fantastischen Instrumentensammlung der Stiftung Kultur profitieren.

Welche Schritte durchlaufen junge Künstlerinnen und Künstler, die sich um ein Stipendium bewerben?
Alle zwei Jahre bewerben sich Hunderte, doch wir können in der Stiftung nur maximal 80 fördern. Alle Bewerber müssen ein Probespiel ablegen, wobei das Höchstalter bei 26 Jahren liegt. Danach führen wir ein kurzes Interview, in dem wir die Interessen und Ziele der Bewerber erfragen und prüfen, ob sie das erforderliche Potenzial mitbringen.

Interessieren Sie sich persönlich für Pop-Musik?
Durch meine Zeit in London bin ich unweigerlich zur Pop-Musik gekommen. Ich liebe Pop und bin ein großer Fan von Adele. Auch Ed Sheeran und Robbie Williams höre ich gerne. Mit Heavy Metal kann ich allerdings weniger anfangen. Zudem interessiere ich mich sehr für Mode und Kunst.

Zum Abschluss: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, welche wären das?
Mein erster Wunsch wäre, dass unsere Stipendiaten als Künstler ihre Erfüllung finden. Mein zweiter Wunsch wäre, unser Orchesternetzwerk zu erweitern. Und drittens wünsche ich mir, dass in der Landeshauptstadt Mainz ein eigener, professioneller Konzertsaal entsteht, der in seinen Dimensionen auch für Kammermusik geeignet ist.

Tags
Vorheriger Artikel
Nächster Artikel

Dies könnte auch interessant sein