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Gesellschaft

Schaffe, schaffe, Träume träumen

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Illustration: Leon Scheich

Träumen ist ein Luxus, den sich nicht alle leisten können. Über Arbeit und Erbe, Sorgen und Hoffnungen wird hier in Birkenstocks auf der Baustelle nachgedacht.

von Princesha Salihi

Wenn ich über meine Zukunft nachdenke, ertappe ich mich manchmal dabei, wie ich ins Träumen gerate. Ganz vorsichtig schleichen sich die waghalsigen Bilder in meinen Kopf und machen es sich zwischen meinen Neuronen bequem. In all ihren bunten Farben leuchten sie für mich. Große Wünsche, ja maßlose Wünsche – unverschämt gar, wenn man all die globalen Krisen und Kriege bedenkt. Es hat etwas Verruchtes für mich, wenn ich es zulasse, mir ein bürgerliches Leben herbeizusehnen: Süße Kinder, ein solides Einkommen und dazwischen der unaussprechliche Gedanke an eine Eigentumswohnung.

Mit Birkenstocks auf der Baustelle
Während ich im Regional Express nach Hause das Exposé meiner Hausarbeit überarbeite, sägt mein Vater Holzbalken für den Dachstuhl zurecht. Er arbeitet als Dachdecker, doch für dieses Projekt ist er auch noch ein Bauleiter, der Wände einreißt, Kabel und Wasserleitungen legt, sie unter Putz versteckt, neue Fenster montiert und Böden verlegt. Seit meine Eltern in Deutschland sind, haben sie immer, wenn sie es denn durften, gearbeitet. Meine Eltern haben außerdem immer zur Miete gelebt, weil keine Bank bei befristetem Aufenthaltsstatus einen Kredit gewährt. Jetzt haben sie ein Haus gekauft. Technisch gesehen hat es aber mein Bruder gekauft. Alle packen mit an: Mutter, Vater, Kinder, Onkel, Freunde und Bekannte. Nach Feierabend geht es noch auf die Baustelle. Wenn ich es nach Arbeit und Uni schaffe, komme ich auch dazu. Dann stehe ich da in meinen Birkenstocks. Einem wahnsinnig unpassenden Schuhwerk für eine Baustelle. Hier rinnt der Schweiß, bei meiner Arbeit suppt maximal der Kaffee aus der Tasse.

Arbeit und Erbe
Wie von der magischen Markthand geleitet, wächst die Vermögensungleichheit hier und weltweit immer weiter. Was sich darin auftut – es ist kein großes Geheimnis mehr – ist die gesellschaftliche Kluft zwischen Arbeit und Erbe. Für Menschen, die nicht großartig erben werden, ist Eigentum nicht nur schwerer zu erreichen, sondern es fehlt auch eine wichtige Absicherung. Statt Miete zu zahlen, könnte ich auch den Kredit für eine Wohnung abbezahlen. Das ist ein Sicherheitsversprechen für das Alter, für Krankheit oder sonstige Schieflagen des Lebens.

In Deutschland leben EU-weit und mit deutlichem Abstand, die meisten Menschen zur Miete. Ob ich mir selbst mal Eigentum leisten kann, hängt von vielen Faktoren ab. Wenn ich mit meinen Freundinnen über das Thema spreche, dann höre ich Berichte über zu erbende Häuser bis hin zu kleineren Geldbeträgen. Ich trauere keinem fantasierten Milliardenerbe hinterher. Es können gar nicht alle so reich sein, denn irgendwer muss in diesem System arbeiten. Ich klammere mich eher an eine Aufstiegshoffnung, an die Hoffnung, es nicht schlechter zu haben als meine Eltern. Eine Hoffnung ist eben manchmal nur das. KIZ fasste kürzlich gut zusammen: „Jeder kann es schaffen, aber nicht alle.“

Der German Dream
Als ein Freund mit seinem Lottoschein auf die Millionen wartend fragte, was wir uns von seinem Geld wünschten, antwortete ich blitzschnell: „Eine Wohnung!“. Keine Miete mehr zahlen müssen? Das gesamte Einkommen zur Verfügung haben? Das war es also. Ich komme nicht einmal in meinen Träumen auf die Idee, mir ein Haus zu wünschen. Oder, verdammt nochmal, etwas viel Größeres, als das. Der German Dream vom Eigenheim ist tot und mit ihm auch die anderen Träume. Es ist schwer ans Träumen zu denken, wenn man in den Sozialen Medien unschuldigen Zivilistinnen beim Sterben zuschauen kann, wenn man online die Abholzung des Regenwalds mitverfolgt und von Wahl zu Wahl den Rechtsruck fortschreiten sieht. Unbehagen und Sorgen sind allgegenwärtig spürbar und sie lodern wie Brennholz im Feuer der Populisten. Vielleicht sollte ich gar kein Eigentum unter Menschen wollen, die mich „Passdeutsche“ schimpfen und bei der nächsten Gelegenheit „remigrieren“ würden. Ich muss mich also erst mal um die Demokratie, statt um einen Kredit bemühen.

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