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Gesellschaft

Schönheitswahn auf Social Media

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Die Zahl der jungen Menschen, die sich Schönheitsoperationen unterziehen, steigt. Ein Trend, der bereits seit einigen Jahren anhält, so die „Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie“. Social Media spielt dabei eine – im wahrsten Sinne des Wortes – maßgebliche Rolle.

von Hannah Maertin

Dass uns Bilder und Filme dazu animieren können, kosmetische Operationen vornehmen zu lassen, hat bereits eine Studie aus dem Jahr 2012 belegt. Sie zeigte, dass der Konsum von TV Shows, in denen schönheitsoperierte Menschen mitspielten, dazu beitrug, dass bei den Probanden der Wunsch nach solchen Eingriffen entstand oder verstärkt wurde. Für unseren heutigen Medienkonsum verheißt dies nichts Gutes, denn neben TV Shows ist Social Media auf den Plan getreten, das uns überall hinbegleitet. Neben Operationen sind es hier vor allem Filter, Photoshop und Schminke, die die Ästhetik prägen. Jede:r scheint ein makelloses Gesicht und eine perfekte Figur zu haben. Bei einem unreflektierten Medienkonsum, der nicht hinterfragt, inwiefern die Inhalte realistisch sind, kann schnell das Gefühl entstehen, hässlich zu sein. Man vergleicht sich mit seinen Idolen, wird immer unzufriedener und beginnt, über kosmetische Eingriffe nachzudenken. Dass das Schönheitsideal, das auf Social Media präsentiert wird, im realen Leben gar nicht erreicht werden kann, gerät dabei außer Acht. Es scheint nicht zu interessieren, dass selbst die schönheitsoperierten Stars nicht so aussehen wie auf ihrem eigenen Instagram Profil. Dabei belegen Schnappschüsse von Kim Kardashian und Co., dass ein künstlicher Riesenhintern und unterspritzte Schlauchbootlippen ohne Filter und Photoshop sogar ziemlich scheiße aussehen. Egal. Was zählt, ist allein die digitale Performance.

Willkommen im Rabbithole

Sich für ästhetische Zwecke unters Messer zu legen, scheint unter Stars bereits Normalität geworden zu sein. Die einen streiten ihre Eingriffe und die Anwendung von Photoshop ab und beharren trotz eindeutiger Beweislage darauf, natürlich schön zu sein. Andere gehen offen mit ihren Schönheitsoperationen um und machen sogar Werbung für die Ärzte. Nicht selten bekommen Influencer:innen sogar den gesamten Eingriff geschenkt, damit sie die Kliniken in ihren Posts erwähnen. Das ist nicht nur problematisch, sondern auch gefährlich. Denn mit jeder Vollnarkose geht ein Risiko einher, das im schlimmsten Fall den Tod bedeutet. Doch anstatt aufzuklären, wird der Besuch in der Schönheitsklinik als aufregender Ausflug inszeniert, der im Zeichen der Selfcare oder gar des Empowerments steht. Auch hier wäre ein medienkritischer Blick vonnöten, der erkennt, dass Werbung immer mit beschönigenden Darstellungsformen einhergeht und die negativen Aspekte verschweigt. Dabei ist es nicht nur der Content, der problematisch ist, sondern auch die Apps selbst: Hat man einmal angefangen, sich mit Schönheitseingriffen zu befassen, reagiert der Algorithmus damit, immer mehr solcher Posts in unseren Feed zu spülen. Willkommen im Rabbithole fragwürdiger Ärzte, verantwortungsloser Influencer:innen und absurder Schönheitsideale.

Sich selfie sehen

Die Besessenheit von digitalen Abbildungen und die Fetischisierung von Social Media zeigen sich auch darin, dass viele Menschen Schönheitskliniken besuchen und dort ein Foto von sich selbst vorzeigen, – bearbeitet mit einem Snapchat Filter. Sie haben sich so an das digitale Tuning gewöhnt, dass sie ihr natürliches Äußeres nicht mehr akzeptieren. Andere lassen sich operieren, nur damit sie sich auf Selfies besser gefallen und eine bessere Performance auf Social Media abliefern können. Nicht ihr Gesicht an sich macht sie unzufrieden, sondern lediglich sein digitales Abbild. Was dabei vermutlich nicht bedacht wird, ist die Verzerrung, die die Realität durch die Linse unserer Smartphones erfährt. Eine durchschnittliche Handykamera verfügt nämlich nur über eine geringe Brennweite, was zum Beispiel dazu führt, dass die Nase 30 Prozent größer erscheint, als sie tatsächlich ist.

Social Media hat einen so hohen Stellenwert in unserem Leben eingenommen, dass wir vergessen, dass es sich um ein digitales Konstrukt und eine Projektionsfläche für Fantasie und Wunschdenken handelt. Es mangelt an Aufklärung und an Realitätssinn. Vor allem aber mangelt es an Medienkompetenz, die zu vermitteln heute ein Pflichtprogramm sein sollte. Für Eltern und die Schule. Denn beide tragen die Verantwortung für die Sicherheit ihrer Schützlinge.

Illustration: Nikolas Hönig

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