Der Traum vom Raum
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Der Mainzer Verein kunStück möchte der Kultur in der Stadt mehr Gelegenheiten zur Entfaltung bieten. STUZ hat sich mit Tanja Upravitelev und Bernhard Middendorf über Schaffensdrang und Platzmangel unterhalten.
von Konstantin Mahlow
Manchmal vergehen zwischen einer Idee und ihrer Umsetzung Jahrzehnte. Im Idealfall und mit dem richtigen Timing kann es aber auch nur ein paar Wochen dauern bis Fakten, respektive kulturelle Errungenschaften, geschaffen werden. Der Verein kunStück ist in der Mainzer Szene kein unbekannter Name mehr, obwohl er seine Räume erst Anfang letzten Jahres geöffnet worden sind. Offen sein ist hier wortwörtlich gemeint: kunStück versteht sich als Zusammenschluss von Mainz:innen, die engagierte Menschen miteinander in Kontakt bringen und Platz für ihre Ideen schaffen möchten. Und Platz ist tatsächlich vorhanden, sogar mitten in der Altstadt. Wenn auch nicht gerade im Überfluss.
kunStück e.V. gehört in der Mainzer Kulturszene zwar zu den jüngeren Vereinen, doch er lernte zügig laufen: Bereits wenige Monate nach der Gründung im August 2022 fand man im Januar 2023 die jetzigen Räumlichkeiten in der Rochusstraße – ein echter Volltreffer und letztendlich die benötigte Initialzündung. „Fläche ist in Mainz sehr rar gesät“, erklärt Bernhard. „Dass wir in der Rochusstraße gelandet sind, ist auch ein bisschen aus der Not geboren. Der Hauptmieter ist ein Freund von uns.“ Eine günstige wie charmante Gelegenheit, die dann doch schneller kam als gedacht. Zwar würde sich auch bei kunStück niemand über mehr Raum beschweren, doch das Eckhaus besticht zweifellos mit urigem Charakter und Gemütlichkeit. Hier konnte, ein wenig abseits von den üblichen Meilen der Innenstadt, ein kleiner Flecken Kunst inmitten heimeliger Fachwerkidylle entstehen.
Nach dem Einzug kam die Initiative ins Rollen: „Es gab keine bestimmte Richtung, in die wir gehen wollten. Wir hatten eher Lust was zu machen anstatt uns von vornherein auf etwas festzulegen.“ So ging es vielleicht etwas ziel- aber keineswegs ideenlos durch das Jahr 2023. „Wir haben viele Ausstellungen, Vorträge und Workshops organisiert“, erzählt Tanja. Schnell wurde klar, dass die unverhoffte Möglichkeit, ein paar Quadratmeter für Kunst und Kultur zur Verfügung zu haben, mit anderen geteilt werden sollte: „Wir verfolgen von Beginn an ein offenes Konzept: Jeder, der Raum sucht, etwas ausstellen oder einfach nur mit uns in Kontakt treten möchte, kann sich bei uns melden.“ In einer Stadt, in der freie Flächen für Kunst ein immer seltener werdendes Privileg sind, ist dieser Grundsatz nicht nur ein Ausdruck von Solidarität, sondern für den Verein bis heute ein Prinzip.
Es wird also wieder viel Kunst zu sehen sein, jedoch unter neuen Voraussetzungen, wie Tanja verrät: „Im Gegensatz zum letzten Jahr haben wir für 2024 mit ‚Stadt im Wandel‘ ein festes Thema ausgeschrieben. Dazu wird es einmal im Monat eine andere Ausstellung geben.“ In diesem Rahmen läuft auch die aktuelle Ausstellung von Sebastian Dörr mit Fotocollagen aus Mainz, die noch bis zum 4. Februar zu betrachten ist. Das Leitthema ist durchaus treffend gewählt, besteht doch ein Teil des sich aktuell vollziehenden Wandels der Stadt Mainz daraus, dass Räume für Kultur, wie sie kunStück zur Verfügung stellt, nach und nach verschwinden. Dagegen hilft nur ein starkes Netzwerk. Für mehr Begegnung sind über die Ausstellungen hinaus verschiedene Workshops zu Linolschnitt, den für den Verein typisch gewordenen Siebdruck und diverse fotografische Techniken geplant. Mit externen Musikveranstaltungen oder dem monatlich am dritten Donnerstag stattfindenden Spieleabend „Spielstück“ bietet der Verein noch weitere Möglichkeiten des zwanglosen Austauschs.
Selbstverständlich muss das alles auch finanziert werden – momentan geschieht das zur Hälfte durch die Mitgliedsbeiträge und zur anderen durch private Spenden. Der ehrenamtlich arbeitende Verein ist daher offen für jegliche Formen der Unterstützung und möchte dafür dauerhaft etwas zurückgeben: „Wir haben immer noch Platz. Jeder, der kreativ ist oder einfach Lust hat die Kulturszene mitzugestalten, kann vorbeikommen“, betont Tanja. Und Bernhard ergänzt: „Wir wollen einfach Leute abholen. Unser Angebot bleibt so niedrigschwellig wie möglich. Kultur zu machen ist und bleibt die oberste Priorität.“ Am liebsten im Zusammenschluss mit anderen.
Alle Infos zum Verein und kommenden Veranstaltungen auf www.kunstueck.net
Foto: Alina Giesenregen