Gekauft wie gesehen
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Im Mainzer Stadthaus werden halbjährlich Fahrräder aus dem Fundbüro der Stadt versteigert. Geschäftige Schrauber, Senior:innen und Studis – alle auf der Jagd nach einem heißen Schnapper.
von Princesha Salihi
In einem großen Saal mit schönem Holzboden wurden sie aufgereiht, hatten sich in den langen Monaten der Nichtbenutzung plattgestanden. Der Herr, der sonst vermutlich neue Wohnsitze anmeldet, wird hier kurzerhand zum Auktionator und erklärt die Spielregeln. Letztbietende kaufen, keine Probefahrten, keine Garantien. „Gekauft wie gesehen“, wiederholt er immer wieder. Vor dem Absperrband stehen sie dann alle – die Radlosen und Unzufriedenen, dicht gedrängt und schmachten die staubigen Gefährte an. In den hinteren Reihen klettern einige auf Stühle und Tische, um etwas zu erspähen. Ich bin hier, weil mein Fahrrad nervt und ich mich nach was Neuem umsehen will. Die Freundin, die mich begleitet, vermisst ihr Fahrrad seit ein paar Wochen. Ein bisschen ist es wie bei Tinder: Kaum wird ein schönes Modell auf den Auktionstisch gehoben, bildet sich eine Männertraube drumherum. Mit lüsternem Blick und wallenden Maßbändern werden sie auf ihre Tauglichkeit geprüft. Wir sind von der Auswahl nicht so überzeugt. Von weitem sehen die Räder ganz nett aus, aber von nahem gefallen sie uns dann gar nicht mehr so gut. Viele freudestrahlende Gesichter verlassen den Raum, manchmal gibt es sogar zaghaften Applaus. Auch ein paar weniger erfolgreiche, die abfahrbereit mit Fahrradhelm auf dem Kopf gekommen sind, um dann doch allein nach Hause zu gehen, sind dabei. Bei einem hübschen Bike biete ich schließlich mit. Als plötzlich die Gebote aufhören, bin ich weniger erfreut als erhofft. Ich muss es also mitnehmen und weiß nicht, ob ich zu diesem Commitent bereit bin. Jetzt habe ich ein schickes Rennrad, das außer Optik nicht viel kann. Vermutlich sollte ich an meinem alten Rad das Licht reparieren, denke ich und bei meinem treuen Wegfährten bleiben. Die, die man gut findet, sind meist nicht bei Tinder.
Illustration: Leon Scheich