Offen sein für andere Kulturen
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Interview Inken Paletta
Schauspieler Armin Nufer engagiert sich seit vielen Jahren im Weltladen in Wiesbaden. 2015 war die Nachfrage nach Deutschkursen groß und er beschloss, Deutschkurse anzubieten. Als ausgebildeter Sprecher hat Armin Nufer einen engen Bezug zur deutschen Sprache. Beim Wiesbadener Verein Angekommen e.V. leitet er Deutschkurse auf unterschiedlichen Sprachniveaus für Geflüchtete. Zudem betreut er derzeit erneut eine Schreibwerkstatt für Menschen mit Migrationshintergrund. Für sein Engagement wurde er im Oktober 2021 mit dem Integrationspreis der Landeshauptstadt Wiesbaden ausgezeichnet. STUZ hat mit ihm über das Thema Integration und sein Ehrenamt gesprochen.
Wie haben sie als Integrationshelfer die Flüchtlingssituation 2015/16 erlebt? Wie empfinden Sie heute die Situation in Bezug auf den Ukrainekrieg?
Die Hilfsbereitschaft war 2015 von allen Seiten inklusive der Bevölkerung sehr groß. Im Grunde ähnlich wie jetzt in Zeiten des Ukrainekrieges. Problematisch sehe ich heute eine politische Ungleichbehandlung von Flüchtlingen, weil das auch die Integrationsarbeit erschwert. Während Ukrainer derzeit sofort eine Arbeitserlaubnis erhalten, müssen ausgebildete Menschen aus Syrien oder Afghanistan oft Jahre darauf warten. In der Bevölkerung gibt es auch enorme Unterschiede in der Akzeptanz von Flüchtlingen sowie immer wieder Probleme mit Rassismus.
Was glauben Sie, ist die Ursache dieser Akzeptanzunterschiede sowie von Rassismus?
Ich denke, Vorurteile und Ängste spielen dabei eine wesentliche Rolle. Weil es sich beispielsweise bei Flüchtlingen aus Afghanistan oder Syrien um eine uns fremde Kultur zu handeln scheint. Die ukrainischen Flüchtlinge, meist Frauen und Kinder, scheinen uns da näher. Oft ist auch kein Interesse da, sich mit der anderen Kultur und den Menschen auseinanderzusetzen. Kaum jemand hat Kontakt zu Geflüchteten, wenn er sich nicht gerade wie ich in der Flüchtlingsarbeit engagiert.
Und wie kann Integration erfolgreich gelingen? Was hilft ihrer Meinung nach dabei, Vorurteile abzubauen?
Meiner Meinung nach, müsste man bei dem Integrationsgedanken die Perspektive wechseln. Oft wird von den Geflüchteten einfach erwartet, dass sie sich selbstständig und schnell integrieren. Doch für viele ist das wirklich eine enorme Herausforderung. Sie sprechen unsere Sprache nicht, haben oft auch einen völlig anderen Background oder andere Mentalität. Viele sind durch Kriegs- oder Fluchterlebnisse traumatisiert. Man sollte sich als Gesellschaft daher fragen, wie kann man diese Menschen bestmöglich unterstützen, sich im Gastland zurechtzufinden und wohlzufühlen. Ohne Kontakt zu uns Menschen vor Ort ist es für Geflüchtete sehr schwer, unsere Kultur kennenzulernen, zu verstehen und auch unsere Sprache zu lernen. Ich denke, Begegnungen und damit auch gegenseitiges Verständnis zu schaffen hilft, Rassismus und Vorurteile abzubauen.
Welche Bedeutung hat für Sie Sprache in Bezug auf die Integration?
Wenn man sich im Alltag nicht verständigen kann, ist es schwer, sich in einer Gesellschaft zurechtzufinden. Viele Geflüchtete haben zu Beginn große Angst, sich falsch auszudrücken. Das erlebe ich auch bei den Teilnehmern meiner Sprachkurse. Deshalb ist es wichtig, die Menschen immer wieder zum Sprechen zu ermutigen. Solche Ängste verschwinden meist erst mit einem gewissen, fortgeschrittenen Sprachlevel. Ein deutscher Tandempartner kann da eine große Unterstützung sein und auch als Ansprechpartner bei Problemen fungieren. Ich bin für alle meine Sprachschüler rund um die Uhr erreichbar und helfe, wo es geht, zum Beispiel bei Problemen im Alltag wie Behördengängen.
Sie leiten derzeit wieder eine Schreibwerkstatt für Menschen mit Migrationshintergrund. Welchen Beitrag zur Integration sehen sie in dem Projekt?
Aktuell sind Teilnehmer aus Rumänien, Bulgarien, Syrien, Afghanistan, Armenien und aus der Türkei dabei. Schön ist, dass der Kurs endlich wieder in der Gruppe stattfinden kann, so kann sich auch wieder ein Gruppengefühl entwickeln. Die Schreibwerkstatt ist eine wirklich gute Möglichkeit, sich in der fremden Sprache auszutauschen und auszudrücken. Gleichzeitig stärkt das gegenseitige Feedback zu den Texten auch das Selbstbewusstsein der Teilnehmer. Mit einer Abschlusslesung im Juni stellen wir bewusst Kontakt zu Menschen vor Ort her. Durch den Vortrag der eigenen Texte in Deutsch und den Applaus durch das Publikum bauen sich die Hemmungen ab, die fremde Sprache zu nutzen. Wir freuen uns deshalb über zahlreiche Gäste zu unser Abschlussveranstaltung am 10. Juni.
Lesung der Schreibwerkstatt
10. Juni, 19 Uhr im Literaturhaus Wiesbaden
Um Anmeldung wird gebeten unter Tel.: 0173/9579656