Blauschwarze Brummer
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Was kreucht und fleucht im STUZ-Gebiet? Wilde Tiere vor der Tür, Teil 19: Die Blaue Holzbiene
von Konstantin Mahlow
Sobald die ersten Sonnenstrahlen das STUZ-Gebiet aus dem Winterschlaf reißen und die früheren Vertreter der Pflanzenwelt zu blühen beginnen, summt und brummt es wieder ordentlich in den Grünanlagen. Jedes Kind kennt hierzulande die folgende Aufteilung von ungefährlich zu gefährlich: Hummel, Biene, Wespe und Hornisse. Doch die Vielfalt ist weitaus größer, und nicht alle sind im typisch gelb-schwarzen Gewand unterwegs. Neben den Honigbienen, die streng genommen zu den Nutztieren zählen, leben knapp 600 Spezies von Wildbienen in Deutschland und immerhin nochmal 70 Hummelarten. Rostrote Mauerbienen und Steinhummeln etwa fliegen mit einem roten Hintern durch die Gegend. Andere wiederum erinnern mit ihrem schillernden, blau-schwarzen Aussehen eher an überdimensionale Schmeißfliegen. Dabei handelt es sich aber um eine heimliche Gewinnerin des Klimawandels, die in vielen Stadtteilen von Mainz und Wiesbaden immer häufiger wird: Die Blaue Holzbiene.
In der Fachliteratur wird die Große Blaue Holzbiene (Xylocopa violacea) auch Blauschwarze oder Violettflügelige Holzbiene genannt. In allen drei Fällen bezieht sich der Name auf die beiden entscheidenden Merkmale der Tiere: Ihr ungewöhnliches Aussehen und ihr Brutverhalten. Mit einer Körperlänge von bis zu 28 mm sind sie die größten heimischen Bienen und genauso mächtig wie die größte Hummelart, die Dunkle Erdhummel. Die Holzbienenweibchen beginnen im Frühling ihre Nester anzulegen. Dabei benötigen sie totes Holz in dem sie bis zu 30 cm lange Gänge anlegen, die wiederum in Kammern unterteilt sind, in denen jeweils ein Ei liegt. Obwohl sie auch in alten Balken nisten, setzt diese Fortpflanzungsweise eine strukturreiche Landschaft mit genügend Totholz voraus. Diese speziellen Anforderungen und die Tatsache, dass Holzbienen wärmeliebende Tiere sind, haben lange dafür gesorgt, dass sie in Deutschland nur selten zu finden waren. Stabile Populationen gab es ausschließlich im Südwesten in geeigneten „Wärmeinseln“ wie etwa dem Kaiserstuhl. Durch den Klimawandel ist der blauschwarze Brummer aber mittlerweile in vielen Teilen von Deutschland unterwegs. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich heute bis nach Hannover und Berlin und selbst in Südschweden ist die Blaue Holzbiene heimisch geworden.
Sie meiden nur Höhenlagen und größere Waldgebiete. In den milden Wintern der letzten Jahre waren die violett irisierenden Bienen zum Teil schon im Februar unterwegs. Meist sind die Männchen die Frühaufsteher, die dann die schlafenden Weibchen aus ihren Winterquartieren locken, um sich mit ihnen zu paaren. Überstehen bei den meisten anderen Bienenarten nur die Weibchen die kalte Jahreszeit, herrscht diesbezüglich bei den Holzbienen Gleichberechtigung. Männchen wie Weibchen überwintern gern in Mauerritzen, wie sie in den alten Sandsteinhäusern in Mainz und Wiesbaden häufig zu finden sind. Man sollte sich also nicht erschrecken, wenn mit den ersten Sonnenstrahlen auch die imposanten Holzbienen plötzlich aus den Außenwänden krabbeln. Wie alle Bienenarten können auch die Holzbienen stechen, tun dies aber äußerst selten, da sie gegenüber Menschen sehr scheu sind.
Holzbienen sind sogenannte Solitärinsekten – im Gegensatz zu staatenbildenden Arten leben sie daher alleine und treffen nur zur Paarungszeit auf Artgenossen. Unter den Einzelgängern sind sie aber die einzigen, die mit ihren Nachkommen eine gewisse Zeit lang zusammenleben. Das liegt an der ungewöhnlich langen Lebensdauer der Weibchen, die nach der Eiablage im April und Mai noch bis in den Spätsommer weiter leben und sich solange das Nest mit ihren Kindern teilen. Im August beginnt mit der nächsten Generation der Kreislauf von vorne: Die jungen Holzbienen fliegen aus, verkrümeln sich dann alsbald in ihrer Winterstuben, die oft die alten Nester sind, und kommen im Februar wieder heraus. Dann vermehren sie sich, legen ihre Eier ab und sterben im Spätsommer, wenn die ersten Jungtiere aus ihren Nestern kriechen.
Holzbienen sind ausgezeichnete Flugkünstler und eine wahre Bereicherung in jedem naturnahen Garten. Um die standorttreuen Tiere anzulocken, empfiehlt es sich, ihre Lieblingsspeisen anzupflanzen: Blauregen, Klatschmohn und ganz besonders Muskateller-Salbei. Das Benagen von Holzbalken oder Zaunpfählen kann für manche Besitzer zum Problem werden, gegen die eine Behandlung mit Öl oder Lack hilft. Am besten ist es aber, die friedlichen und streng geschützten Bienen einfach zu dulden und somit seinen Teil gegen das Bienensterben beizutragen.
Foto: Jürgen Staretschek via Wikicommons