Straßenbahncity Mainz
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Mainz soll wieder echte Straßenbahnstadt werden. Größeres Netz, neue Ziele, neuer Betriebsbahnhof. Die Bürger*innen werden eingebunden, um Konflikten vorzubeugen.
von Marc Pandikow
2020 fasste der Mainzer Stadtrat den Grundsatzbeschluss zum Ausbau des Straßenbahnnetzes als Teil des Masterplans Green City. Die Begründung ist einfach: Straßenbahnen fahren emissionsfrei, bieten mehr Komfort als Busse, erfahren eine höhere Akzeptanz, sind langlebiger und können pro Fahrt mehr Menschen transportieren. Kein anderes Verkehrsmittel ist also geeigneter zur Stärkung des klimafreundlichen öffentlichen Nahverkehrs als die Straßenbahn.
Unter dem Projektnamen M wie Zukunft. Meine Straßenbahnstadt. wollen nun Stadtverwaltung und die Mainzer Verkehrsgesellschaft den Anteil von Straßenbahnen im ÖPNV bis 2030 von aktuell 35 bis 38 Prozent auf über 50 Prozent steigern. Drei Projekte werden hierfür forciert: die Verbindungsspange über die Binger Straße, die Anbindung des Heilig-Kreuz-Viertels und der Innenstadtring.
Über die Verbindungsspange werden zukünftig die Haltestellen Münsterplatz und Bahnhof West direkt miteinander verbunden. Dieser „Bypass“ sorgt für eine Entlastung des aktuell überlasteten Bahnhofsvorplatzes und verkürzt die Fahrzeiten zwischen Hechtsheim und Bretzenheim. Ein erster Planungsentwurf wurde am 22. März im Verkehrsausschuss vorgestellt und am 6. April im Stadtrat ebenfalls beraten.
Mit dem Heilig-Kreuz-Viertel entsteht in Weisenau aktuell beinahe schon ein eigener neuer Stadtteil. Rund 6000 Menschen sollen hier in Zukunft leben. Bei der Erschließung war in der ursprünglichen Planung keine Straßenbahnanbindung vorgesehen. Nun möchte man diesen seitens Stadtverwaltung doch realisieren und wird hierzu noch in diesem Jahr eine öffentliche Beteiligung starten.
Innenstadtring in Planung
Die größte Maßnahme innerhalb des Projekts ist der Innenstadtring. Zum jetzigen Zeitpunkt stellt es sich so dar, dass das Straßenbahnnetz sowohl die Innenstadt am Schillerplatz als auch die Neustadt über die Kaiser Ringe nur am Rande tangieren. Noch bis in die 1960er fuhren Straßenbahnen über die Ludwigstraße und auf der Rheinallee durch die Neustadt. Im Geiste der damaligen Zeit wurde die ausgebombte Stadt aber autogerecht um- und in diesem Zuge das Straßenbahnnetz stark zurückgebaut. Mit dem Innenstadtring soll der ursprüngliche Zustand ein Stück weit wiederhergestellt werden. Gesetzt ist hierbei nur, dass die Straßenbahn am Höfchen geführt und gleichzeitig die Neustadt als der bevölkerungsreichste Mainzer Stadtteil zentral erschlossen werden soll. Im Flächennutzungsplan ist zwar seit Jahrzehnten eine Trasse über Hindenburg- und Sömmeringstraße zum Bismarckplatz vorgesehen, diese wird aber heute nicht mehr als optimal erachtet. Die Trassenfindung stellt sich als kompliziert und komplex dar. Die Alt- und Neutadt sind inzwischen dicht bebaut, Freiflächen, auf denen eine Trasse verlaufen könnte sind nicht vorhanden.
Infos über Projekthomepage
Auch müssen unterschiedliche Interessen beachtet werden: Fußverkehr, Radverkehr, stehender und ruhender motorisierter Verkehr, Grünflächen und vieles mehr. Das Ausbauprojekt birgt dementsprechend hohes Konfliktpotential. Diesem begegnen Stadt und MVG mit einer frühen Bürger*innenbeteiligung, deren Auftakt am 17. März online stattfand. Vorgestellt wurde keine fertige Planung, sondern nur drei mögliche und technisch machbare Trassenvarianten. Über diese können Interessierte nun online auf der eigens eingerichteten Projekthomepage diskutieren. Sie sollen hierbei Stärken und Schwächen identifizieren, neue Ideen einbringen, Hinweise geben, denn insbesondere die Menschen vor Ort haben Wissen, das Planern helfen kann. Der gesamte Beteiligungsprozess ist auf fünfzehn Monate angelegt und soll schrittweise detaillierter werden, bis am Ende eine gemeinsam erarbeitete Wunschtrasse dem Stadtrat vorgelegt werden kann. Die Verantwortlichen machten aber auch klar: die gefundene Trasse wird möglichst konfliktarm sein, aber aufgrund aller Umstände niemals konfliktfrei bleiben können. So sei zum Beispiel klar, dass bei keiner der Varianten auf einen Eingriff ins Grün verzichtet werden kann. Mit dem wachsenden Straßenbahnangebot wird zukünftig außerdem ein neuer Betriebshof nötig. Der jetzige in der Neustadt sei heute schon an seinen Kapazitätsgrenzen. Eine entsprechende Machbarkeitsstudie ist bereits ausgeschrieben. Und nach 2030? Die MVG ist aufgeschlossen für weitere Ausbauschritte, Ideen dazu werden intern stets gesponnen. Was aber in Zukunft noch umgesetzt wird, orientiere sich an den dann herrschenden Bedarfen. Alle aktuellen Ausbauschritte seien aber so ausgelegt, dass sie stets aufwärtskompatibel seien. Und so könnte es sein, dass man irgendwann doch nochmal den Sprung über den Rhein schafft. Auch wenn heute daran noch so keiner glauben mag.
Projekthomepage zum Innenstadtring: www.m-wie-zukunft.de/
Foto: Harald Neise