Verwandtschaft zu Besuch
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Was kreucht und fleucht im STUZ-Gebiet? Wilde Tiere vor der Haustür, Teil 17: Grau- und Silberreiher
von Konstantin Mahlow
Raubvögel sind bekannt dafür, in ihrem Jagdverhalten Eleganz mit tödlicher Präzision zu vereinen. Das gilt für die majestätischen Schwarzmilane, die mit ihren Flugmanöver für große Augen sorgen – aber auch für die Jäger, die lieber zu Fuß unterwegs sind. Graureiher bewegen sich im flachen Wasser der Steinböschungen so vorsichtig und grazil, als würden sie durch ein Minenfeld waten. Tatsächlich schleichen sie sich an ihre Beute an: Junge Fische in Ufernähe, die in kleinen Buchten und an der Steinpackung Schutz vor der Strömung suchen. Die Reiher verharren oft minutenlang in starrer Position und verrenktem Hals. Bis sie schließlich langsam den Kopf senken, um in nächsten Moment blitzschnell zu zuschlagen. Nicht nur Fische haben dann wenig Chancen: Frösche, Insekten, kleine Vögel und vor allem Mäuse stehen ebenfalls weit oben auf dem Speiseplan.
Daheim am Rhein
Letztere sind der Grund, warum man Graureiher (Ardea cinerea) oft genauso häufig auf dem Feld wie am Wasser beobachten kann. Und dennoch zählen sie zu den typischen Vertreter der Avifauna am Inselrhein. Zusammen mit den Milanen und Kormoranen sind sie die dominanten Raubvögel in den Auen und Altrheinarmen. Wie die beiden Genannten auch trauen sie sich zunehmend in die Nähe von Siedlungen, obwohl sie stets einen großzügigen Sicherheitsabstand zu uns einhalten. Entlang der Ufermauer oder auf den Steinpackungen sind Graureiher allerdings schwer zu erkennen und oft nur außerhalb menschlicher Stoßzeiten unterwegs. Charakteristisch neben dem weiß- bis aschgrauen Gefieder sind die schwarzen Augenstreifen und drei schwarze, einen Federbusch bildende, Schopffedern am Hinterkopf. Auch ihre enorme Flügelspannweite von knapp zwei Metern ist auffällig – bei gerade mal ein bis zwei Kilogramm Körpergewicht.
Einsame Jäger
Graureiher, die regional auch als Fischreiher bekannt sind, hatten lange keinen guten Stand in Mitteleuropa. Durch Bejagung und mangelnder Wasserqualität war ihre Zahl lange klein, bis es ab den 70ern Jahren dank diverser Schutzmaßnahmen zu einer Bestandsexplosion kam. Mittlerweile sind sie häufige Brutvögel in teils großen Kolonien entlang des Rheins. Im STUZ-Gebiet sind sie aufgrund günstiger klimatischer Verhältnisse und ausreichendem Nahrungsangebot ganzjährig zu Hause. Ihr Territorium verteidigen die alleine jagenden Vögel vehement gegen Artgenossen, weshalb sie sich außerhalb der Brutzeit meistens aus dem Weg gehen. Gartenteichbesitzer machen sich das oft zu Nutze, indem sie falsche Plastikreiher neben ihren geliebten Kois platzieren. Klappt das mal nicht, machen die Reiher wenigstens kurzen Prozess: Selbst Fische von 40 cm Länge oder ausgewachsene Ratten werden an einem Stück und oft noch lebend verschlungen.
Neue Gäste
Seit geraumer Zeit bekommen die Graureiher am Inselrhein Gesellschaft aus der nahen Verwandtschaft: Silberreiher (Ardea alba) werden immer häufiger in den Auen und auf offenen Feldern beobachtet, vor allem in den Wintermonaten. Was bis vor einigen Jahren noch eine zoologische Sensation war, ist für Ornithologen mittlerweile nichts besonderes mehr. Und doch wirken die schneeweißen Stelzenvögel wie Fremdkörper in der grauen Landschaft. Seit den 80ern breiten sie sich dank zunehmend wärmeren Klimaverhältnisse aus Südost- nach Mitteleuropa aus. In ihrer Lebensweise unterscheiden sie sich kaum von ihrem grauen Pendant. Im STUZ-Gebiet sind sie bisher nur als Gastvögel zu sehen, die nächsten Brutvorkommen liegen in den Niederlanden und am Neusiedler See. Anhand der aktuellen Entwicklung gehen aber viele Experten davon aus, dass es auch hierzulande bald zu ersten Nestbauten kommen wird. Ob grau oder weiß, Reiher sind vom Rhein und seiner Umgebung nicht wegzudenken. Das gefällt bei weitem nicht allen, haftet doch nach wie vor ein schlechter Ruf an ihnen. Ihre Vorliebe für Fisch war in der Vergangenheit der einzige Grund für ihre massenhafte Bejagung. Mittlerweile haben Untersuchungen jedoch gezeigt, dass Reiher in Wildgewässern beinahe ausschließlich Arten erbeuten, die für die Fischerei uninteressant sind. Solch einen Wirtschaftszweig gibt es im Inselrhein sowieso schon lange nicht mehr, höchstens ein paar murrende Angler. Und so werden die Uferböschungen auch weiterhin die Laufstege der eleganten Jäger bleiben.