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Gesellschaft

Ist Singen gesund?

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Singen geht immer. Ob unter der Dusche, beim Kochen oder am Lagerfeuer – die Stimme ist unser ständiger Wegbegleiter. Dass es sich lohnt zu singen, ist sogar wissenschaftlich bewiesen.

von Franziska Bold

Nach einem anstrengenden Tag die Chorprobe zu besuchen, fühlt sich an wie der Eintritt in eine kleine Parallelwelt, in der Stress und Sorgen nicht existieren. Auf einmal ruht die gesamte Konzentration nur noch auf Melodien, Rhythmen und der richtigen Atmung. Am Ende der Probe herrscht ein Gefühl der Ausgeglichenheit und Zufriedenheit. Doch was passiert in unserem Körper, wenn wir singen?

Der ganze Körper in Aktion

Das untersuchte der Musikwissenschaftler Gunter Kreutz, Professor an der Universität Oldenburg zusammen mit Psycholog*innen und Mediziner*innen. In ihrer Studie nahmen die Wissenschaftler*innen die Wirkung einer Chorprobe auf die Stimmung, das Immunsystem und die Ausschüttung von Stresshormonen unter die Lupe. Dabei wurde das aktive Singen mit dem bloßen, passiven Hören von Musik verglichen. An der Studie zu den Effekten des Singens nahmen 25 Sängerinnen und Sänger eines Kirchenchores teil. Vor der Chorprobe füllten die Probanden einen Fragebogen zu ihrer momentanen Gefühlslage aus und gaben eine Speichelprobe ab. Das Gleiche nach der Chorprobe. Das Ergebnis: Nach der Chorprobe war die Anzahl der Immunglobuline A – das sind Eiweiße, die als Antikörper Bestandteil des Immunsystems sind – stark gestiegen. Hörten die Probanden lediglich die Musikstücke an, die sie vorher geprobt hatten, blieb der Anteil an Immunglobulinen unverändert. Die Konzentration des Stresshormons Cortisol sank sowohl nach dem Singen als auch nach dem Hören, allerdings war die Abnahme nach dem Singen stärker. Laut Fragebögen war auch die Stimmung bei den Chormitgliedern nach dem Singen deutlich besser als nach dem bloßen Hören der Musikstücke. Zusätzlich zur Reduktion des Stresshormons werden beim Singen Glückshormone wie Endorphin und Adrenalin ausgeschüttet sowie das „Kuschelhormon“ Oxytocin produziert, so das Ergebnis der Studie. Deswegen fühlen sich viele Sänger*innen nach einer Probe glücklicher und ausgeglichener. Besonders das Chorsingen löst deswegen ein starkes Gemeinschaftsgefühl aus.

Die positiven Effekte des Singens lassen sich also tatsächlich durch physiologische Veränderungen im Körper belegen. Eine weitere wichtige Rolle spielt die Atmung: Sänger*innen atmen beim Singen in den Bauch und in den Rücken hinein. Dabei senkt sich das Zwerchfell, wodurch die Lunge mehr Platz erhält, um sich zu entfalten. Im unteren Teile der Lunge werden dadurch die Lungenblasen besser mit Luft versorgt. Die Sauerstoffsättigung erhöht sich und der Kreislauf kommt in Schwung. Beim Ausatmen bewegt sich das Zwerchfell wieder nach oben. Der dadurch entstehende Sog hilft dem Herz dabei, das Blut aus dem unteren Teil des Körpers zurückzupumpen. Das Herz-Kreislauf-System wird beim Singen daher ähnlich aktiviert wie bei leichten sportlichen Aktivitäten. Da unser Körper beim Singen mit mehr Sauerstoff versorgt wird, wird insgesamt der Stoffwechsel angekurbelt. Außerdem stabilisiert sich der Blutdruck, Organe und Gehirn werden besser durchblutet, wodurch auch die Konzentrationsfähigkeit steigt.

Singen in der Therapie

Kann dieser positive Effekt auch in der Therapie genutzt werden? Davon ist der 2009 gegründete Verein „Singende Krankenhäuser e.V.“ überzeugt. Das mittlerweile internationale Netzwerk setzt sich für die Verbreitung therapeutischer Singangebote ein. Die Universitätsklinik Köln gehört zu den zertifizierten „singenden Krankenhäusern“. Hier treffen sich Krebspatienten mit Angehörigen und Klinikpersonal in einer Singgruppe, wo sie durch das gemeinsame Singen neue Kraft schöpfen können. Dass Ängste und Schmerzen durch musiktherapeutische Interventionen tatsächlich gemildert werden, zeigt eine 2011 erschienene Review der Organisation Cochrane.

Bei neurologischen Erkrankungen wie Parkinson ergaben Forschungsergebnisse des Queensland Conservatorium Research Centre der Griffith University in Australien, dass sich Lungenfunktion, motorische Fähigkeiten und das psychische Befinden der Erkrankten nach einer gemeinschaftlichen Gesangstherapie deutlich verbesserten. Singen als Therapie wirkt auch bei der Unterstützung von Demenzkranken.

Doch selbst wenn man von den wissenschaftlichen Erkenntnissen absieht, bleibt festzuhalten: Singen macht einfach Spaß, bereitet gute Laune und lohnt sich auf jeden Fall ─ am besten einfach ausprobieren und loslegen.

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