Viva Vinyl
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Die Absatzzahlen der Vinyl-Schallplatte liegen in Deutschland auf Rekord-Niveau. Doch warum ist der Hype um den Tonträger überhaupt so groß und was bedeutet das für aufstrebende Bands und Musiker*innen?
von Rodney Fuchs
Zwischen sieben und zwölf Zoll messen die Schreiben, die uns eine ganz besondere Klangqualität versprechen. Sie wiegen bis zu 180 Gramm, können unterschiedlichste Farben und Muster haben oder kommen ganz klassisch im schwarzen Vinyl: die Schallplatte. Schon fast ein eigenes kunsthistorisches Genre sind die Plattencover. Sie eignen sich bestens, um sie wie ein Bild einzurahmen und mittlerweile gibt sogar gängige Rahmen, in denen genau eine Vinylschallplatte Platz findet. Ikonisch, nostalgisch und für die Ewigkeit, das vermittelt uns das physische Medium, das im Jahr 2021 trotz aller Streaming-Plattformen einen Marktanteil von 5,9 Prozent hat.
Das Mysterium der Klangqualität
Für viele ist der Klang einer Schallplatte das Optimum. So detailliert und klar wie eine Vinyl klingt keine CD, oder etwa doch? Ob eine digital gemasterte Schallplatte besser klingen kann als eine gleichwertig produzierte CD, ist zu bezweifeln. Stattdessen ist es das viel bewusstere Hören, das auch durch das rituelle Auflegen einer Schallplatte dafür sorgt, dass wir mehr Details wahrnehmen. Am Ende ist es meist die eigene Anlage, die den Unterschied des Klanges ausmacht. Denn entgegen einer CD ist eine Schallplatte zudem anfälliger für Staub und Kratzer, die dazu führen, dass ein Knacken oder Knistern hörbar wird. Dies wiederum macht für viele den Charme der Platte aus, die dadurch noch nostalgischer und wärmer wirkt als eine CD.
Der Trend hält an
Als die CD den Markt übernahm, gaben viele Labels die Schallplatten auf. An einen erneuten Hype glaubte niemand mehr. Stattdessen orientierten sich Presswerke um, um der immensen Nachfrage an CDs gerecht zu werden. Doch die CD befindet sich auch in Deutschland auf einem absteigenden Ast. Bereits 2010 war der Umsatz eingebrochen, denn digitale Downloads über Anbieter wie iTunes wurden immer beliebter. Waren es laut Bundesverband Musikindustrie im Jahr 2010 noch 98,7 Millionen Tonträger, so zählte man zehn Jahre später nur noch 32,2 Millionen Tonträger, was einem Anteil von 21,6 Prozent entspricht. Im Halbjahres Report der BVMI waren es nur noch 14,5 Prozentpunkte. Das Vinyl hingegen steigerte sich von 5,5 auf 5,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Die Platte braucht Zeit
Die Wartezeiten von Presswerken waren noch nie kurz. Wartete man zuvor zwischen drei und vier Monate auf die Pressung einer Schallplatte, sind es mittlerweile bis zu zehn Monate Wartezeit, bevor die Vinylschallplatten ausgeliefert werden. Der Grund dafür ist der Mangel an Presswerken, ein Rohstoff-Mangel sowie die immens große Nachfrage.
Erst kürzlich umschrieb Mirko Gläser vom Indie-Label UncleM das Problem rund um die Vinyl-Pressungen auf den Social-Media-Kanälen seines Labels. Die Folge aus dem Rohstoffmangel, den Wartezeiten und der begrenzten Presswerk-Kapazitäten sei, dass eine Schallplatte in Zukunft teurer werden würde. Statt 20 würden es 30 Euro sein, die Verbraucher*innen für die Tonträger ausgeben müssten. Zudem erschienen Alben viel später, als sie könnten, da die massiven Vorlaufzeiten eine große Verzögerung mit sich bringen würden. Auch für Robin Staps vom Indie-Label Pelagic Records ist dieses Problem bereits spürbar, sodass die Release-Planungen für das Jahr 2023 bereits im vollen Gange seien, um rechtzeitig Schallplatten zum Verkauf anbieten zu können, wie er im FUZE Magazine erzählt.
Welche Alben sind gefragt?
Vor allem Nachpressungen großer Alben und Pressungen bekannter Pop-Acts belegen die Presswerke. Denn nicht nur Indie-Labels haben das Medium der Schallplatte noch im Blick. Auch die Major-Labels sehen in der steigenden Nachfrage eine große Möglichkeit, Umsatz zu machen und bestellen Schallplatten en masse. Am Ende sind es die kleinere Acts mit kleinen Auflagen, die warten müssen, denn der Rubel zählt. So versperren Aufträge mit einem hohen Volumen den Weg für viele kleine Bands und Musiker*innen, die vielleicht noch etwas mehr darauf angewiesen sind, Tonträger anzubieten als die großen Popstarts, mit denen nur noch mehr Geld erwirtschaftet werden soll als ohnehin schon.
Zukunftsmusik
Am Ende des Tages stärkt der Vinyl-Boom mit seinen positiven und negativen Aspekten die Musikwirtschaft und sorgt dafür, dass die Zahlen trotz der Streaming-Anbieter und deren geringen Revenue Shares steigen und steigen. Wie lange der Hype anhält, ist unklar. Aber auch Kassetten werden wieder beliebt und werfen ein Licht auf den physischen Tonträger, der vielleicht in zwanzig Jahren auch für ein CD-Revival sorgen mag. Wer weiß …