Auslandsstudium im Lockdown
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Ob ausländische Studierende in Mainz oder Mainzer, die es in die Welt zieht – durch die Pandemie ist vieles schwieriger. Doch das ERASMUS-Programm passt sich an und ist weiter gefragt.
Von Julia Tischbirek
Eilidh Baxter ist 20 Jahre alt und kommt aus Schottland. Über ERASMUS studiert sie nun für zwei Semester in Mainz. Die Uni lernte sie bisher allerdings nur online kennen.
Die Zahl der ausländischen Studierenden, die ein ERASMUS-Semester an der Uni Mainz absolvieren, sei stark gesunken, berichtet Marion Jorzyk von der Gutenberg International School. Rund 100 Austauschstudierende hätten sich im Sommersemester 2021 neu immatrikuliert – im Sommersemester vor der Pandemie waren es circa 150 Studenten.
Auch Eilidh stellt sich manchmal vor, wie ihr Aufenthalt in Deutschland wohl ganz ohne Corona wäre. „Auf jeden Fall anders“, meint sie nachdenklich: „Es ist schon sehr schwierig, Leute kennenzulernen.“ Zumindest gibt es das Angebot des virtuellen Meet and Greet, um den Studierenden die Gelegenheit zu geben, sich etwas auszutauschen.
Ihre Kommilitonen in Deutschland hat Eilidh noch nie zu Gesicht bekommen. Auch befürchtet sie, kaum Fortschritte mit ihren Deutschkenntnissen zu machen, da es einfach an Austausch fehlt. Das bedauert auch Marion Jorzyk: „Vor Corona bestand über das ganze Semester ein stetiger Austausch zwischen uns und den ausländischen Studierenden.“ Durch das ausschließlich digitale Angebot kann die Gutenberg International School nun auch viel weniger Einblicke in die Leben der Studierenden erlangen: „Der persönliche Kontakt fehlt einfach.“
Doch Eilidh bleibt positiv: „Es ist trotz allem super, in Mainz zu sein.“ Ein Online Studium ist zwar eintönig, doch würde sie das gleiche an ihrer Universität in Glasgow erwarten.
Auch Jolanta Golebiowska war über ERASMUS ein Semester an der Johannes Gutenberg-Universität. Sie fuhr jedoch schon zwei Monate vor Ende des Programms wieder zurück nach Polen, da sie das Online-Studium auch aus ihrem Heimatland absolvieren kann. „Es war einfach weniger kompliziert“, erzählt sie, bedauert aber, dass sie ihre Zeit in Deutschland nicht noch mehr nutzen konnte.
ERASMUS bleibt in Mainz gefragt
Als der Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres begann, stellten die meisten ERASMUS-Partneruniversitäten auf digitale Lehre um. Falls ein Auslandsstudium dort nicht möglich war, konnte man glücklicherweise oft kurzfristigen Ersatz für die Betroffenen finden oder den Aufenthalt verschieben. Lenka Tucek koordiniert die ERASMUS-Outgoings der Mainzer Uni und freut sich, dass die meisten Studierenden die Lage sehr gut gemanagt haben. Trotz all der Einschränkungen sei ein Auslandssemester immer noch eine großartige Gelegenheit, den Horizont zu erweitern und interkulturelle Erfahrung zu sammeln.
Um sich an die aktuelle Lage und die Studierenden mit ihren individuellen Bedenken und Wünschen anzupassen, wurden zudem neue Studienformate entwickelt. Diese könne man voraussichtlich auch noch nach der Pandemie nutzen. Dazu gehört die virtuelle Mobilität, wodurch die Studierenden ihr ERASMUS-Studium online von Deutschland aus absolvieren können.
Auch möglich ist die sogenannte „blended mobility“. Hierbei lässt sich der physische Aufenthalt im Gastland nach den eigenen Vorstellungen gestalten, wobei man jedoch das Angebot der Partneruniversität berücksichtigen muss. So könnte man sein Studium mit einem physischen Aufenthalt in Frankreich beginnen und in Deutschland virtuell fortsetzen.
Ebenfalls wird 2021 die „green mobility“ eingeführt, um umweltfreundliches Reisen zu fördern. Wer etwa mit dem Zug und nicht mit dem Flieger anreist, erhält eine größere finanzielle Unterstützung.
Im Sommersemester 2021 nutzen 190 Studierende der Johannes Gutenberg-Universität das ERASMUS-Programm. Wobei auch einige virtuell von ihrem Wohnsitz in Deutschland aus studieren, erzählt die ERASMUS-Hochschulkoordinatorin Lenka Tucek. Andere hätten ihren Aufenthalt verschoben, da gäbe es große Freiheiten. Für das kommende Wintersemester gibt es bisher circa 555 Anmeldungen.
„Ich kann nur dafür werben, die Option des ERASMUS-Auslandsstudiums auch trotz Corona zu nutzen. Ob nun vor Ort an der Gasthochschule oder digital von Deutschland aus – man kann sehr viel mitnehmen und hat später auf dem Arbeitsmarkt deutliche Vorteile“, wirbt Lenka Tucek. Restplätze seien immer noch zu vergeben. „Und gerade wenn es um einen Aufenthalt in Großbritannien gehe, sollte man die Chance jetzt unbedingt noch nutzen.“ Auf Grund des Brexits kann ERASMUS ab 2023 in Großbritannien kein Programm mehr anbieten.