Ist das Jubiläum Sch(r)ott?
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Der Mainzer Verlag Schott Music ist in aller Welt bekannt. Komponisten wie Ludwig van Beethoven, Richard Wagner und Carl Orff wurden hier verlegt. Aber am 250-jährigen Verlags-Jubiläum gibt es berechtigte Zweifel.
Von Rodney Fuchs
Seit dem Bau des Patrizierhauses im Jahre 1792 besteht der Schottverlag im Mainzer Weihergarten und ist darüber hinaus an die Standorte New York, Beijing, London, Madrid, Paris, Toronto und Tokyo expandiert. Gegründet wurde der Verlag von Bernhard Schott, damals noch unter dem Namen B. Schott’s Söhne.
Als Gründungsjahr wird 1770 genannt, ein Zeitpunkt zu dem der junge Bernhard Schott 22 Jahre alt war. Zu dieser Zeit wurden Musikaliendrucke und ähnliches mit Kupferstichplatten angefertigt, eine Fähigkeit, die Schott früh erlernte. Doch erst zehn Jahre später, 1780, erhielt der Kupferstecher das privilegium exclusivum, ein Recht darauf, innerhalb des Kurfürstentums der einzige Vervielfältiger von Notenstichen zu sein, sowie das Prädikat des Hofmusikstechers vom damaligen Kurfürsten und Erzbischof Friedrich Karl Joseph von Erthal. Das Unternehmen selbst nennt diesen Zeitpunkt eine „wichtige Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg des jungen Unternehmens“, da es Schott ein Exklusivrecht auf seine gestochenen Musikwerke zusicherte.
Wo liegt der Beweis?
Es wäre beinahe zu perfekt, gar ein Märchen der Musikgeschichte, die Gründung eines Verlags auf das Geburtsjahr Ludwig van Beethovens zu legen. Der Mainzer Musikwissenschaftler Prof. Dr. Axel Beer weiß, dass Bernhard Schott im Jahr 1770 wahrscheinlich mit dem Gedanken liebäugelte als Notenstecher oder Musikalienhändler zu arbeiten. Ein Musikdruck aus den 1770er Jahre existiert allerdings nicht. Es gibt also keinerlei Evidenzen, dass Bernhard Schott im Jahr 1770 überhaupt einen einzigen Musikdruck gestochen hat.
Auf der Online-Präsenz der Arbeitsgemeinschaft für mittelrheinische Musikgeschichte e.V. (kurz MuGeMiR) gratulierte Prof. Beer im Juli 2020 zum 240-jährigen Jubiläum des Schott-Verlags. Er wies darauf hin, dass erst letztes Jahr im Wiesbadener Verlagshaus Breitkopf & Härtel ebenfalls ein zweifelhaftes Jubiläum gefeiert wurde, während es einzig beim Kasseler Bärenreiter Verlag im Jahr 2023 ein belegtes 250-jähriges Jubiläum zu feiern gäbe. Prof. Beer nahm vor allem eine Sendung des heute journals ins Gericht und verwies auf unzureichende Recherche, die gerade in Mainz, in der die Musikwissenschaft eine starke Stellung hat, simpel gewesen wäre. Laut Beer gehe das Gründungsjahr wahrscheinlich auf einen Druckfehler in einem älteren Lexikon zurück. Wäre 1770 tatsächlich korrekt, so wäre der Verlag der älteste noch bestehende- und auf Musik spezialisierte Verlag der Welt. Ob es einen Beweis für das Jahr 1770 gibt, bleibt fraglich, doch auch ohne Nachweis hat Schott Music großes geleistet.
Beachtliche Arbeit in den letzten Dekaden
Im 19. Und 20. Jahrhundert hat der Verlag sein Repertoire erweitert und glaubte früh an das Potenzial das in der neuen Musik steckte. Publikationen von zeitgenössischen Komponisten wie Carl Orff, Igor Strawinsky, György Ligeti, Paul Hindemith, Hans Werner Henze und Aribert Reimann festigten das Repertoire des Verlags und gaben eine Marschrichtung vor, die auch im 21. Jahrhundert noch gilt. Zum aktuellen und zeitgenössischen Repertoire zählen Komponist*innen wie Richard Ayres, Chaya Czernowin, Toshio Hosokawa und Christian Jost, die Schott Music noch immer zu einem renommierten Verlag machen und zeigen, dass das Unternehmen über Jahrzehnte hinweg seit dem 18. Jahrhundert nachhaltig wirtschaftet. Und wer weiß, vielleicht taucht irgendwann ein Beleg dafür auf, dass Bernhard Schott schon im Jahr 1770 mit dem Stechen von Notendrucken begann. In der Zwischenzeit spekuliert Prof. Dr. Axel Beer in seinen Vorlesungen über einen geheimen Tresor im Keller des Verlagshauses im Mainzer Weihergarten. Ob die Kollegen der Mainzer Archäologie diesen Schatz eines Tages zu Tage bringen werden, bleibt mit allergrößter Spannung zu erwarten. Solange folgen wir dem ehrlichen Motto: im Club sind wir doch auch nicht immer so alt, wie es auf unseren Papieren faktisch steht.
Dieser Artikel wurde nach der Veröffentlichung im Heft ergänzt:
Nach Stellungname von Frau Dr. Christiane Albiez, Mitglied der Geschäftsleitung der Concert Opera Media Division von Schott Music, existiert ein Brief von Bernhard Schott aus dem Jahr 1770. Dieser Brief diente der Histrokerin und Mitautorin der Schott-Geschichte, Frau Dr. Hogen, als Datierungsquelle für die Gründung des Unternehmens. Dieser Brief ist jedoch nur als Abschrift vorhanden, weil das Original im Krieg vernichtet wurde. Weitere Informationen zur Gründung des Schott Verlags finden sich auf den ersten Seiten der Verlagsgeschichte.