Vom Geflüchteten zum Altenpfleger
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Das HauF Projekt von EVIM bietet auch Geflüchteten mit geringen Deutschkenntnissen eine Chance auf eine geregelte Aufenthaltsgenehmigung und einen sicheren Arbeitsplatz. Gefragt ist vor allem Durchhaltevermögen.
von Mirijam Krebber
Hussaini, 27 Jahre, gehört zur ersten Generation des Projektes HauF (Hauptschulabschluss und Freiwilligendienst für Geflüchtete), das 2017 von EVIM (Evangelischer Verein für Innere Mission in Nassau) ins Leben gerufen worden ist. Als Afghane, der vor circa fünf Jahren nach Deutschland emigriert ist, ist HauF für ihn eine Chance, endlich Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache und eine geregelte Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Nach erfolgreicher Vollendung der Hauptschule ist ihm ein Ausbildungsplatz zur Fachkraft in der Altenpflege schon zugesichert. Mit einem dreijährigen Ausbildungsvertrag sieht der Staat auch eine dreijährige Ausbildungsduldung vor, eine geregelte Aufenthaltserlaubnis steht ihm allerdings erst mit der festen Zusage eines Arbeitsplatzes zu. Da das Risiko, keinen Arbeitsplatz zu finden, durch hohe Nachfrage an Altenpflegern eher gering ist, haben sich zehn der zwölf Teilehmer dieses Jahr für eine Ausbildung entschieden. Der Ausbildungsplatz ist ihnen schon zugesichert. Das sind auch gute Aussichten für Wiesbadener Altenpflegeheime. Pia Rau, die Betreuerin von Hussaini aus dem Johann Hinrich Wichern Stift, wünscht sich jedenfalls schon jetzt, dass Hussaini öfters da wäre. Sie schwärmt davon, wie höflich und zuverlässig Hussaini sei und wie gut er ins Team passe. Bis zum Ausbildungsbeginn im August hilft Hussaini im Rahmen des vorgesehenen Frewiliggendienstes des HauF Projekts zehn Stunden in der Woche im Johann Hinrich Wichern Stift aus. Dadurch kann er für sich herausfinden, ob ihm die Arbeit als Altenpfleger überhaupt liegt. Und falls nicht, hätte sich das Jahr trotzdem gelohnt, denn der regelmäßige Kontakt mit dem Arbeitsalltag in Deutschland hat Hussaini immens dabei geholfen, seine Deutschkenntnisse auf Vordermann zu bringen. In der Flüchtlingsunterkunft redet er vor allem Farsi (persische Sprache, Farsi ist ein Distrikt in Afghanistan). Die meisten Senioren sind sehr geduldig, sprechen von sich aus eher langsam und stecken ihm hier und da auch mal Schokolade oder aufmunternde Worte zu, erklärt Hussaini.
Etappenziel eigene Wohnung
Für Hussaini ist der Hauptschulabschluss gleichermaßen auch Deutsch- und Integrationskurs. Obwohl er schon seit über fünf Jahren in Deutschland lebt, gehört Hussaini zu jener Gruppe von Geflüchteten, denen der der Zugang zu den offiziellen Deutsch- und Integrationskursen während des Asylverfahrens vom Bundesinnenministerium verwehrt wird. Begründung: Geflüchtete aus den Herkunftsländern Afghanistan, Somalia und Pakistan haben eine zu geringe Bleibeperspektive, als dass sich der Aufwand lohne. Hussaini versteht nur fünfzig Prozent von dem, was im Unterricht gesagt wird, den Rest muss er sich erschließen oder nachlernen. Schulprüfungen sind zudem völliges Neuland für ihn. Als Hussainis Familie damals in den Iran flüchtete, war Unterricht an den „Flüchtlingsschulen“ kostenpflichtig. Hussaini lernte dort zwar Lesen und Schreiben, absolvierte jedoch keine einzige Prüfung. Nicht verwunderlich, dass der 27-Jährige bei den drei bevorstehenden Abschlussprüfungen im Mai ganz schön unter Druck steht. Noch dazu hat er in der Gemeinschaftsunterkunft in seinem Mehrbettzimmer kaum Privatsphäre und bangt tagtäglich um seine zurückgelassene Familie. EVIM unterstützt ihn und alle anderen Teilnehmer wo es nur geht: Die Osterferien wurden zur Prüfungsvorbereitung für die anstehende Deutsch-Abschlussprüfung genutzt. Durch Patenprogramme mit Deutschen hilft der Verein den Geflüchteten, einen Ansprechpartner in Deutschland zu finden. Hussaini hat durch seinen Paten, einen Nachhilfelehrer von EVIM, beispielsweise die Lust am Theater entdeckt. Manchmal kochen sie auch zusammen oder machen Hausaufgaben. Der Anschluss zu Kollegen aus dem Seniorenstift hilft ihm zudem, sich besser zu integrieren und Menschen zu treffen, die gerne helfen wollen. Pia und ihre Kollegen aus dem Johann Hinrich Wichern Stift sind sehr darum bemüht, eine kleine Wohnung für Hussaini zu finden, deren Kosten vom Sozialamt übernommen werden könnten. In diesem Sinne ist HauF auch trotz ungewisser Prüfungsergebnisse schon jetzt ein voller Erfolg, beteuert Carolin von EVIM. Man sehe schon jetzt, wie sich die Deutschkenntnisse durch den Unterricht und Anschluss zu anderen Deutschen immens verbessert haben. Die nächste Ausbildungsphase von EVIM hat auch dieses Jahr im April wieder mit einer Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung begonnen. Im August beginnt dann die Hauptschule. Bewerberinnen und Bewerber müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Im Normalfall wird ein Deutschlevel von B1 erwartet, welches aber nicht durch Zertifikate nachgewiesen werden muss, um allen eine Chance zu geben. Am meisten komme es auf die richtige Motivation aller Teilnehmer an, unterstreicht Carolin.