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Kultur Mainz

Die letzten lauten Ecken

Als Konzertort ist das „schon schön“ in Mainz alternativlos – und doch gefährdet. Ein Gespräch mit Paul Kaspar über neue Trends und treue Fans.

Von Konstantin Mahlow

Ein Dienstagabend im schon schön: Aus Berlin ist das aus zwei jungen Damen bestehende Garage-Duo „Cava“ gekommen, über hundert Leute bewegen sich zu schnellen Powerchord-Riffs und nippen dabei an ihren Feierabendgetränken. Live-Musik unter der Woche – längst keine Selbstverständlichkeit in der verschlafenen Landeshauptstadt. Und doch immer noch eine Option in der Abendplanung. Zu verdanken haben das die Mainzer:innen einer Handvoll übrig gebliebener Veranstaltungsorte wie dem von Norbert Schön geführten schon schön im Allianzhaus. Der Club hat sich über Jahre zu der wichtigsten Location seiner Art in Mainz entwickelt. An bis zu sechs Abenden die Woche treten hier mehr oder weniger bekannte Künstler:innen auf. Gefolgt sind sie zuvor dem Ruf von Paul Kaspar, seines Zeichens hauptverantwortlicher Booker im schon schön.

Der 35-jährige stammt aus dem Saarland und hat Musikwissenschaften und Soziologie in Mainz und Gießen studiert. 2017 begann er im schon schön als Bandbetreuer und Lichtperson. Als eine halbe Stelle als Booker frei wurde, bewarb sich Kaspar und bekam den Job. „Ich habe das damals als perfekten Entwicklungsschritt gesehen, um weiter in die Strukturen reinzuwachsen“, erzählt er bei einem Mate an der Club-Bar. Seit 2020 kümmert sich Kaspar allein um die meisten Buchungen. Auch dank seiner Handschrift ist das schon schön heute der zentrale Veranstaltungsort für Konzerte aus der alternativen Musikszene, die neben Lesungen und den nächtlichen Partys das dritte Standbein des Clubs ausmachen. Bereits sein Vorgänger leistete ganze Arbeit: Viele Kontakte waren schon seit Jahren aufgebaut, das schon schön längst auf dem Schirm der Agenturen. Unterstützt wird er von Rodney Fuchs, der sich um die Metal-Konzerte kümmert, und Jan-Felix Mai, der die Jazzabende an jedem ersten und dritten Montag im Monat organisiert.

Paul Kaspar kommt selbst aus der Live-Szene, spielte früher bei „Modern Days“ und ist nach wie vor in mehreren Bandprojekten aktiv, beispielsweise bei „Die Apart“. Von seinem Chef Norbert Schön genießt er vollstes Vertrauen und kann frei und nach eigenem Gutdünken arbeiten. Gespielt wird im Club vor allem Indie, Alternativ, Pop, Jazz und Hip-Hop, doch wie die Musik selbst ist auch der Horizont eines zeitgemäßen Bookers immer in Bewegung: „Es ist schon auffällig, wie sich in nur wenigen Jahren die Richtungen in der Musik ändern. Es entstehen ständig neue Moden und Trends, die es aufzuspüren gilt.“ Als Beispiel nennt Kaspar die „Neue neue deutsche Welle“. „Wenn wir eine Band einladen, stellen wir uns vorher immer die Frage, ob sie in einem Jahr vielleicht das Ding ist.“

Eine besondere Rolle spielen die Hut-Konzerte an Dienstagen, die auf Spendenbasis laufen. Oft spielen hier Bands, die in der Region noch nicht allzu bekannt sind, und für die der Auftritt im schon schön zur Initialzündung werden kann. Im Idealfall erspielen sie sich an einem gelungenen Abend eine kleine Fanbase, die beim nächsten Besuch der Band auch bereit wäre, ein Ticket zu kaufen. Dieses Konzept kann man mit Fug und Recht als „Aufbauarbeit“ benennen. Auf die Weise fördert das schon schön aktiv die Bandszene, profitiert aber auch selbst davon. „Von der Lage und Größe her ist es hier einfach die perfekte Location, um als Band in der Region anzukommen. Darüber hinaus kann es dir schon helfen, als Musiker zu sagen, wir haben im schon schön gespielt. Veranstalter können dann einschätzen, wie groß der Abend mit der Band werden kann und ob es sich lohnt, sie einzuladen.“

Es kommen natürlich auch etliche bekanntere Bands – die Subkultur hat eine treue Fangemeinde. Kaspar betont, dass es neben den engagierten Mitarbeitern und dem eingespielten Team gerade auch die wiederkehrenden Gäste sind, die die Konzertreihe erst möglich machen. Es ist Platz für 250 Personen, aber auch mit 80 ist der Raum nicht leer. Doch wo sollten die alle hin, falls es den Club einmal nicht mehr geben sollte? Die Zukunft des Allianzhauses ist bekanntermaßen unklar, einen vergleichbaren Ort gibt es in der Mainzer Innenstadt nicht – auch nicht in der Kommissbäckerei. Wie es über den auslaufenden Pachtvertrag hinaus weiter geht, kann Kaspar nicht sagen. Für Initiativen wie den Verein Spielraum, die für den Erhalt des Allianzhauses kämpfen, ist er dankbar: „Ich sehe das auch als Anerkennung für unsere Arbeit.“

Ein urbaner Ort, an dem Trends entdeckt und Bands gefördert werden, eine Bühne, vor der die alternative Fanszene ihre Heimat gefunden hat – das schon schön ist aus Mainz nicht wegzudenken. Wer dafür noch mehr Gründe sucht, braucht sich nur die Highlights der kommenden Wochen ansehen, darunter Fat Dog, Tramhaus, MC Rene und Jakuzi. Kaum vorstellbar, solche Bands irgendwo sonst in Mainz zu sehen.

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