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Kultur Stadt Wiesbaden

Jede Stadt kann mehr vertragen!

Meldungen über Schließungen von Kulturinstitutionen geben sich dieser Tage die Klinke in die Hand. Reihenweise verschwinden die aus Ballungsräumen eigentlich nicht wegzudenkenden Begegnungs- und Vergnügungsstätten. Vor diesem Hintergrund erscheint es daher umso erfrischender, die Neueröffnung eines Nachtclubs zu vermelden.

Von Noah Green

Wiesbaden – eine Stadt, die in vergangenen Zeiten mal richtig was zu bieten hatte. Dann aber sei plötzlich damit angefangen worden, das Nachtleben auszubremsen, wie sich Benjamin Winkel im Gespräch erinnert. Benjamin ist Clubleiter des neueröffneten „Basement“ in der Schwalbacher Straße. Jener Kulturstätte, die bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken kann und daher gar nicht so neu ist, wie es hier vielleicht angeklungen sein mag. Bereits seit den 1950er Jahren werden Tanzveranstaltungen in dem Kellerclub ausgetragen. Seitdem gab es immer wieder Schließungen und Betreiber:innenwechsel, bis zuletzt der Wiesbadener mit seinem Team das Ruder in die Hand nahm. Seit November 2024 wird hier nun wieder getanzt. Und das mit durchweg positiver Resonanz, wie Benjamin betont. „Wir wollen hochwertige House- und Techno-Abende anbieten – und als momentan einziger klassischer Nachtclub in der Stadt dabei helfen, die Kultur am Leben zu halten.“

Das neue Konzept sieht vor, lokalen Künstler:innen und renommierten Größen der Szene gleichermaßen eine Plattform zu bieten. Außerdem bemüht man sich darum, ein generationenübergreifendes Publikum anzusprechen: Auftritte von Techno-Urgesteinen, aber auch von Newcomern der Szene sollen sowohl junge als auch ältere Besucher:innen anlocken. Ziel ist es, ein möglichst abwechslungsreiches Programm zu gewährleisten, das alte Zeiten aufleben, aber auch neue anbrechen lässt. Dabei stets im Mittelpunkt: das familiäre Miteinander, wofür das Basement seit eh und je geschätzt werde.

Die auftretenden DJs werden demnach oft durch klassische Agenturen vermittelt, teilweise werden aber auch persönliche Kontakte herangezogen. Benjamin ist laut eigener Aussage seit mehreren Jahrzehnten in der Szene aktiv, greift dadurch auf ein gut ausgebautes Netzwerk zurück und beobachtet auch die aktuellen Entwicklungen im lokalen Szenegeschehen. So bekommen beispielsweise auch regionale Nachwuchskollektive die Möglichkeit, eigene Partynächte zu veranstalten. Unter einem ,Kollektiv‘ versteht man in diesem Zusammenhang einen losen Verbund von Akteur:innen der Szene, die elektronische Musikveranstaltungen konzipieren und durchführen.

Da man für diese Tätigkeit zumeist auf eine bereits bestehende Infrastruktur angewiesen ist, ergeben sich häufig Zusammenschlüsse zwischen Clubbetreibern und Kollektiven. Die einen verfügen über die nötigen Räumlichkeiten, die anderen über Ideen und Zielgruppen, die dem Aufruf zu Veranstaltungen folgen. So auch im Basement. Nach erfolgreicher Absprache mit dem Club habe man dann weitestgehend freie Hand in der Party-Gestaltung. Viele dieser Gruppierungen aus der jüngeren Generation würden hierbei besonderen Wert auf das Thema „Awareness“ legen, wie Benjamin berichtet. Verstanden wird darunter ein Konzept, das sich darum bemüht, einen diskriminierungsfreien Raum unter den Gästen zu gestalten und Unterstützung anzubieten, falls diese benötigt wird. Dies wird meist mit klar erkennbaren Personen umgesetzt, deren Aufgabe darin besteht, jederzeit ansprechbar zu sein und somit auch präventiv zu wirken. Zwar werden vom Basement selbst keine Awareness-Personen engagiert, allerdings seien alle Mitarbeitenden geschult und bei Vorfällen jedweder Art die richtigen Ansprechpersonen.

Die aktuelle Szenebeschaffenheit sieht Benjamin zunehmend von wirtschaftlichen Interessen geleitet, was sich nicht zuletzt in exorbitanten Gagevorstellungen von DJs äußern würde. „Natürlich müssen alle ihr Geld verdienen, allerdings würde ich mir wünschen, dass alle wieder ein bisschen mehr auf den Boden kommen.“ Gerade in Zeiten des voranschreitenden Clubsterbens komme es darauf an, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen und sich dafür einsetzen, die Kultur zu erhalten. „Es ist wirklich sehr traurig, dass in den letzten Jahren so viele Institutionen kaputt gegangen sind“, beklagt der Leiter. Im Basement blickt man aber positiv in die Zukunft und hofft darauf, die klaffende Lücke in der Wiesbadener Szenelandschaft zu schließen. Vielleicht schaffe man es dadurch auch, andere in ihren Vorhaben zu inspirieren, die lokale Nachtkultur wieder zu bereichern. Wer nun neugierig geworden ist und die Auferstehung der einst für tot erklärten Szene in Wiesbaden mit eigenen Augen und Ohren erleben möchte, kann dies jeden Freitag und Samstag tun. Einige Highlights im Programm der kommenden Monate: Karotte, Teenage Mutants, DJ Dreckisch und Überkikz. In diesem Sinne: Support your local club culture!

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