Ich seh‘ den Sternenhimmel

Sonne, Mond und Sterne, Planeten und ferne Galaxien – die Teleskope der Wiesbadener Franz Kaiser Sternwarte bringen uns die unendlichen Weiten des Weltraums näher.
Von Daniela Klotz
Auf dem Dach der kleinen Wiesbadener Sternwarte stehen große Linsenfernrohre. Durch diese beiden leistungsstarken Refraktoren können Besucher den Nachthimmel beobachten. Milchstraße, Mond und die jahreszeitlichen Sternbilder wirken einem so deutlich näher. Auch die Planeten unseres Sonnensystems lassen sich so gut erkennen. Astronomen merken sich deren Reihenfolge mit einem einprägsamen Satz: Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel. Die Anfangsbuchstaben der Worte ergeben: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. „Pluto ist ja kein Planet mehr,“ ergänzt Steffi Bobrowski, die als Mitglied der Astronomischen Gesellschaft Urania e. V. Wiesbaden gerade „Dienst“ in der Franz Kaiser Sternwarte auf dem Dach der Martin-Niemöller-Schule in Wiesbaden hat. Immer montags und am zweiten Freitag eines Monats können Sterngucker und Mondsüchtige ab 20 Uhr durch die beiden leistungsstarken Refraktoren den Nachthimmel beobachten.
Bobrowski und ihre ehrenamtlichen Kollegen ermöglichen den Besuchern der Sternwarte auch tagsüber den Blick in die kosmischen Weiten. An jedem letzten Sonntag im Monat werden ab 14 Uhr die Fernrohre mit speziellen Filtern versehen und auf die Sonne ausgerichtet. Die Filter sind enorm wichtig, weil so ein großes Linsenfernrohr 1.600-mal mehr Licht sammelt als das Auge und die Optik wie auch das Auge vor der Strahlung geschützt werden müssen. „Und auf gar keinen Fall die Sonne nur mit einer Sonnenbrille anschauen“, warnt Alfred Schott, ebenfalls ehrenamtlicher Sternwart. Für Ereignisse, die mehr Publikum als gewöhnlich anziehen, halten die Mitglieder der Urania spezielle Brillen bereit, denn bei einer partiellen Sonnenfinsternis wie am 29. März können ja nicht alle gleichzeitig durch die Teleskope schauen.
Verhindern dicke Wolken den Blick in den Himmel, halten die Hobbyastronomen kurzerhand spannende Vorträge. Steffi Bobrowski erklärt dann, dass die Sonne ein Stern ist, weil sie groß und schwer genug für eine eigene, durch Rotation und Druck erzeugte Kernfusion ist. Wird in ihrem Inneren Wasserstoff zu Helium fusioniert, entsteht die Strahlung, die das Leben auf der Erde ermöglicht. „100.000 Jahre braucht ein Energieteilchen, bis es an der Oberfläche der Sonne ankommt, und von dort 8 Minuten, bis es auf die Erde erreicht“, sagt Bobrowski. Sie weiß auch, warum man alle elf Jahre etwas ganz Besonderes passiert. Da steht die Sonne nämlich im Maximum ihres Zyklus’ und das Plasma, das sie ins All schleudert, staucht das Erdmagnetfeld stärker als sonst und ionisiert die Luftmoleküle. Das Ergebnis: Polarlichter, die man in unserer Region sehen kann.
Auch Dr. Peter Sattelberger hat himmlische Geschichten parat. Sie erzählt gerne von der Venus, die mal als Morgen- und mal als Abendstern erscheint, und mit fast 500 Grad Oberflächentemperatur der heißeste der Planeten in unserem Sonnensystem ist. Oder vom Saturn mit seinen Ringen, dem Jupiter mit seinen vielen unterschiedlichen Monden, vom Sternbild Orion, an dem Astronomen sich „oriontieren“, oder vom Sirius, der so hell ist, weil er sozusagen ein kosmischer Nachbar unserer Erde ist. Während Sattelberger redet, erscheinen all die genannten Planeten und Sterne auf einer Leinwand hinter ihm. Die Planetariumssoftware Stellarium, eine Freeware, macht’s möglich. Zudem gibt es im Vortragsraum noch eine große drehbare Sternkarte, die Kepler-Scheibe. Auf der kann ein Astronom Datum und Uhrzeit einstellen und sieht dadurch, wann welches Sternbild sich wo befindet. „Sternbilder“, betont Sattelberger, denn die Sternzeichen sind aufgrund der Himmelsmechanik nicht mehr mit ihren Sternbildern in Deckung zu bringen. Und wissenschaftlich stellt er fest: „Wir befassen uns mit Astronomie, nicht mit Astrologie.“
Planeten halten sich eben nicht an unsere Kalender. Sie haben ganz verschiedene Umlaufzeiten und sind daher nicht immer zur selben Jahreszeit am selben Fleck. Ein paar „fixe Termine“ gibt es trotzdem. So kann man im Winter von der Sternwarte aus die Wintersternbilder betrachten. Im August kann man Sternschnuppen beobachten, Teilchen, die der Meteorstrom der Perseiden zur Erde schickt, und die in der Erdatmosphäre verglühen. Im Herbst muss man in einer klaren Nacht nur ins Wispertal fahren, um die Milchstraße zu sehen. Manchmal fällt ein Stern auch vom Himmel, korrekt ausgedrückt, ein Stück von einem Asteroiden. Das landet dann als Meteorit auf der Erde. Einige Exemplare dieser kosmischen Überraschungsgäste sind bei der Urania im Vortragsraum ausgestellt. Darunter das Stück Moldavitglas, das entstand, als ein etwa 1,5 Kilometer großer Meteorit vor 15 Millionen Jahren das Nördlinger Ries formte, einen der größten Krater der Erde. Die kosmischen Kräfte sind gewaltig.