Viele Augenblicke: Zeitschenker*innen
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Manche junge Menschen müssen vor der Zeit sterben. Für die ehrenamtlichen Zeitschenker*innen des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes der Mainzer Hospizgesellschaft Christopherus e.v. ist das Umgehen mit dieser Situation Auftrag und Alltag.
von Michael Süss
Für Susanne Brähler, Mitte vierzig und Flugbegleiterin im Hauptberuf, ist die Konfrontation mit dem Sterben ein Teil des Lebens. „Ich habe meine Oma gepflegt, sie starb kurz vor ihrem 103. Geburtstag.“ Susannes Familie führt einen landwirtschaftlichen Betrieb in Sachsen und für sie war es etwas Herzliches, Dankbares aber nichts Schmerzhaftes, sich von ihrer Oma auf diesem Wege zu verabschieden. Ihre Mutter entlastete sie zudem sehr mit ihrer Hilfe. Nach dem Tod der Großmutter wurden die unverbrauchten Hygieneartikel aus der Pflegezeit an ein Hospiz gespendet. So kam Brähler mit dieser Art der Begleitung beim Sterben in Kontakt. Ihr Interesse war geweckt. Zurück in Mainz erzählte ihr eine Freundin eher beiläufig vom „Qualifikationskurs im Hospiz“. Das war im Sommer 2023, nun, seit Februar 2024, ist Susanne Zeitschenkerin und beschenkt damit eine Person, ein kleines, vierjähriges Mädchen, das sie betreut. Sie ist die Schwester eines zweijährigen Jungens, der an einer früher oder später tödlich verlaufenden Autoimmunkrankheit leidet. Die Lebenszeit, die ihr Bruder noch vor sich hat, ist unklar. Susanne betreut in der Regel einmal wöchentlich die große Schwester, nimmt eine längere Zugfahrt auf sich, holt sie von der Kita ab, geht auf den Spielplatz rutschen, im Sommer ein Eis essen, im Herbst Kastanien und bunte Blätter sammeln. Es sind viele, möglichst unbeschwerte Dinge, einfach und doch so essentiell für eine Kindheit. In dieser Arbeit gilt es auch Eltern, mitunter Alleinerziehende, zu entlasten.
Susanne bastelt sich ihre Dienste in ihren Arbeitsplan ein, sie verschenkt ihre freie Zeit, was Sie und rund 20 andere Begleiter:innen zu den sogenannten Zeitschenker*innen macht. Das ist nicht für ein paar Monate, es ist kein Projekt, ihr Job geht im besten Fall viele, viele Jahre. In der Hospizarbeit sind junge sterbende Menschen eine Ausnahme, trotzdem gehört es zum Leben, zur Gesellschaft. Damit in diesem Bereich überhaupt gearbeitet werden darf, setzt das Hospiz einen viermonatigen Qualifikationskurs voraus. Einmal wöchentlich müssen drei bis vier Stunden investiert werden. Unvorbereitet oder unausgebildet diese Tätigkeit in Angriff zu nehmen, würde der Sache nicht helfen.
Nach Absolvierung des Qualifikationskurses ist man frei, sich für die Arbeit mit jüngeren in der ambulanten Kinder- und Jugendhospiz oder mit älteren Menschen zu entscheiden.
Susanne hat sich für das Begleiten junger Menschen entschieden und das Geschwisterkind zugewiesen bekommen. Was aber ist, wenn der Bruder leidet, ins Krankenhaus muss, die Eltern erschöpft oder verzweifelt sind? All das sind ebenso begleitende Umstände. Für Susanne ein Teil der Normalität: „Für mich ist das immer ein Hier und Jetzt. Wir machen, wozu wir Lust haben, mit voller Begeisterung. Aber natürlich schaue ich immer wie es meinem Gegenüber geht. Empathie ist hier das wichtigste.“ Aber was ist, wenn das alles doch zu sehr belastet? Für die Mitarbeiter:innen des Hospiz‘ sind sechsmal jährlich, also einmal alle zwei Monate, Supervisionen Pflicht. Und es gibt die vielen Kolleginnen und Kollegen, mit denen man beispielsweise in den Räumen des Mainzer Hospiz’ auf dem Campus Gonsenheim sprechen kann. Susannes Sicht wirkt sehr entspannt: „Ehrenamt ist geben und nehmen auf beiden Seiten. Für mich ist das ein Nach-mir-schauen, es ist Seelenarbeit.“
Wie viele Einrichtungen sucht das Hospiz Mainz noch ehrenamtliche Helfer:innen. Katrin Thiery aus der Geschäftsstelle der Mainzer Hospizgesellschaft betont: „Auch wenn jemand noch nicht sicher ist, ob die Arbeit im Kinder- und Jugendhospiz das passende für einen ist, wir freuen uns über jeden Anruf und sprechen persönlich ab, wie man in eine Mitarbeit starten könnte.“ Sollte also das Begleiten von Kindern und Jugendlichen in der Familie nicht das Richtige sein, dann ist es vielleicht die Hilfe bei der Organisation von Veranstaltungen oder im Bereich Social Media.
Neben der Kinder- und Jugendhospiz gibt es zudem den Ambulanten Hospiz- und Palliativdienst bei dem es um Unterstützung für Erwachsene und alte Menschen geht. Im stationären Christopherus-Hospiz, mit acht Betten in Mainz-Drais, kann man sich außerdem einbringen.
WTF
Interesse an einem Ehrenamt als Kinder- und Jugendhospizbegleiter:in bei Mobile?
Der nächste Kurs startet am Dienstag, 11. März 2025 und läuft bis 8. Juli. Er findet jeweils dienstagsabends von 18:00 bis 21:00 Uhr statt. Er umfasst 16 Kursabende und drei Samstage. Aktuell sind noch freie Plätze verfügbar.
Anmeldung unter: kinderhospiz@mainzer-hospiz.de
Telefon: 06131-235531
Zusätzliche Informationen und Anmeldeunterlagen
Mainzer Hospiz