Die Ethik kommt mit einkaufen
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Ein Weltladen ist nicht nur ein Laden. Wie der Einsatz für gerechteren Welthandel direkt nebenan beginnt und warum Engagement gern gesehen wird.
von Lisa Brokmeier
Jeder muss einkaufen. Während Überangebote in Supermärkten Stresssymptome auslösen können, gibt es noch eine andere Dimension: Die Ethik muss beim Einkaufen häufig draußen vor den Glastüren warten. Nicht zertifizierte Schokolade beinhaltet mit hoher Wahrscheinlichkeit ausbeuterische Kinderarbeit. Bananen zu Dumpingpreisen bedeuten meist enorm gesundheitsschädliche Pestizide für die Arbeiter. Mit dem liebsten Wachmacherprodukt, Kaffee, machen alle ein Geschäft, außer den Erzeugern. Die Liste der Produkte mit Schattenseiten ist lang.
Seit über 50 Jahren für den Fairen Handel
Das schlechte Gewissen über die bekannten Folgen der im Supermarkt angebotenen Produkte muss ebenfalls draußen warten. Anders ist dies hingegen bei Weltläden. Diese gehen seit 50 Jahren einen anderen Weg. Alle dort zu konsumierenden Produkte kommen ausschließlich aus zertifiziertem Fairem Handel. Sprich: alle dort vertretenen Unternehmen wurden unabhängig auf ihre Sozial- und meist auch Umweltstandards überprüft. Gute 900 dieser Fachgeschäfte des Fairen Handels existieren in Deutschland, rund 60 allein in Rheinland-Pfalz. Häufig in Fußgängerzonen gelegen, laden sie dazu ein, sich ausgiebiger mit einzelnen Produkten zu beschäftigen. Meist kommen die Produkte aus dem Globalen Süden. Und es sind Produkte, bei denen in konventionellen Geschäften und Supermärkten die Ausbeutung von Mensch und Umwelt an der Tagesordnung steht. Kaffee, Schokolade, Kleidung, aber auch Olivenöl und Gewürze.
Weltläden entstanden in den 70ern aus einer Protest- und Solidaritätsbewegung heraus. In sogenannten Hungermärschen kritisierten die Protestierenden die offizielle Entwicklungspolitik und die wachsenden Ungerechtigkeiten im Welthandel. Deutschlandweit fingen Aktionsgruppen daraufhin an, fair gehandelte Produkte zunächst auf Märkten zu verkaufen. Schnell gewann die Bewegung so an Fahrt, dass die ersten Geschäfte eröffnet wurden. Leitend war und ist hier immer noch der Satz des ehemaligen brasilianischen Erzbischofs Camara: „Eure Almosen könnt Ihr behalten, wenn Ihr gerechte Preise zahlt.“ Damit drückt Camara die brisante Forderung nach Entwicklung bei uns im Globalen Norden, statt im Globalen Süden aus.
Begegnung und Engagement
Damals war viel junges Engagement und Enthusiasmus, heute kämpft die Bewegung mit Überalterung und einem verstaubten Image. Damit Weltläden sich tragen und ihre Preise halten können, engagieren sich Mitarbeitende größtenteils ehrenamtlich. Heute zum großen Teil Rentner.
Julian Schröder gehört mit 43 Jahren zu den Jüngeren in der Weltladen-Bewegung. Er arbeitet im Weltladen „Unterwegs“ in Mainz und ist dort auch im Vorstand aktiv. Hierher kam er zunächst als Bildungsreferent für die Themen der Globalen Gerechtigkeit und ist dann als Ehrenamtlicher geblieben. Ihn fasziniert der Weltladen als „Begegnungsort, in dem Menschen zusammenkommen und sich austauschen“. Menschen kommen auch bei den vielen Treffen und Kultur-Angeboten außerhalb des Einkaufs zusammen. Der Weltladen in Mainz bietet, wie viele andere Weltläden auch, ein Potpourri unterschiedlicher Öffentlichkeits- und Bildungsveranstaltungen. Bei Onlinevorträgen zu Landgrabbing, oder Bildungsangeboten, unter anderem in Kooperation mit dem Botanischen Garten, lernen Schüler:innen und Bürger:innen mehr zum Fairen Handel kennen.
Der Weltladen in Bingen schaffte es kürzlich in Kooperation mit der Stadt Bingen zur zehnjährigen Zertifizierung als Fair Trade Stadt. Auch eigene Produkte wie die leckere Stadtschokolade oder in Bingen die Jubiläumsschokolade schaffen es in die Regale und die Einkaufstaschen der Bürger:innen und widersprechen damit dem staubigen Image. Ebenso wie junge Menschen finden sich migrantische Menschen seltener in Weltläden. Ruth Castro kommt aus Mexiko und ist als Ehrenamtliche im Weltladen Bingen eine Ausnahme. Ihr persönlicher Hintergrund ist ein Motivator für ihr Engagement im Weltladen: „Sie unterstützen viele Länder durch fair gehandelte und Bioprodukte“. Außerdem konnte sie über ihr Engagement viele Leute in ihrer neuen Wahlheimat kennenlernen.
Manchmal wird Weltläden vorgeworfen, dass durch „besseren Konsum“ nur der individuelle ökologische Fußabdruck verbessert werde, sich insgesamt aber nichts ändere. Doch, sie verringern nicht nur den „negativen“ Fußabdruck, sondern vergrößern ihren eigenen Handabdruck. Der Handabdruck wurde 2007 von der damals zehnjährigen Srija aus Indien geprägt. Er verdeutlicht im Gegensatz zum ökologischen Fußabdruck nicht den Schaden, den wir an der Welt hinterlassen, sondern zeigt den positiven Impact auf. Wir haben nämlich nicht nur zwei Füße die Welt zu betreten, sondern auch unsere zwei Hände, die Welt aktiv zum Besseren mitzugestalten.
Gestaltende Hände jeden Alters sind im Übrigen in jedem Weltladen willkommen. Die nächstgelegenen Weltläden finden sich in Mainz, Hochheim, Walluf, Nierstein, Gau-Algesheim, Ingelheim und Bingen.