Mit Nacktfotografie zur Selbstfindung
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Die Künstlerin Frieda Caro lichtet sich vor der Kamera nackt ab. Dabei bricht sie mit Tabus und probiert sich immer wieder aus.
von Hendrik Heim
Es ist ein Regentag, Frieda Caros Geburtstag. Sie liegt im Schlamm, in der Nähe fließt der Rhein. Die Kamera, ein paar Meter von ihr weg, beginnt zu arbeiten. Für den Betrachter wird das fertige Bild später eine Wüstenlandschaft darstellen, die Künstlerin mittendrin. „Wenn ich meine Fotos mache, bin ich wie im Tunnel. Ich nutze dann den Moment und ziehe das durch.“
Schon während ihres Studiums beschäftigt sich Frieda Caro viel mit Fotografie. „Irgendwann im Urlaub habe ich dann mal ausprobiert, mich selbst abzulichten. Der Prozess dabei, und auch die Ergebnisse haben mir eigentlich gefallen.“ Als sie die Fotos Freundinnen zeigt, wird sie ermuntert, die Bilder zu veröffentlichen. „Erstmal musste ich von der Einstellung wegkommen, dass es arrogant ist, sich selbst zu fotografieren. Und dann ist es natürlich besonders, das ohne Kleidung zu machen.“ Mittlerweile hat Frieda Caro diese Scheu komplett abgelegt, obwohl man in 98 von 100 Fällen erwischt werde. Aber mit einem freundlichen Auftreten und Erklärungsbereitschaft sind peinliche Situationen schnell aufgelöst, bisher gab es nur positives Feedback.
Doch warum Nacktheit als zentrales Kunstmotiv? Die Botschaft, die Caro leitet, ist, zum eigenen Körper zu stehen. Selbstliebe steht dabei viel mehr im Vordergrund als Sexualität. Bei ihrer Arbeit legt Frieda Caro, die mit bürgerlichem Namen Carolin Auer heißt, all den gesellschaftlichen Ballast mit der Kleidung ab. Ihre Bilder sind eine Einladung, über den Umgang mit dem eigenen Körper nachzudenken. Sich von überholten Normen freizumachen. Ihre letzte Ausstellung in der Wiesbadener Kunstgalerie Schaefer im Frühjahr 2024 hat die 38-jährige unter das Motto „Naked Nature – Natürlich nackt“ gestellt. Dafür wählte sie naturnahe Orte in ihrer Umgebung und im Urlaub aus, und brachte sich so ins Bild, dass sich ihr Körper in die Szenerie einfügte. Der Mensch ordnet sich der Natur unter, nicht umgekehrt, kommt zu seinen Ursprüngen zurück.
Kunst schaffen – vor und hinter der Kamera
Dass ihre Bilder versteckt im Untergeschoss der Galerie Schäfer hängen, unterliegt einer Begründung, wie Caro erklärt: „Es war uns wichtig, dass sich Besuchende der Galerie rein räumlich entscheiden können, ob sie die Fotos sehen wollen.“ Ein perfektes Foto mit einer professionellen Kamera zu machen dauert meist mehr als eine Stunde. Nur am Ort selbst kann Frieda Caro herausfinden, welche Körperhaltung, welche genaue Position zum gewünschten Effekt führen. Und auch das Licht spielt eine große Rolle. „Je nach Ansicht schaffe ich es, meinen Körper muskulöser oder natürlicher aussehen zu lassen.“ Zu Hause am Computer wird das Bild dann mit einem Programm intensiv bearbeitet. Auch das gehört zum Kunstprozess. Frieda Caro benutzt Farbfilter und entfernt störende Gegenstände. Sie gibt dem Bild Ruhe, um den Blick des Betrachters zu fokussieren. In den Wochen vor einer Veröffentlichung fließt bei der Künstlerin alle Energie in das Projekt. Bis tief in die Nacht sitzt Frieda Caro dann vor ihrem Computer und feilt noch an einzelnen Fotoeinstellungen.
Freiheit hat ihren Preis
So frei und ungezwungen, wie Frieda Caro dann auf ihren Bildern aussieht, will sie auch im echten Leben sein. Ihre Kunst ist intrinsische Leidenschaft, es handelt sich nicht um Aufträge mit festen Vorgaben. Damit sich das rechnet, ist für Frieda Caro die Aktfotografie immer nur nebenbei zu ihrer eigentlichen Arbeit als Designerin, Video- und Fotografin möglich. Haupt- oder nebenberuflich Künstler:in zu sein kann schnell zu einer Herausforderung werden, gerade in Wiesbaden. Ausstellungen sind teuer und bringen kaum Geld ein, feste Kulturförderungen sind rar gesäht. „Es gab schon Monate, wo es echt knapp wurde.“
Doch warum das alles? Wonach Frieda Caro strebt ist, sich selbst kennenzulernen. „Es ist wirklich interessant: man wird als der geboren, der man ist. Aber man braucht ein ganzes Leben, um zu erfahren, wer man wirklich ist. Viele Menschen wissen zwar, dass es ihnen schlecht geht. Aber sie können gar nicht richtig ausdrücken, wie sie sich fühlen.“ Mit ihrer Fotografie bleibt sie dabei ihren Lebenszielen treu – sich immer neu auszuprobieren und dabei Grenzen zu überwinden.