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Das Fridays for Future-Vermächtnis

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Illustration: Nikolas Hönig

Am 20. September hat die Klimabewegung wieder zum globalen Klimastreik aufgerufen, aber bewirken diese Aktionen überhaupt etwas? Ein Rückblick auf sechs Jahre Fridays for Future.

von Isabel Page

Im August 2018 streikt Greta Thunberg erstmals für das Klima. Ahnt sie, dass es ihr ein Jahr später Millionen Menschen weltweit gleichtun werden?

Besonders in Deutschland wächst die Fridays for Future (FFF) Welle schnell, im September 2019 nehmen deutschlandweit rund 1,4 Millionen Menschen am Klimastreik teil. Dann kommt die Pandemie, der gigantische Wellenbrecher. Aber sie geben nicht auf, diesen September wird wieder zum globalen Klimastreik aufgerufen. Ein guter Zeitpunkt, um nachzufragen, was das Ganze bringt.

Die eindeutigste Folge des Aktivismus von FFF ist der gesellschaftliche Wahrnehmungswandel. Aus Klimawandel wird menschengemachte Klimakrise. Politbarometerdaten zeigen: zwischen 2000 und 2018 halten vier Prozent der Deutschen Klimaschutz für sehr wichtig, 2019 sind es plötzlich sechzig Prozent.

Selbst die Bundeszentrale für politische Bildung konstatiert, dass die Kombination aus Druck auf der Straße und wissenschaftlichem Diskurs die Bundespolitik nachhaltig beeinflusst. Sei es die Gründung des Klimakabinetts 2019, das erstmals verbindliche CO2-Reduktionsziele festlegt. Oder die Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht, die zu der bislang wichtigsten Gerichtsentscheidung im deutschen Klimaschutz führt. Auch die Grünen werden mehr gewählt nach Klimastreiks. Das Ifo-Institut vermutet eine „umgekehrte intergenerationale Transmission“. Soll heißen: Kinder politisieren sich auf Streiks und erziehen dann in Sachen Klima ihre Eltern.

Diejenigen, die viele der gesteckten Klimaziele praktisch umsetzen müssen, sind allerdings die Kommunen. Die Städte Konstanz und Kiel rufen beispielsweise 2019 nach großen Klimastreiks den Klimanotstand aus. Berlin, Aachen und Münster folgen mit eigenen Klimaschutzplänen. Gerade Münster zeigt allerdings, dass für große Veränderungen oft mehr nötig ist, als Streiks allein. Hier arbeiten Aktivist:innen mit Abgeordneten des Stadtrates zusammen und bringen ihre Positionen regelmäßig in Plenarsitzungen ein. Diese Kommunen besitzen sicherlich vorher schon ein Bewusstsein für Klimaschutz, die notwendige Prise Dringlichkeit allerdings, streut FFF in den politischen Kochtopf.

Der öffentliche Druck, der primär durch die mediale Aufmerksamkeit nach Streiks aufgebaut wird, hat einen überraschenden Nebeneffekt: in Kommunen mit hoher Streikbeteiligung erlebt die AFD 2019 substantielle Stimmverluste. Höchstwahrscheinlich liegt das jedoch nicht an der Bekehrungsmacht des Klima-Evangeliums, die ehemaligen Rechtswähler wandern nur wenige Meter weiter zur CDU.
Das passt mit den aktuellen Wahl- und Umfrageergebnissen der AFD irgendwie nicht zusammen. Politikwissenschaftler Christoph Butterwege stellt fest, dass FFF indirekt zur gesellschaftlichen Polarisierung beigetragen hat, da sie bei bestimmten sozialen Milieus Verlustängste gestärkt haben. Rechtsextreme füttern die Ängste und inszenieren die Klimabewegung als jungen, urbanen, elitären Gegenspieler zur ländlichen, älteren, sogenannten „einfachen“ Bevölkerung.

Diese Entwicklung ist den Aktivist:innen nicht entgangen, sie setzen verstärkt auf Klimagerechtigkeit. Immer wieder wird das von der Ampel eigentlich versprochene Klimageld gefordert und mit der Aktion „Wir fahren zusammen“ wird die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften gesucht.

Noch ist Deutschland weit weg davon die FFF-Forderungen zu erfüllen. Ein Ende fossiler Subventionen ist genau so wenig in Sicht wie hundert Prozent erneuerbare Energieversorgung bis 2035 oder eine CO2-Steuer von 180 Euro pro Tonne. Was sich auf den ersten Blick wie ein schlechtes Zeugnis für die Aktivist:innen liest, erscheint in einem anderen Licht, bedenkt man, dass FFF zum Platz vieler dieser Fächer auf dem politischen Stundenplan erst beigetragen hat.

In dieser krisenmüden Zeit, in der an allen Ecken um unsere Aufmerksamkeit gebuhlt wird, hat niemand mehr Bock auf schlechte Nachrichten. Wie erzählt man aber von einer Katastrophe, ohne negative Vibes zu verbreiten? Eine schier unlösbare Aufgabe. Gibt es in den letzten Jahren positive Nachrichten im Bereich des Klima-Aktivismus, so kommen diese häufig aus den Gerichtssälen dieser Welt. Wie auch die aktuelle Klimaklage von Greenpeace, FFF und Co. zeigt, ist es offenbar die Arena des Rechts, in der am meisten Zukunftspotential für Siege gesehen wird.

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