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Gesellschaft Mainz Stadt

Gespräche vom Nachbartisch

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Als ob man neben dran sitzen würde: Im Podcast „Kaiser Talk“ diskutieren vier Jungs aus Mainz mit wechselnden Gästen über die Themen der Stadt – direkt aus der Kneipe.

von Konstantin Mahlow

Man nehme vier in Mainz bestens vernetzte Freunde, setzt drei davon an den Kneipentisch und einen an die Aufnahmetechnik und lädt noch einen Experten dazu ein – et voilà: ein Podcast ist geboren. Und ausnahmsweise sogar einer, den es sich lohnt zu hören oder noch besser: zu sehen. Statt dicker Schminke und gekünstelter Kulisse gibt es, begleitet von der Kamera, frisches Pils und Apfelwein in altmodischer Einrichtung. In der Gemütlichkeit des Kaiser-Wilhelm-Eck in der Mainzer Neustadt schaffen Philipp, Oliver, Sascha und Yves eine lockere wie authentische Gesprächsatmosphäre, bei der man sich am liebsten dazu setzten und ein Herrengedeck bestellen würde. Im wahren Leben arbeiten die jungen Männer in Frankfurter Agenturen, bei der Deutschen Bahn, als Manager in der Logistikbranche oder als selbständige Videografen. Laut eigener Aussage hatten sie es „satt, immer dieselben hochgestochenen Debatten in überbelichteten Studios zu sehen.“ Mit dem Podcast setzen sie nun schon seit über einem Jahr ihre eigene Vorstellung einer Talkshow um, in der sie sich mit ausgewählten Gästen über deren persönliche Werdegänge sowie Relevantes aus der goldenen Stadt unterhalten.

Entstanden ist die Idee wenig überraschend in den Räumlichkeiten besagter Eckkneipe, in der man an vollen Abenden den Zigarettenrauch mit der Säge durchtrennen kann. Oliver und Yves, die das Kaiser-Wilhelm-Eck schon in Prä-Podcast-Zeiten regelmäßig besuchten, planten zunächst, mit mehreren Gästen über Stadtthemen zu plaudern. Doch nach den ersten Versuchen versandete das Vorhaben – bis mit Philipp und Sascha die fehlenden Puzzleteile gefunden wurden. Die ursprüngliche Intention, in einer vollen Kneipe an einem vollen Tisch ein inhaltlich wertvolles Gespräch aufzunehmen, musste dennoch schnell begraben werden: „Wir wollten es erst im laufenden Betrieb versuchen, aber da gibt es einfach zu viele Störgeräusche. Jetzt treffen wir uns immer dienstags am Ruhetag“, erklärt Sascha. Optimalerweise zweimal, realistisch betrachtet eher einmal im Monat, wird in Kaisers Eck des Kaisers Talk aufgenommen – „ehrenamtlich“, wie die Jungs scherzen. Der Ruhetag schont nebenbei die Lungen der nichtrauchenden Gruppe und ihrer Gäste.

„Mit dem Podcast möchten wir eine Bühne für Engagierte in Mainz schaffen“, erzählt Philipp. „Das betrifft die Ausgehszene, die Kunst und Kulturszene, Musik, Sport und Politik.“ Dabei geht es nicht um gegenseitige Lobhudelei oder Promotion, sondern um echte Gespräche und kritische Auseinandersetzungen. Mit einer Brise Sarkasmus darf zusammen mit dem Gast auch gerne der „Finger in die Wunde gelegt werden“. Die Liste der bisherigen Gesprächspartner:innen liest sich wie ein kleines who-is-who der Stadt: von Bio-Winzerin Eva Vollmer oder Matthias Karl von Rheinhessen-Bräu über DJ Psycho-Jones und Sophie Lorenz von PART bis zur Weltkriegs-Zeugin Rosi – die erwähnte Bandbreite wird offenkundig abgedeckt. Oft fungiert dabei der jeweilige Gast mit seinen persönlichen Erfahrungen als Expert:in für ein größeres Gesellschaftsthema, das im Laufe der Getränke immer weiter aufgerollt wird – oder wie es Sascha erklärt: „Wir sind einfach Bürger der Stadt, die über Themen der Stadt reden, so wie wir es auch im Privaten tun. Nur dass wir zu wenig Ahnung haben und deshalb noch einen Gast einladen.“

Und das machen die vier genauso, wie sie es für richtig halten: „Hinter dem Podcast steckt kein Netzwerk, kein Sponsor, wir sind für niemanden die Bittsteller“, betont Yves. Während die anderen drei moderieren und mit dem Gast reden, kümmert er sich um die Aufnahme und ist nur ab und an aus dem off wahrzunehmen. Aufgefrischt wird das Ganze mit unterhaltsamen Elementen wie einem Stadt-Quiz oder musikalischen Einspielern aus „Des Kaisers Plattenladen“. Auf die Frage, ob man den Podcast denn nun lieber wie üblich auf Spotify hören soll oder besser auf Youtube visuell aufnimmt, gibt es von Philipp eine klare Antwort: „Unbedingt anschauen! Es war ja eine ursprüngliche Idee von uns, dass man sich den Podcast vielleicht auch beim Vorglühen vor dem Weggehen ansieht und dadurch schon ein bisschen die Gespräche in der Kneipe vorbereitet.“ Wer sich also immer gefragt hat, warum die Leute am Nachbartisch die besseren Infos über die interessanteren Themen haben, sollte unbedingt den Blick und ein Ohr auf den Kaiser Talk werfen.

Nachholen kannst du alle Kaiser Talk-Folgen auf Spotify und (wie empfohlen) auf Youtube. Folge 22 mit dem Rapper Leftie Bluntz ist am 23. Juni erschienen.

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