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Kultur Stadt Wiesbaden

Erinnerungskultur aufrechterhalten

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Autorin mit Buch

Stephanie Zibells ist freie Historikerin und Autorin. Ihr neuer Roman „Eine Villa in Wiesbaden“ soll neugierig auf Zeitgeschichte in Wiesbaden machen.

von Inken Paletta

„Mein Vater wurde 1930 geboren“, erzählt Zibell, die im oberhessischen Lich das Licht der Welt erblickte und in Wiesbaden aufwuchs. „Er erzählte mir viel von seiner Kindheit im Dritten Reich und ich wollte wissen, wie die Menschen damals gelebt haben und warum dieses Regime so mächtig werden konnte.“ Auch deshalb hat sie sich nach dem Abitur für ein Studium der Publizistik, Germanistik und Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Zeitgeschichte entschieden. „Mainz habe ich als Studienort gewählt, weil damals Professor Hans Buchheim, der Gutachter der Auschwitz-Prozesse, dort lehrte, bei dem ich später auch promovierte.“ Ihrer Magisterarbeit schrieb Zibell zum Thema: „Die Frühzeit der NSDAP in Wiesbaden“. „In meiner Dissertation habe ich mich mit Jakob Sprenger, dem Gauleiter und Reichstatthalter von Hessen im Dritten Reich beschäftigt, einem äußerst üblen Zeitgenossen“, erzählt sie. Von 1990 bis 1995 arbeitete sie mit am Projekt „Widerstand und Verfolgung im Dritten Reich in Hessen“ des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden und nach dem Studium war sie lange Zeit Privatdozentin für Politik und Zeitgeschichte an der Universität Mainz. Auch führte sie bereits für das Stadtarchiv Gruppen durch die Gedenkstätte unter den Eichen. „Was viele nicht wissen: Dort befand sich im Dritten Reich eine Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald.“ Mit ihrer Arbeit möchte sie Menschen über dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte aufklären. „Gerade angesichts des Erstarkens rechter Parteien und Gruppierungen wird es immer wichtiger, Erinnerungskultur zu betreiben, damit so etwas Grausames nie wieder passiert“, so Zibell.

Biografien bedeutender, historischer Persönlichkeiten

Zibell arbeitet auch viel biografisch. „Für mich ist es immer spannend zu erfahren, welche Werte und Weltbilder die Menschen früher hatten“, sagt Zibell. Auch die historische Entwicklung des Demokratieprozesses ist für sie als Historikerin und Politikwissenschaftlerin interessant. „Für meine Habilitation habe ich mich deshalb mit Ludwig Bersträsser beschäftigt. Er war von 1946 bis 1949 Abgeordneter im Hessischen Landtag und als Mitglied des Parlamentarischen Rates auch an der Ausarbeitung des Grundgesetzes beteiligt. Er hat sich sehr für die Rechte der Frauen eingesetzt.“ Bei ihren Recherchen über das Dritte Reich sei ihr aufgefallen, dass es vor allem um Männer gegangen sei. „Nachdem ich das Buch ‚Die Frauen der Nazis‘ gelesen hatte und weil ich mich neben Regional- und Landesgeschichte auch sehr für das Frauenbild in der Welt und im Wandel der Zeit interessiere, wollte ich mich dann grundsätzlich auf bedeutende Frauen und ihre Leistungen konzentrieren.“ So entstand die Idee zu dem Buch „Hessinnen – 50 Lebenswege“. Ihr zweites Buch „Um das Feuer in euch zu entfachen“ beschäftigt sich mit Reden international, bedeutender Frauen vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart, wie der Physikerin Marie Curie, aber auch mit weniger bekannten Frauen wie Mary Muthoni Nyanjiru, einer politischen Aktivistin aus Ostafrika.

Neugierig auf Zeit und Regionalgeschichte machen

Ihr neuestes Buch „Eine Villa in Wiesbaden“ ist eine Mischung aus Geschichte und Fiktion und erzählt die Geschichte des Jugendstilkünstlers Hans Christiansen und seiner jüdischen Frau Claire, die im Buch den erfundenen Nachnamen Harmsen tragen, sowie die Lebensgeschichten von weiteren Menschen, die sich vom Kaiserreich bis in die Nachkriegszeit in der Villa in der Wilhelmsstraße 17 zugetragen oder ereignet haben könnten. In Zusammenarbeit mit dem Aktiven Museum Spiegelgasse gab es bereits eine Ausstellung über das Ehepaar Christiansen. „Für mich war die belletristische Form eine gute Möglichkeit, Zeit-, Regional- und Stadtgeschichte zu vermitteln und dabei auch Menschen zu erreichen, die kein historisches Sachbuch lesen würden“, sagt Zibell. Leider würden historische Themen auf regionaler Ebene viel zu wenig erforscht, zum Beispiel auch die deutsch-französischen Beziehungen in Wiesbaden und Umgebung nach dem Ersten Weltkrieg. Umso interessanter seien daher die Recherchen für die Initiative „Freistaat Flaschenhals“ gewesen. Der Freistaat Flaschenhals war ein schmales Gebiet zwischen dem Rhein und dem damals unbesetzten Teil der preußischen Provinz Hessen-Nassau, das nach dem Ersten Weltkrieg lange Zeit politisch und wirtschaftlich isoliert war. Ihr Interesse an den Mythen und Sagen des Rheins sowie des Mittelrheintals hat Zibell neben historischen Recherchen in dem Kriminalroman „Schatz der Nibelungen – Ein Krimi zwischen Rheingau und Mittelrheintal“ verarbeitet, zu dem es jedes Jahr auch ein Krimidinner in Kooperation mit dem Weingut Herke & Sohn in Oestrich-Winkel gibt.

WTF
Stephanie Zibell
stephanie-zibell.de

Lesungen:
Donnerstag 06. Juni 19:30 Uhr, Aktives Museum Spiegelgasse
Freitag 21. Juni, 15:00 Uhr, Literaturfestival im Burggarten der Burg Sonnenberg
Samstag, 07. & 14. Dezember, 18:00 Uhr, Krimidinner im Weingut Ferdinand Herke & Sohn

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