Hüter der Stadtgeschichte
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Täglich hinterlassen wir Spuren. Ob es eine Person ist, oder eine ganze Gruppe von Menschen: Formulare werden ausgefüllt, Plakate gestaltet und Fotos geschossen. Aber was passiert mit diesen Dokumentationen des Lebens, wenn alles gesagt und getan ist?
von Nathalie Klump
Das Stadtarchiv Wiesbaden hat die Aufgabe, diese Dokumente zu katalogisieren und aufzubewahren, um sie der Öffentlichkeit und zukünftigen Generationen zur Verfügung zu stellen.
„An erster Stelle sind wir für die Stadtverwaltung zuständig. Vom Oberbürgermeister bis zu den Kolleg:innen, die für die Straßenreinigung zuständig sind. Von den Kolleg:innen, die Kultur machen bis zu den Kolleg:innen, die die Hundesteuer erheben“, erklärt der Leiter des Stadtarchivs, Dr. Peter Quadflieg. „Wir versuchen eigentlich immer, die Lebensrealität in der Stadt abzubilden.“ Dazu sei es auch wichtig, nicht nur die offiziellen Unterlagen der Stadt zu übernehmen. „Wir versuchen immer, private Bestände zu erlangen. Das heißt von Privatpersonen, von Vereinen und Initiativen.“ Als Beispiel nennt Quadflieg den Konflikt rund um die Straßenbahn, der vor einiger Zeit in Wiesbaden Thema war. „Da ist es wichtig, dass wir nicht nur die Unterlagen vom Stadtplanungsamt übernehmen, sondern dass wir auch die Bürgerinitiativen angesprochen haben, die für und gegen diese Bahn waren.“ Er sieht es außerdem als die Aufgabe des Stadtarchivs an, Subkulturen zu repräsentieren. Dabei sei es heute nicht mehr so, dass man einfach einen bestimmten Verein nach Dokumenten fragen könnte, wenn es um Gruppen wie die Letzte Generation geht, schildert Quadflieg. „Das war ein relevantes Thema, das im Stadtarchiv abgebildet werden sollte. Aber es ist nicht so, dass es hier ein Haus gäbe, an dem wir klingeln und nach Dokumenten fragen könnten.“ Zudem benötige es viel Vertrauensarbeit bis gewisse Gruppen Dokumente an das Stadtarchiv übergeben wollen, vor allem bei sensiblen Themen, die mit einem Misstrauen gegenüber dem Staat verbunden sind.
Welche Unterlagen am Ende katalogisiert und aufbewahrt werden, entscheiden die Archivare. Die ausgewählten Dokumente werden manuell katalogisiert, indem sie in die Datenbank eingetragen und mit einer Signatur versehen werden. Die Archivalien bleiben ab dem Zeitpunkt im Stadtarchiv. „Wir haben den Auftrag, jedes Dokument für alle Ewigkeit aufzubewahren“, erklärt Quadflieg.
Ein Problem stellt die Vergänglichkeit der Archivalien dar, denn viele bestehen aus Papier. Das Stadtarchiv ergreift deshalb bestimmte Maßnahmen, um den Verfall zu verlangsamen. So werden ausschließlich säurefreie Mappen zum Lagern verwendet und die Archivalien werden in Kisten aufbewahrt, sodass sie vor Licht und Luftfeuchtigkeit geschützt sind. Neue Dokumente werden außerdem zuerst in einem Quarantäneraum aufbewahrt, um sicherzustellen, dass sie keine papierfressenden Schädlinge mit sich bringen. Um die Dokumente dann für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, müssen strenge Vorgaben zum Schutz der Daten von Personen befolgt werden. „Alles, was passiert, schlägt sich auch irgendwo in Akten nieder“, erklärt Quadflieg. Deshalb gibt es neben gesetzlichen Vorschriften einen ethischen Kodex, den „International Council of Archives“, an den sich Archivare halten müssen. So wird die Balance zwischen der Wissenschaftsfreiheit und der Privatsphäre gesichert.
Seit einigen Jahren arbeitet das Stadtarchiv zudem daran, ausgewählte Unterlagen zu digitalisieren. Mit 5,5 Kilometern an Akten ist das keine leichte Aufgabe. „Die Digitalisierung ermöglicht es uns, die Quellen einfacher zugänglich zu machen. Dabei ist das Digitalisieren der Dokumente aber sehr aufwendig und benötigt viel Speicherplatz, was mit hohen Kosten verbunden ist“, so Quadflieg. Zumal man hierfür keinen gewöhnlichen Scanner verwenden kann. Um die Archivbestände einzuscannen, werden sie entweder zu externen Dienstleistern gebracht, die das übernehmen, oder mit dem Großscanner des Stadtarchivs eingescannt. Welche Unterlagen gescannt werden, wird anhand dessen entschieden, wie besonders und wichtig diese seien. So sind zum Beispiel alle Magistratsprotokolle der Stadt Wiesbaden digitalisiert. Dokumente, die nur in elektronischer Form existieren, werden als solche vom Stadtarchiv übernommen. Teilweise gäbe es ganze Abteilungen der Stadtverwaltung, die fast ausschließlich elektronische Akten produzieren. Doch auch digitale Dateien altern.
„Die Herausforderung bei der Digitalisierung ist gar nicht so sehr, alte Papierakten zu scannen, um sie digital vorliegen zu haben, sondern Dokumente, die nur digital vorliegen, genauso für alle Ewigkeit speichern zu können. Beim Lagern von Papier haben wir Jahrhunderte an Erfahrung. Bei elektronischen Daten sind wir jedoch noch relativ am Anfang“, erklärt Quadflieg. So können Dateien altern und irgendwann beschädigt oder nicht mehr lesbar sein. Deshalb versuche das Stadtarchiv, bei der Übernahme von Dateien diese in einem Dateiformat zu übernehmen, das verhältnismäßig langlebig ist. Wenn ein Format veraltet, wird die Datei rechtzeitig in ein aktuelleres Format umgewandelt. Ob eingescannt oder nicht, alle Archivalien werden in die öffentlich zugängliche Datenbank eingetragen. Interessenten haben die Möglichkeit, in der Suchmaschine „Faust“ nach bestimmten Akten, Urkunden und anderen historischen Beständen zu suchen und diese Vorort im Lesesaal mit einer Onlineanmeldung zu begutachten. „Wir bewahren die Dinge auf, damit sie benutzt werden“, bestärkt Quadflieg. Neben der Option zur eigenständigen Recherche bietet das Stadtarchiv Workshops und Führungen an, die Interessenten die Möglichkeit geben, mehr über das Stadtarchiv und über die dort enthaltenen Archivalien zu erfahren.
Foto: Stadtarchiv Wiesbaden
WTF
wiesbaden.de/kultur/archive/stadtarchiv/
0611 31-3022
stadtarchiv@wiesbaden.de
Tag der offenen Archive
1. März, 18.30 bis 20 Uhr, Stadtarchiv Mainz, Rheinallee 3b
Infos: mainz.de
3. März, 10 – 16 Uhr, Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Mosbacher Straße 55
Infos: wiesbaden.de