Stoff aus dem Netz
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Während der Konsum von Medien heutzutage unvermeidbar ist und fast alle Jugendlichen am Computer zocken, muss man sich irgendwann fragen: „Bin ich süchtig nach Computerspielen, pornografischen Inhalten oder Social Media?“ Doch ab wann ist es eine Sucht, und wo findet man Hilfe?
von Nathalie Klump
Dr. Kai Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitätsmedizin Mainz im Bereich der Forschung und Diagnostik, setzt sich damit auseinander, was Internetsüchte sind und wie man Betroffenen aus diesen heraushelfen kann. Im Rahmen der „Ambulanz für Spielsucht, Klinik und Poliklinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie“ werden hier Internetsüchte erforscht und Betroffene behandelt. Müller schildert den Ablauf einer solchen Behandlung: „Zunächst gibt es ein Erstgespräch. Darauf folgt die Diagnostik, wobei der Schweregrad und die Art der Sucht ermittelt werden. Die betroffene Person wird zudem auf Begleiterkrankungen wie Depressionen und Angststörungen untersucht.“ Darauf folgen wöchentliche Termine zur ambulanten Behandlung von Betroffenen.
„Die Betroffenen suchen sich meist Hilfe, weil sie ihr altes Leben jenseits des Bildschirms vermissen und erkennen, dass ihr echtes Leben den Bach runtergeht“, so Müller. Dabei seien sie oft hin- und hergerissen, ob sie professionelle Hilfe benötigen: Sie versuchen in der Regel erst alleine auf das Suchtmittel zu verzichten, bis das „craving“, der Drang, der Sucht nachzugehen, laut Müller zu überwältigend wird. Doch wer davon betroffen ist, merke dies meist viel zu spät. Zudem sind es „oft die Menschen, die schüchtern sind, unter Depressionen oder Angststörungen leiden, oder sehr zurückgezogen leben, die am Ende in eine Internetsucht verfallen.“
Die Computerspielsucht ist „die Nummer 1 der Internetsüchte“, so Müller. Laut einer DAK-Studie fallen 15,4 Prozent der Minderjährigen in Deutschland unter die Kategorie der Risiko-Gamer. 3,3 Prozent erfüllen die Kriterien einer Computerspielsucht. Dabei gibt es ein großes Missverständnis, wenn es um das Gaming geht: „Die Gamingsucht verhält sich nicht wie eine Substanzsucht. Nur, weil man das Medium jeden Tag nutzt, oder jeden Tag mehrere Stunden spielt, heißt es nicht, dass man süchtig ist. Die Auswirkung des Spielens auf das Leben ist ein weitaus relevanterer Indikator.“ Die Gaming-Community ist Müllers Erfahrung nach jedoch schnell „angepisst“, wenn man das Thema anspricht: „Sie fühlen sich schnell unter einen Generalverdacht gestellt.“
An zweiter Stelle der Internetsüchte steht die Onlinesexsucht, auch „Pornosucht“ genannt. Die Pornosucht beginnt laut Müller oft damit, dass Kinder und Jugendliche zu früh mit pornografischen Inhalten in Kontakt kommen, beispielsweise, indem sie ausversehen im Internet auf solche Videos stoßen oder sie von Freunden gezeigt bekommen. Während diese Sucht Leben und Beziehungen von Menschen zerstören kann, stehen Betroffene hier vor einer ganz neuen Hürde: „Bei der Pornosucht gibt es vergleichsweise sehr große Hemmungen, darüber zu sprechen und sich Hilfe zu suchen, da es ein sehr schambesetztes Thema ist. Hier sind online basierte Selbsthilfegruppen ganz gut geeignet als erste Anlaufstelle“, sagt Müller.
Als drittes erläutert Müller die einzige Sucht, von der mehr Frauen als Männer betroffen sind: Die Sucht nach Social Media. Sie ist gleichzeitig die unscheinbarste Sucht, da der Rückzugsfaktor nicht so groß sei. „Wenn jemand im Gespräch auf das Handy schaut, weil er eine Nachricht bekommen hat, wirkt das meist nur irritierend, aber erregt keine Besorgnis“, so Müller.
Dabei sind die Auswirkungen aller Internetsüchte auf das Leben sehr real. Symptome wie der Verlust an Konzentrationsfähigkeit sowie sinkendes Interesse an der Teilhabe am Alltag und das Vernachlässigen von Schule, Studium oder Arbeit können ernsthafte Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen haben.
Als neues Phänomen, das erst in den letzten zehn Jahren aufgekommen ist, gibt es dafür aber noch keine flächendeckende Prävention. Müller erklärt, dass er bis jetzt die Suchtprävention und die Aufklärung über Internetsüchte in Schulen nur vereinzelt mitbekommen hat. Die öffentliche Wahrnehmung einer Sucht ist die Grundvoraussetzung der Prävention. Internetsüchte werden gesellschaftlich noch nicht so stark zur Kenntnis genommen. Wichtig sei jedoch, so Müller, dass Suchtpräventionsmaßnahmen gut durchdacht werden: Denn wenn das nicht der Fall ist „bewirken sie dann im besten Fall gar nichts und geraten in Vergessenheit. Im schlimmsten Fall werden sie ins Lächerliche gezogen und nicht ernst genommen.“
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