Smart Phones, dumb People?
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Dass das Smartphone allein durch seine Anwesenheit Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung beeinträchtigt, ist mittlerweile bekannt. Der sogenannte „Brain Drain Effekt“ kann aber auch dadurch ausgelöst werden, dass der geliebte Gegenstand nicht da ist.
von Hannah Maertin
Brain Drain Exists
Der Aufmerksamkeits-mindernde Effekt von Smartphones ist seit einer Studie im Jahr 2017 als „Brain Drain“ bekannt. Vielleicht kennt ihr es: Man möchte konzentriert arbeiten, produktiv sein, in einen Flow kommen, doch der Geist schweift ständig ab. Denn allein die Anwesenheit des Handys lockt mit Zerstreuung und schnellem Dopamin. So steigt immer wieder der Drang auf, das Handy in die Hand zu nehmen und sich berieseln zu lassen. Da dieser perfide Ablenkungseffekt nicht in allen Studien bestätigt werden konnte, hat die Uni Augsburg kürzlich eine Meta-Studie durchgeführt und sich gefragt: „Does the Brain Drain Effect Really Exist?“ Die Antwort lautet: Ja, aber mit kulturellen Unterschieden. Bei dem Vergleich von insgesamt 22 internationalen Studien konnte zum Beispiel festgestellt werden, dass die negativen Auswirkungen des Smartphones in Asien stärker ausgeprägt sind als in Nordamerika und Europa. Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Digitalisierung in China schon weitaus fortgeschrittener ist als in anderen Ländern. Viele Chines:innen nutzen ihr Smartphone zur Organisation ihres gesamten Alltags. Das mag übersichtlicher und bequemer sein als die deutsche Bürokratie, bringt aber auch den Nachteil mit sich, dass ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht. Das wiederum kann dazu führen, dass sich Menschen bei der Abwesenheit ihres Handys noch gestresster fühlen als bei dessen Anwesenheit, so das Augsburger Forschungsteam.
Wir werden immer dümmer
Das YouTube-Format „ARTE Tracks“ hat sich mit den nachweislich schlechter werdenden kognitiven Leistungen der Menschheit beschäftigt. Dabei stand unter anderem die Frage im Mittelpunkt, ob dies die Schuld der intensiven Technologienutzung ist. Navigationsgeräte zum Beispiel erleichtern die Fortbewegung und ersparen uns das Kartenlesen, verhindern dadurch aber auch, dass wir unser Orientierungsvermögen trainieren. Der Vorteil, den wir durch die technologische Unterstützung bekommen, geht also mit dem Nachteil einher, dass unsere eigenen Fähigkeiten degenerieren. Das gilt insbesondere für die heutige Smartphone-Nutzung. Indem wir uns ständig mit Social Media und Co. ablenken, haben wir nämlich die für das Leben grundlegende Fähigkeit verlernt, uns längerfristig auf eine einzige Tätigkeit zu fokussieren. Ständig schweift die Aufmerksamkeit ab, wir brauchen mehr Zeit für unsere Aufgaben, finden weniger alternative Lösungen und machen mehr Fehler. Warum? Durch den Drill auf permanente Ablenkung haben wir die Rechenleistung unseres Gehirns vermindert.
Lernen und das Gegenteil davon
Grundsätzlich ist dieser Effekt darauf zurückzuführen, dass sich das Gehirn gemäß seiner Nutzung verändert. Lernen wir etwas dazu, werden neue Verbindungen hergestellt und gefestigt, lagern wir eine kognitive Leistung aus, werden Verbindungen gelockert. Viele kennen es aus der Schulzeit, wenn man die hart erarbeiteten Rechen- Skills dadurch einbüßt, dass man irgendwann auf den Taschenrechner umsteigt. Das Gleiche ist mit unserer Konzentrationsfähigkeit passiert, als wir uns an die schnelllebigen Inhalte von TikTok, Instagram und Facebook gewöhnt haben. Eine Voicemail von zwei Minuten? Nur auszuhalten, wenn wir sie nebenbei laufen lassen. Einen längeren Text lesen? Nicht möglich, solange das Handy in Reichweite ist. Diese Schnelllebigkeit und Ungeduld haben unsere Welt bereits maßgeblich verändert. Songs, Videos und Texte sind kürzer geworden, geschriebene Sätze einfacher und sogar unser Vokabular hat abgenommen.
Neuroplastizität
Die Neuroplastizität – also die Fähigkeit unseres Gehirns, sich strukturell zu verändern, – spielt bei dem von ARTE untersuchten IQ-Abwärtstrend eine entscheidende Rolle: Wie ein Muskel, der immer schwächer wird, je weniger er aktiviert wird, baut auch das Gehirn ab, wenn man es nicht nutzt.
Dabei ist die Neuroplastizität eigentlich etwas ganz Wunderbares. Sie ist der Schlüssel dazu, dass wir etwas Neues lernen können, dass wir Fähigkeiten ausbilden und unsere kognitive Leistung verbessern können. Durch intensive Technologienutzung wird das Gehirn von äußerer Hilfe abhängig und verlangt dementsprechend auch danach. Genauso kann man es aber auch wieder auf den selbstständigen Modus trainiert werden.
Illustration: Nikolas Hönig