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Mainz

Zirkus ohne Zelt

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Nach drei Jahren lädt der Zirkusverein Flip Mainz e.V. endlich wieder zu einem Varieté ein – indoor, wohlgemerkt. STUZ hat sich mit Fabian Püschel, Amelie Deschler und Matthias Wiebel über neue Ideen aus Pandemie-Zeiten und der alten Suche nach einem Szene-Treffpunkt unterhalten.

von Konstantin Mahlow

Fragt man Kulturschaffende, was sie sich für die Post-Corona-Zeit so alles vorgenommen haben, bekommt man meist eine lange Liste möglicher und unmöglicher Projekte. Manchmal ist es aber genau andersherum: „Wir haben in den letzten Jahren so viel Neues gemacht, das müssen wir erst mal alles aufnehmen. Und uns dann wieder koordinieren“, erzählt mir Jongleur und langjähriges Vereinsmitglied Matthias Wiebel am Telefon. Er sitzt zusammen mit Amelie Deschler aus dem Vorstand und dem für die Pressearbeit verantwortlichen Fabian Püschel in der Sporthalle des Frauenlob-Gymnasiums. Hier bietet der Verein jeden ersten Sonntag im Monat ein freies Training an. „Wir haben wirklich viel Glück gehabt, in gleich zwei städtischen Sporthallen einen Platz zu bekommen“, sagt Deschler. An der Freisprechanlage herrscht gute Laune, aus dem Hintergrund ist das Quietschen des Hallenbodens zu vernehmen. Zusätzlich zu den Treffen im Frauenlob-Gymnasium gibt es noch zwei weitere wöchentliche Trainingseinheiten in der Goetheschule – alle sind kostenfrei. Eingeladen ist „jeder, der gerne spielt und etwas Neues ausprobieren möchte.“

2017 hat sich der gemeinnützige Verein für Zirkus, Bewegungs- und darstellende Künste Flip Mainz e. V. aus einer fleißig jonglierenden und spielenden, aber noch kaum vernetzten Interessengemeinschaft an der Uni gebildet. Seitdem fungiert er als der Szene-Treffpunkt der Stadt und als eine wichtige Anlaufstelle für das gesamte Rhein-Main-Gebiet. Im Vordergrund steht der Wunsch, zirkusbegeisterten Menschen eine Plattform bieten und gemeinsam Projekte realisieren zu können. Abseits der zahlreichen Veranstaltungen nehmen aktuell die Trainingstage in den Schulhallen diese Rolle ein, gelegentlich folgt ein anschließender Umtrunk. „Für Leute, die neu in die Stadt ziehen und sich in diesem Bereich ausprobieren wollen, sind wir die erste Anlaufstelle“, erzählt Wiebel. Und ergänzt: „Man muss nichts können, nur können wollen“. Menschen mit unterschiedlichen Interessen an der Zirkuskultur kämen hier zusammen, teils mit sportlichen, teils künstlerischen Motivationen. In regelmäßigen Abständen finden Weiterbildungen und Zirkuskurse statt, außerdem gibt ein wöchentliches Zirkustraining für Kinder und Ferienangebote.

Nun also steht das 4.Varieté vor der Tür – nach drei Jahren Zwangspause, die eigentlich keine waren. Denn während die Hallen für eine Veranstaltung wie das kommende Varieté am 4. November im Mombacher Sportzentrum geschlossen waren, zog der Zirkus einfach ins Freie um. Sowohl das „flip mobil“ als auch der „flip mob“, der an verschiedenen Orten der Stadt gleichzeitig stattfindende Aktionen inszenierte, machten die hiesige Zirkuskultur in der Pandemie sichtbar. Ganz zu schweigen vom Frischluft-Varieté in der Alten Ziegelei, das das eigentliche Varieté in einem kleineren Rahmen drei Jahre in Folge glänzend ersetzte. Und dabei seine eigenen Vorzüge hatte: „Solche Räume wie die Alte Ziegelei sind ungeheuer wichtig, um Künstler und Künstlerinnen die Möglichkeit zu geben, sich vor einem kleineren Publikum auszuprobieren. Die Hürde ist einfacher vor fünfzig Leuten zu nehmen als vor ein paar Hundert“, so Deschler. Die Pandemie sei zwar lange vorbei, nicht aber die Lust auf mehr Frischluft. Die Vorfreude auf die manchmal etwas stickige Sporthalle ist dennoch riesengroß: „Das ist einfach eine coole Möglichkeit, zu informieren und zu zeigen, was Zirkus, Artistik und Akrobatik alles können. Und natürlich auch, was die Rhein-Main-Szene so zu bieten hat“, erzählt Wiebel.

Neben dem künstlerischen Programm ist auch schon immer Pädagogik, genauer: Zirkuspädagogik, eine wichtige Säule des Vereins. Fünf eigene Pädagogen sind Teil des Vereins, dazu kommt ein befreundetes Netzwerk, das in den Kursen und Trainings für Erwachsene und Kinder ebenfalls aktiv ist. Der Verein ist in der Summe breiter aufgestellt als jemals zuvor und doch ist da immer noch diese eine Sehnsucht: „Wir haben zwar Glück mit den Sporthallen, aber uns steht nach wie vor kein fester Ort zur Verfügung. Das ist natürlich das große Ziel. Unsere Ideen brauchen immer Orte, die wir erst finden müssen“, so Deschler. Da ist es sicher kein Nachteil, dass die neue Kulturbäckerei zu den Unterstützern des Vereins zählt. Ob es im zukünftigen Kulturzentrum an der Rheinallee einen Platz für Flip geben wird, ist allerdings noch offen. Bis dahin bleiben wohl die quietschenden Hallenböden der Neustadt-Schulen die Heimat der Mainzer Zirkusszene.


WTF
4. Varieté: 4. November im Sportzentrum Mombach (Turnerstr. 31 – 55120 Mainz) mit anschließendem get-together.
Eintritt frei, Spenden werden nicht abgelehnt.
Sonntag 5. November, ab 14 Uhr freies Training in der Sporthalle des Frauenlob-Gymnasiums
Infos: flip-mainz.de

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