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Umwelt

Das Ende der Idylle

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Reichtum und Naturschutz – irgendwie passt das nicht zusammen. Wie die letzten Naturräume im Inselrhein durch teure Yachten gefährdet werden.

von Konstantin Mahlow

Auf den ersten Blick wirkt es wie die perfekte Naturidylle: Der sandige Seitenarm bremst den Strom des Rheins und lässt in seinem gemütlich fließenden Gewässern Wasserpflanzen aller Art gedeihen. An den kleinen Stränden der unbegradigten Inselufern stehen Graureiher, während dunkle Milane über die uralten, riesigen Pappeln kreisen. Doch der Beweis, dass man weit weg von jeder Unberührtheit und stattdessen immer noch tief im hoch-technologisierten Rhein-Main-Gebiet steckt, lässt nicht lange auf sich warten. Wie weiße Farbflecken tauchen plötzlich dutzende Yachten auf und verschandeln das Bild, das die Natur einem eigentlich gemalt hat. Symbole der Dekadenz und Ignoranz, die für Benzin, Karriere und Geld stehen – also viel von dem, was das Rhein-Main-Gebiet ausmacht. Ignorant deswegen, weil ihre Besitzer auch an diesem heißen Sonntag beschlossen haben, inmitten eines Naturschutzgebietes zu parken.

Es ist ein bisschen wie vor der Küste Ibizas: Seit Jahren beschweren sich Umweltschützer auf der Urlaubsinsel über den internationalen Geldadel, der seine Boote in die wenigen Naturparks fährt und deren Anker die letzten Seegraswiesen zerfurchen. Und weil es der lokale Geldadel unter dem Hashtag #urlaubzuhause aus irgendwelchen Gründen gerade nicht nach Ibiza schafft, sucht er eben die wenigen noch vorhanden Naturabschnitte auf, die der Oberrhein zwischen Oppenheim und Bingen zu bieten hat. Auf Instagram wird der Welt gezeigt, dass man auch bei uns ein „good life“ haben kann: Zu lauter Musik springen braungebrannte Körper in den geschützten Altrhein, der eigentlich für Eisvogel und Co reserviert ist. Besonders Vögel reagieren auf diese dreiste Ruhestörung, in dem sie vermehrt fern bleiben oder ihre Nester aufgeben. Ein Riesenspaß für neureiche Wannabe-Influencer, aber eine Katastrophe für die Umwelt.

Naturschützer haben das längst registriert. Klickt man sich durch die NABU-App „Inselrhein“, fällt auf, wie häufig das „unerlaubte Befahren der Stillwasserbereiche“ sowie „intensive Freizeit-Aktivitäten in der Umgebung von Rastund Brutplätzen“ als Gefahr für die heimische Tierwelt genannt werden. Wetterbedingt sind es vor allem die im Sommer brütenden Arten wie Graugänse, Schwarzmilane und Zwergtaucher, denen das gute Leben durch die aus allen Teilen der Region anreisenden Bootsgäste immer schwieriger gemacht wird. Die putzigen Flussregenpfeifer leiden unter dem Anlanden mit Booten am Ufer und dem Betreten der Kiesbänke, wobei die am Boden liegenden Eier schnell zertreten werden können. Das verstehen die Besucher vermutlich nicht, weil ja gerade das Erkunden der unbewohnten und ohne Boot oft gar nicht zu erreichenden Auen doch so aufregend ist. Wenn dann die sommerliche Abendsonne tief steht und die Natur wieder das perfekte Gemälde liefert, sind die Sorgen der Flussregenpfeifer in der Regel ganz weit weg.

Absurderweise sind es noch nicht mal das unerlaubte Befahren und Ankern, das der Natur so große Probleme bereitet, sondern das erlaubte. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (SGD Süd) verweist mit nicht nachzuvollziehender Großzügigkeit die befahrbaren Wasserflächen aus. Und die gehen teilweiße mitten durch die geschützten Auen, nur wenige Meter vorbei an dem grünen, dreieckigen Schild mit dem Greifvogel drauf. Und auch nur einen Steinwurf entfernt von einer ganzen Auflistung an Tätigkeiten, die man hier aus Naturschutzgründen zu unterlassen hat – wohlgemerkt an Land. Auf dem Wasser ist man dagegen mit einer perfiden Freiheit gesegnet, die für die meisten, die sie in Anspruch nehmen, nicht dort endet, wo sie die Freiheit anderer Lebewesen einschränkt. Immerhin sind die Stillwasserzonen im Winter tabu, wenn zahllose Wasservögel in den Auen rasten. Aber wer will dann auch schon mit der teuren neuen Yacht raus? Es kann sich nur bessern, wenn großräumige Flächen das ganze Jahr über für alles, was einen Motor hat, gesperrt werden. Die Natur, die es noch gibt, ist nicht für unsere Erholung da, sondern einzig und allein für den Schutz von Landschaft, Flora und Fauna. Auf ein Umdenken oder Rücksichtnahme seitens der Yachtbesitzer kann man vermutlich lange warten. Im „Europe Marine“ in Budenheim kosten die Boote im Schnitt zwischen 60.000 und 250.000 Euro. Da bleiben vielleicht noch ein paar Groschen übrig, um für den Regenwald in Südamerika zu spenden. Vor der eigenen Tür hat das „good life“ aber bitte schön Vorrang.

Foto: Regine Ulrich

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