Barbenheimer – Das Internetphänomen
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„Und, hast du beide gesehen?“ – eine der wohl am häufigsten gestellten Fragen des Sommers. Damit gemeint sind natürlich die Kassenmagnete „Barbie“ und „Oppenheimer“. Mitverantwortlich für den Riesenerfolg ist wie so oft das Internet.
von Nils Lacker
Wisst ihr noch, 18. Juli 2008? An den Kinos gab es zwei Schlangen: Die eine Reihe wurde Zeugin des neuen Kinozeitalters der Superhelden, die andere wollte sich auf eine fiktive griechische Insel träumen, auf der die damalige Gallionsfigur der hollywoodschen DILF-Brigade mit Amanda Seyfried schwedische Disko-Pop- Evergreens schmetterte. Ihr erinnert euch nicht? Wahrscheinlich wart ihr zu jung und habt außerdem nicht in den USA gelebt.
The Dark Mamma walked so Barbenheimer could run“, twitterte ein User 15 Jahre später, nachdem die beiden Filme in den Kinos angelaufen waren. Der Tweet bezieht sich auf die Filme „The Dark Knight“ und „Mamma Mia!“ sowie das Internet-Phänomen „Barbenheimer“, – eine Wortmelange aus den Filmtiteln „Barbie“ und „Oppenheimer“. Letztere werden seit dem 21. Juli 2023 in US-amerikanischen Kinos gezeigt und sind wie „The Dark Kight“ und „Mamma Mia!“ stark konträr in ihrer Machart. Nolan führte, wie auch bei „The Dark Knight“, Regie am Set von Oppenheimer und brachte mit seiner Crew ein düsteres Biopic über den „Vater der Atombombe“ auf die Leinwand. Ein zerknitterter Cillian Murphy spielt die Hauptrolle, den Physiker Robert Oppenheimer. Film-Fun-Fact am Rande: Murphy hatte ebenfalls in Nolans Batman-Verfilmung von 2008 mitgewirkt. Er spielte Scarecrow, einen von Batmans Widersachern. Die Regisseurin von Barbie heißt Greta Gerwig und erlangte große Bekanntheit durch Filme wie „Lady Bird“ oder „Little Women“. Gerwigs „Barbie“ ist im Gegensatz zu „Oppenheimer“ ein unterhaltsamer pinker Fiebertraum mit guten Gags, einer feministischen Botschaft, Margot Robbie als Barbie und Ryan Gosling als Just Ken.
Dass die beiden Filme sich das Release-Datum teilten, war kein Zufall. Dahinter steckt die Strategie des Counterprogrammings. Der Begriff bedeutet so viel wie: Man datiert die Premiere zweier inhaltlich und ästhetisch völlig unterschiedlicher Filme auf den gleichen Tag, um einer jeweils anderen, vermeintlich kleineren demographischen Gruppe eine Alternative zum Hauptfilm zu bieten. „Barbie“ wurde hierbei als großes, triviales Familienevent und Anlass für einen quirligen Mädelsabend interpretiert, Oppenheimer als reichhaltiger Nährstoff für sich selbstüberschätzende Film-Bros.
Social-Media-User:innen machten sich einen Spaß aus dem ästhetischen Kontrast der Filme, kombinierten das Artwork in Postern, T-Shirts oder eigenhändig geschnittenen Trailern und so ward das Internetphänomen „Barbenheimer“ geboren. Neben den Auswüchsen von Elons Mid- Life-Crisis hat „Barbenheimer“ in den Wochen und Monaten vor der Premiere vor allem Twitter dominiert.
Die erste vermerkte Nutzung dieses Kofferworts auf Twitter geht auf @NextBestPicture zurück. Der Account postete am 15. April 2022 einen Retweet mit dem einfachen Titel „Barbenheimer“. Der Tweet bezog sich lediglich – eher zusammenhanglos – auf einen anderen Tweet, der darüber informierte, dass mehrere Schauspieler:innen in rasantem Tempo entweder für Barbie oder Oppenheimer gecastet wurden. Am 26. April 2022 löste der Account @filmupdates die erste Welle von Barbie-vs.-Oppenheimer- Memes aus. In den Antworten tweeteten zwei User „Barbenheimer“. Der erste bekannte Beitrag, in dem „Barbenheimer“ verwendet wurde und gleichzeitig viral ging, wurde am 1. Januar 2023 von @davidehrlich gepostet. Darin stand: „7 months and 21 days until Barbenheimer“. Als die Premiere immer näher rückte, verbreiteten sich die Memes wie ein Lauffeuer. Für Warner Bros. und Universal war die ganze Geschichte eine erfolgreiche, inoffizielle und kostenlose Marketingkampagne. Die Filme sollen nach Schätzungen ihrer Studios weltweit zusammen bereits knapp zwei Milliarden Dollar in die Kinokassen gespült haben. Barbie hatte bereits nach zwei Wochen die Milliarden-Marke geknackt. Mit rund 651 Millionen Dollar ist „Oppenheimer“ laut Universal der kommerziell erfolgreichste Film, der während des Zweiten Weltkrieges spielt.
So: In 15 Jahren werdet ihr euch auf den Start des nächsten (vermeintlichen) Counterprogramming- Events freuen, eure VR-Brille, auf die ihr alle Filme dieser Welt geladen habt, aufsetzen, euch von eurem Hausroboter eine digitale Fritz- Kola servieren lassen, euch an den 21. Juli 2023 zurückerinnern und sagen: „Ja, ich es weiß es noch.“