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Was kreucht und fleucht im STUZ-Gebiet? Wilde Tiere vor der Haustür, Teil 33: Der Eisvogel

von Konstantin Mahlow

Er gilt als der eine der schönsten heimischen Vogelarten, auch wenn viele ihn abseits des Fernsehers kaum einmal sehen werden: Der Eisvogel ist eher aus der Licher-Werbung als aus dem Inselrhein bekannt, und doch ist der „fliegende Edelstein“ seit einigen Jahren wieder im STUZ-Gebiet präsent. Und das stellenweise deutlich näher an der Mainzer Innenstadt, als man dem fleischgewordenen Symbol für Naturromantik zutrauen würde. Selbst im geschäftigen Zollhafen wurden bereits Eisvögel gesichtet. Sie werden von einem Überangebot an Nahrung in die Zivilisation gelockt – nur an geeigneten Nistplätzen mangelt es noch.
Seit 1991 springt der Eisvogel (Alcedo atthis) in seinem unverwechselbaren Federkleid für die Biermarke Licher in glasklare Quellbäche inmitten unberührter Natur – ein Bild, dass sich vielen in ihrer Vorstellung über den kleinen Fischjäger eingebrannt hat. Ein ähnliches Szenario ist in unmittelbarer Nähe höchstens im Rheingau vorstellbar. Die grauen Kaimauern in den Hafenbecken versprühen dagegen einen eher urbanen Flair, der mit dem Ideal von unberührter Natur wie aus der Werbung nicht wirklich übereinstimmen mag. Doch hier gibt es Jungfische ohne Ende, vor allem jetzt im Frühsommer. In den flachen Becken ist für den geschickten Eisvogel das Jagen ein Kinderspiel. Die Ausflüge in die Stadt bleiben aber trotzdem wohl die Ausnahme. Häufiger ist er in dem ruhigeren Rheinabschnitt zwischen dem Kasteler Ufer und der Petersaue zu sehen, in dem es an menschlichen Nachbarn ebenso wenig mangelt.

Jäger mit Regenjacke
Der Wunsch nach einsamen Naturbächen ist für den Eisvogel genauso wie für viele Städter ein ferner, und so nimmt man, was man kriegt. Im Inselrhein findet er allerdings noch genug geeignete Jagdreviere, die im Idealfall sogar einen bequemen Ansitz in Gestalt eines herausragenden Asts bereitstellen. Von dort aus liebt er es, im blitzschnellen Stoßtauchen seine ahnungslose Beute zu überraschen. Es vergehen nur zwei bis drei Sekunden, bis der Eisvogel vom Absprung wieder zurück auf seinem Ast gelandet ist. Sein Gefieder ist dabei von einer Ölschicht bedeckt, die wie eine Regenjacke wirkt, sprich: Der Vogel bleibt während des gesamten Prozedere komplett trocken. Das ist besonders im Winter eine extrem wichtige Eigenschaft, da die Tiere ansonsten bei der Jagd im kalten Wasser erfrieren würden. Gefressen werden die Fische immer mit dem Kopf voran, um sich nicht an den abstehenden Schuppen zu verletzen.

Unbequeme Nachbarschaft
Deutlich anspruchsvoller als bei der Wahl der Fischgründe ist der Eisvogel, wenn es um einen passenden Platz zum Brüten geht. Als Höhlenbrüter bevorzugt er sandige und lehmige Steilwände oder Böschungen in Ufernähe, in denen er mit seinem Schnabel eine bis zu einem Meter lange Höhle anfertigt. Ein Paar wechselt sich bei dem Bau ab. Während einer buddelt, hält der andere Wache. Nach der Fertigstellung markieren die Elternvögel ihr Werk feierlich mit ein paar Kotspritzern und beginnen mit der Brut. Klar, dass man bei so komplexen Abläufen im Familienleben lieber nicht von Menschen gestört werden möchte und sich zurückzieht. Man spritzt nun mal keinen Kot umher, wo man Fische jagt, und umgekehrt. Leider lassen sich solche geeigneten Plätze nur sehr schwer finden. Die Ufer sind meist verbaut und zum Graben ungeeignet.
Mehr Erfolg könnten sie noch in den Altrheinen mit ihren natürlichen Ufern haben. Doch hier stört seit einigen Jahren ein dekadenter Trend mögliche Brutgeschäfte gewaltig: Die unverständlicherweise legale Freizeitnutzung der Stillwasserzonen in den Auen machen alle Brutund Jagdambitionen zur Herausforderung. Hunderte, mitten in den Naturschutzgebieten des Inselrheins geparkte Jachten mit lauter Musik vertreiben die Eisvögel oder verhindern zumindest eine potenzielle Ausbreitung. Hier müsste längst von offizieller Stelle eingegriffen werden, um das Comeback der bunten Vögel nicht noch platzen zu lassen. Und das wäre mehr als schade: Wer einmal einen Eisvogel gesehen hat, wird den Anblick so schnell nicht vergessen. Und daran ist nicht nur die Erinnerung an Licher Schuld.

Foto: Frank-2.0 via Wikicommons

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