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Umwelt

Essigbaum: Das purpurrote Leuchtfeuer

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In Deutschland gilt der Essigbaum bisher als noch nicht etablierter Neophyt, doch immer häufiger begegnet man der aus Amerika stammenden, auffällig gefärbten indigenen Schönheit hierzulande statt in Parkanlagen draußen in freier Wildbahn.

von Katja Birkenfeld

Der Essigbaum fällt auf. Gesehen hat ihn sicherlich jeder von uns schon einmal. Denn er besitzt eine eigenwillige, ungewöhnliche Form von Schönheit, die zu erfassen einen Moment der Betrachtung erfordert. Der Essigbaum ist auch unter dem fremdartig klingenden Namen „Hirschkolbensumach“ bekannt. Zum einen ist dies wahrscheinlich dem mehrstämmigen Wuchs des schirmförmigen Strauches zu verdanken, zum anderen aber erinnern auch die samtig rosa behaarten jungen Astaustriebe bei näherer Betrachtung an das Kolbengeweih eines Hirsches. Während der Essigbaum im Frühjahr von Mai bis Juni dezent weiß bis hellgrün blüht, präsentiert er in den Sommermonaten Juni und Juli mit seinen endständigen aufrechtstehenden Fruchtkolben ein weiteres auffälliges Highlight in dunkelrot. Bis zu 1500 einzelne kleine wollig behaarte Steinfrüchte schmiegen sich in jeder der auffällig gefärbten, wuschelig flauschigen Rispen aneinander. Keine davon ist mehr als fünf Millimeter breit und doch trägt eine jede ihren gesamten genetischen Bauplan in einem Samenkorn bei sich.

Vitamine für Vögel
Mit der purpurroten Farbgebung der buschigen Fruchtstände will der Essigbaum Tiere, hauptsächlich Vögel, auf sein vitaminreiches Angebot aufmerksam machen, die sich an den Früchten laben können. Die Offerte des Gewächses geschieht nicht ganz ohne Eigennutz, erschafft aber eine Win-Win-Situation zwischen Flora und Fauna. Werden die Samen von Tieren verdaut, verbessert dies nämlich ihre Keimfähigkeit. Im Herbst, wenn sich sein Laubkleid in den Signalfarben Rot und Orange verfärbt, ist der Essigbaum ein besonders wirksamer Blickfang. Die sommerliche Bienenweide wird buchstäblich zur Augenweide. Diese Eigenschaft verhalf dem Essigbaum in den 60ern zu einigem Ruhm auch über See, außerhalb seines Heimatkontinents Amerika, wo er innerhalb Frankreichs, Englands, der Niederlande und Deutschlands zu einem gefragten Zierbaum avancierte und sich unter dem Handelsnamen „Indian Summer“ insbesondere im Städtebau etablieren konnte. Da seine Blätter Gerbstoffe enthalten, wurden diese früher auch für die Lederproduktion kultiviert. Häufiger in Nordamerika, vereinzelt aber auch in Deutschland, stand der Sumach in Plantagen in Kultur, um die in ihm enthaltenen Gerbstoffe zu gewinnen. Und als das robuste Gehölz, das auch Frost übersteht, sich als ungewöhnlich tolerant gegenüber Smog und Luftverschmutzung erwies, verschiffte man den Essigbaum als urbanes Grünelement in so gut wie alle Städte und Metropolen Europas. Außerdem platzierte man ihn häufig an trockenen, felsigen Hängen, wo sein Wurzelwerk Bodenerosion entgegenwirkte oder machte sich die Besonderheit seines flachen, aber ausgedehnten Wurzelsystems bei der Stabilisierung von Sanddünen zu Nutze. Das Wurzelrhizom des Essigbaumes ist flach, dehnt sich dafür aber um die Mutterpflanze herum viele Meter weit aus. Ihm entspringen sehr widerstandsfähige Schösslinge, wodurch unerwünschte Dominanzbestände entstehen, die heimische, lichtliebende Arten der Krautschicht unterdrücken und nur schwerlich wieder loszuwerden sind.

Rückschnitt ist Rückschritt
Auf Rückschnitt reagiert das Solitärgehölz mit zahlreichen Stockausschlägen in einem Radius von bis zu zehn Metern um die Mutterpflanze herum und bildet so nur noch schneller ein quasi undurchdringliches Dickicht. Auch das Durchtrennen der Wurzelausläufer erweist sich als kontraproduktiv, da sich hierbei Wurzelbrut bildet. Die Fähigkeit des Essigbaumes, sich vegetativ, das heißt aus Pflanzenteilen statt generativ aus dem Samen, zu vermehren, ist generell beeindruckend bis beängstigend; jedes noch so kleine Stück Holz oder Wurzel kann sich zu einer neuen Mutterpflanze auswachsen. Der rasch wuchernde Strauch benötigt zwar viel Licht, ist aber anspruchslos gegenüber dem Boden und verbreitet sich sogar dort beinah unaufhaltsam weiter, wo anderen Baumarten der Boden zu nährstoffarm ist. Angesichts der Dynamik des Städtebaus in und nach den 1960er Jahren und dem daraus resultierenden Transport von Erdmaterial wurden unweigerlich unzählige Pflanzenteile in umliegende Gebiete verbreitet, was dem Essigbaum zu einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Wildbeständen im europäischen Raum verhalf. Diese verdrängen andere Pflanzen durch Ausschattung. In der Schweiz ist die Art bereits invasiv und inzwischen verboten worden. Auch in Deutschland musste vereinzelt schon in Naturschutzgebieten gegen den Hirschkolbensumach vorgegangen werden. Das Bundeskleingartengesetz verbietet Essigbäume in Schrebergärten.

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