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Umwelt

„Das muss die Lösung sein“

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Viele Kinder zählen Baumjahrringe, ohne zu wissen, dass sich dahinter eine Wissenschaft verbirgt. Dendrochronologe Jan Esper informiert uns im STUZ-Interview über die Relevanz dieses Faches in Bezug auf den Klimawandel.

von Hannah Büttgen und Eva Schott

STUZ: Herr Esper, was ist Dendrochronologie?
Esper: Dendrochronologie bedeutet Baumringchronologie. Da geht es darum, Bäume auszuwerten, um daraus vor allem klimatische Rückschlüsse zu ziehen. Das ist dann interessant, wenn die Bäume älter sind oder man Klima über Zeiten rekonstruiert, die über den instrumentellen Zeitraum hinausgehen. Instrumente gibt es seit knapp 150 Jahren und mit Bäumen können wir bis 10.000 Jahre zurückgehen. Das nennt sich Klima-Rekonstruktion. Das ist interessant, weil wir befürchten, dass sich das Klima in Zukunft sehr stark verändern wird. In der Dendrochronologie kann man alles versuchen zu konstruieren, was den Baum beeinflusst hat. Ich interessiere mich halt fürs Klima.

Was kann man alles an einem Baumring erkennen?
Das Einfachste ist die Jahrringbreite. Die ist nicht an allen Baumarten gleich gut zu erkennen. Am Anfang sind die Jahrringe breiter und dann werden sie schmaler, weil die Biomasse auf einen immer größeren Kreis angelegt wird. Allein deshalb muss die Jahrringbreite abnehmen. Wir machen sehr viel Statistik und das muss man rausrechnen. Ansonsten macht der Baum einen etwas breiteren Jahrring, wenn es wärmer ist und einen etwas schmaleren Jahrring, wenn es kälter ist. Das andere, was man messen kann, ist die Jahrringdichte. Das ist etwas, worauf wir uns hier in Mainz spezialisiert haben.

Wie können Sie mit dem Material, das Sie über die Vergangenheit haben, in die Zukunft schauen?
Das kann ich nicht, das machen die Klima-Modellierer. Die versuchen, das Klima zu projizieren für die Zukunft. Es gibt verschiedene Einflüsse auf das Klima, wie zum Beispiel den steigenden CO2-Gehalt oder Vulkanausbrüche, aber es gibt jede Menge Wechselwirkungen im System. Deswegen ist es schwer zu sagen, wieviel Grad Celsius es wärmer wird. Es ist wichtig zu sehen, was die natürliche Klimavariabilität war.

Was entgegnen sie Klimaleugnern, die diese Klimavariabilität als Argument nutzen?
Klimaleugner gibt es schon seit langem und sie leugnen auf unterschiedlichen Ebenen. Sie sagen beispielsweise, das Klima erwärmt sich, aber es ist nicht das CO2, nicht menschengemachte Treibhausgase oder dass es gar keine Erwärmung gibt und die Instrumente falsch sind. Es gibt alle möglichen Formen von Leugnen und deshalb gibt es nicht eine pauschale Antwort, wie man dem begegnen kann. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man Klimaleugnern unglaublich schwer mit Argumenten beikommen kann, sondern eher mit Daten. Und wir sehen im Moment einen massiven Temperaturanstieg, sodass die Daten so schlimm sind, dass es deutlich weniger Leugner gibt.

Was kann gegen den Klimawandel getan werden?
Wir setzen auf die richtige Karte, regenerative Energien. Das muss die Lösung sein. Ich bin dafür, dass wir wieder sequestrieren, also dass wir versuchen, das CO2 zu binden und es zu deponieren. Aber das braucht Energie, und diese Energie muss irgendwo herkommen.

An was forschen sie zurzeit?
Gerade untersuche ich das Divergenzproblem. Wir sehen an den Baumjahrringen, dass die Temperaturen seit den 1960er Jahren ansteigen und die Baumjahrringbreiten und -dichten nicht mehr so stark ansteigen, sodass es da eine Divergenz gibt. Wenn das so in der Jetztzeit ist, dann ist das natürlich ein Problem für die Klimarekonstruktion. Beispielsweise wäre es möglich, dass es im Mittelalter oder zur Römerzeit wärmer war, die Baumjahrringe uns aber relativ kühle Temperaturen anzeigen. Es gab nie eine richtig große Untersuchung zu dem Divergenzproblem. Daran arbeiten wir jetzt. Dafür gehen wir an 100 Waldgrenzstandorte auf der Nordhemisphäre, also an die nordische obere Waldgrenze in Hochgebirgen und beproben Bäume, monitoren Wachstum und messen Klimadaten. Ein warmes oder kaltes Jahr diktiert das Wachstum an der Waldgrenze. Ob es da mal ein bisschen feuchter oder trockener war, ist nicht so wichtig. Das heißt, da wird das Jahreswachstum hauptsächlich durch den Einflussfaktor Temperatur geprägt. Die Hoffnung ist, dass wir nach sechs Jahren mit unseren empirischen neuen Daten das Divergenzproblem erklären können und auch Handreichungen geben können, wie dann die Klimarekonstruktionen besser werden können.

Also kann es sein, dass gerade Sachen falsch rekonstruiert werden?
Ja. Da muss man ein informierter Klimaskeptiker sein, aber das ist eins der Argumente: Es war vielleicht schon mal wärmer, als wir dachten. Unter anderem, weil die Dendrochronologen das Divergenzproblem haben und möglicherweise Warmzeiten nicht ganz so gut nachzeichnen können.


WTF
Jan Esper ist Professor für Geografie mit Schwerpunkt Klima-Geografie. Seit 2010 arbeitet und forscht er an der JGU in Mainz an seinem Fachgebiet der Dendrochronologie, wofür er in diesem Jahr zum neuen Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaft Leopoldina gewählt wurde.

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