Inszenierungen voller Magie und Illusionen
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Das Velvets Theater in Wiesbaden ist eines der wenigen „Schwarzen Theater“ der Welt. Einst in Prag gegründet, verzaubert es seit 1996 das Publikum in Wiesbaden und Umgebung.
von Inken Paletta
„Unsere Theatergattung nennt sich ‚Schwarzes Theater‘“, erzählt die ausgebildete Musicaldarstellerin Barbara Naughton, die die Leitung des Wiesbadener Velvets Theaters 2013 von ihren Eltern übernahm. Die Spielstätte hat nicht nur ein 20-köpfiges, internationales Ensemble, sondern auch eine bewegende Geschichte. „Die Wurzeln unserer Spielstätte liegen im heutigen Tschechien. Meine Eltern, Bedrich Hányš und Dana Bufková, sind ausgebildete Figurentheaterschauspieler und stammen von dort. Sie gehörten zunächst dem Schwarzen Theater in Prag an, waren eine Zeit lang Teil des berühmten Prager Theaters „Laterna Magika“ und haben dann 1967 in Prag ihr eigenes Theaterensemble „Velvets“ (engl. für die Samtenen) gegründet.
Spielstätte in Wiesbaden
Damals war Tschechien (Tschechoslowakische Sozialistische Republik, CSSR) noch Teil der sowjetischen Einflusszone. „Als 1968 Truppen von fünf Warschauer Pakt-Staaten in die damalige CSSR einfielen, um dort eine moskautreue Regierung zu installieren, haben meine Eltern mit ihrem Ensemble Prag verlassen.“ Zunächst tourten sie ohne feste Spielstätte durch Europa. 1970 wurden sie in Wiesbaden ansässig. Es folgten Aufträge für das ZDF und die ARD, beispielsweise Drehbücher, Trickfilm-Animationen und Regie-Aufträge für Sendungen wie die Sesamstraße, Rappelkiste (Knetmännchen) oder die Sendung mit der Maus. Später wurden die „Velvets“ zu einer eigenen Theatersparte an der städtischen Bühne in Mainz. Zu dieser Zeit entstanden für das schwarze Theater adaptierte Inszenierungen wie „Der Kleine Prinz“ (1978). 1984 gründeten die „Velvets“ in Wiesbaden eine freie Theatergruppe. „Parallel gaben sie längerfristige Gastspiele am Theater in Bad Godesberg. Aus dieser Zeit stammen Inszenierungen wie „Die Zauberflöte“ (1988) und „Hoffmanns Erzählungen“ (1992). 1996 wurde schließlich die eigene Spielstätte in der hessischen Landeshauptstadt eröffnet. Seitdem ist die Begeisterung für das „Schwarze Theater“ stetig gewachsen und damit auch das Publikum des „Velvets Theaters“. „Die Gäste kommen aus ganz Deutschland, um unsere Vorstellungen zu sehen.“ Für ihre märchenhaft inszenierten Stücke erhielt das „Velvets Theater“ 2010 den Kulturpreis der Stadt Wiesbaden. 2017 folgte die Stadtplakette der Stadt Wiesbaden in Bronze.
Eine Welt aus Licht und Schatten
Doch was genau ist nun „Schwarzes Theater“? „Man versteht darunter eine besondere Theatergattung“, erklärt Naughton und ergänzt: „Auf einer mit schwarzem Samt ausgeschlagenen ‚Guckkastenbühne‘ führen schwarz vermummte Schauspieler Puppen und Gegenstände durch eine schmale Lichtgasse. Nur die vom Scheinwerferkegel getroffenen Objekte werden für das Publikum sichtbar, während die Spieler im Dunkeln verborgen bleiben. Dadurch lassen sich die erstaunlichsten Effekte erzeugen, so dass die Grenzen zur Wirklichkeit verschwimmen und das Publikum in eine Welt der Magie und Illusion, voller Poesie und Zauber entführt wird.“ Ergänzt werden die Inszenierungen mit Schauspieleinlagen, Gesang, Musik und Tanz sowie Videoprojektionen.
Buntes Programm und Gastspiele
Die Spielstätte selbst besticht mit einer angenehmen Revue Theater Atmosphäre im sechziger Jahre Stil. Vor den Aufführungen und in der Pause gibt es an der Theaterbar diverse Erfrischungsgetränke, Bier und kleine Snacks wie Laugenbrezeln. Das Programm des Velvets Theaters ist vielseitig. Neben Inszenierungen wie der „Der kleine Prinz“, „Momo“ oder „Pinocchio“, die auch für Kinder ab acht Jahren geeignet sind, gehört eine für das schwarze Theater adaptierte Inszenierung der Oper „Die Zauberflöte“ zum Programm. Darüber hinaus gibt es Gastspiele: Im April findet beispielsweise ein Abend mit Liedern und Lyriks der jüdischen Dichterin Mascha Kaléko statt, die von Sängerin und Schauspielerin Alix Dudel und Gitarrist Sebastian Albert interpretiert werden. Ergänzt wird das Programm durch unterhaltsame Revue- Theaterstücke wie das Schauspiel „Heiße Zeiten“. „Wir hatten vor Jahren auch schon unsere Eigenproduktion „Grenzenlos“ im Programm. Das Stück haben meine Eltern selbst geschrieben und für die Bühne inszeniert. Es erzählt die bewegte Geschichte des Velvets Theaters. Vielleicht nehmen wir es bald mal wieder ins Programm“, erzählt Barbara Naughton.