Best places to cry on campus
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Anlässe zum Weinen finden sich sehr viele. Wo das Weinen – allein und zusammen – auf dem Mainzer Uni-Campus gelingt, lest ihr hier.
von Princesha Salihi
Eine Frist jagt die nächste, vom BAföG ist keine Spur zu sehen und die Nudelpreise wollen einfach nicht sinken – alles sehr gute Gründe zum Weinen. An der JGU kommt noch so manche Sparmaßnahme hinzu. Wer die Bibliothek aufsuchen will, um Haus- oder Abschlussarbeit zu schreiben, steht seit Oktober an den Wochenenden und Abenden entweder vor verschlossenen Türen oder bekommt keinen der wenigen Plätze mehr. Die Bücher, die man sich für das Homeoffice dann ausleihen muss, können auch nur zu eingeschränkten Uhrzeiten zurückgebracht werden. Wenn man besonders viel Pech hat, steht man mit überschrittener Leihfrist, ohne Bibplatz und mit hungrigem Magen auf dem Campus. Denn auch die Öffnungszeiten der Mensen änderten sich im Tagesakkord, bis sie sich zu einer radikalen Verkürzung im Vergleich zu präpandemischen Zeiten einpendelten.
Wo geweint wird, fließen Tränen
Das alles soll Gas sparen, Stress spart es leider keinen. Doch Studierenden an der JGU bietet der Campus einige Schlupfwinkel für die aufkommenden Tränen. Ein Klassiker ist der Bücherturm. Im vierten Obergeschoss finden sich einige versteckte Ecken für ein paar ruhige Minuten zwischen staubigen Büchern. Mit Ausblick auf die Saarstraße kann man sich in seinem Kummer suhlen. Auch die Einzeltoiletten auf jedem Stockwerk eignen sich gut. Grundsätzlich empfehlen sich solche Einzeltoiletten auch in anderen Bibliotheken anstelle von Großraumtoiletten bei denen man sich noch an einem „Ist alles OK bei dir?“-Raunen abarbeiten muss. Für sich allein sein kann man auch in einigen Bereichsbibliotheken des Philosophicums. Das alles soll keineswegs heißen, dass man sich zum Weinen verstecken muss. Bei all dem Trubel findet man an der frischen Luft des botanischen Gartens viele gute Orte, um sich des Stresses zu entledigen. Es kann sehr heilend sein, gesehen zu werden. Wer dabei ein bisschen mehr Verbundenheit will, kann das gemeinschaftlich tun. Teilt also eure besten Spots für einen ‚Good Cry‘ mit euren Freund:innen oder noch besser: haltet ihnen das Händchen und reicht ihnen ein Taschentuch. Denn wo geweint wird, fließen Tränen.
Mehr Freudentränen bitte
„Weinen tut gut und reduziert nachweislich Stresshormone“, liest man, wenn man sich mit den psychologischen Effekten des Weinens auseinandersetzt. Doch ebenso klar ist, dass Stress von vornherein zu vermeiden eine gesündere Strategie ist. Besser wäre also, wenn man schönere Gründe für die feuchten Augen hätte als eine finanzielle Notlage oder die überfüllten Bibliotheken. Mit ein paar salzigen Tränen lässt sich die Miete leider nicht bezahlen. Während sich Baerbock und Scholz in Berlin verzoffen, warten Studierende immer noch auf die 200 Euro Energiepreispauschaule. Und das seit der Ankündigung im Sommer letzten Jahres (!). Inzwischen mussten sich Studierende andere Lösungen suchen, zusätzliche Jobs annehmen oder an anderen Enden sparen. Niemand konnte ernsthaft mit diesem Geld planen und so ist es wirklich alles andere als eine Entlastung. Wahrscheinlich zieht sich Putin aus der Ukraine zurück und erhebt Anklage vor dem internationalen Gerichtshof gegen sich selbst, bevor irgendjemand einen Cent des versprochenen Geldes sieht. Da irgendwann geheizt werden muss, stellte sich nur die Frage wo. Die fehlende Energiepreispauschaule hätte großzügigere Öffnungszeiten der Bibliotheken notwendig gemacht. Denn, wenn es auf dem Campus keine freien Arbeitsplätze gibt, muss das Heizen eben auf viele einzelne WG-Zimmer umverteilt werden. Wenigstens steigen die Semesterbeiträge kontinuierlich und lassen etwas Spielraum für Zynismus.
Als soziale Wesen in einem sozialen Gefüge bieten sich ausreichend Anlässe zum Weinen. Da wäre es doch toll, wenn die Rahmendbedingungen nicht auch welche wären. Bis dahin muss aber mit dem Gekrakel an den Klotüren der GFG-Bibliothek auf denen „Du schaffst das“ steht, vorliebgenommen werden.
Illustration: Leon Scheich