Lieber 100 Leute im Klub als 60.000 Klicks
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Ein Gespräch mit Nicolas, Sarah und Ben von der Mainzer Band „The Rhino“ über ihre Anfänge, die Qualität von Liveauftritten, die Quantität von Streams und musikalische DNA.
von Leon Groß
Bandgeschichte
Die hollywoodreife Story einer Garage-Rockband geht ungefähr so: Befreundete Jugendliche eifern ihren musikalischen Idolen nach und gründen eine eigene Band. Aus Mangel an Proberäumen spielen sie in der namensgebenden Garage im Haus ihrer Eltern, nehmen jeden Gig an und schaffen den Sprung in die größeren Klubs über einen lokalen Bandcontest. Die Entstehungsgeschichte von The Rhino kommt dem erstaunlich nahe und reicht fünfeinhalb Jahre zurück. Nicolas Lotz (Gesang und Gitarre) und Sarah Ban (Drums) kennen sich seit der Schule und covern als niemand sonst zu den Proben der Abi-Band erscheint zunächst Songs der White Stripes. Mit ihrem Freund und ehemaligen Bassisten Clemens Zirbes gründen sie das Bandprojekt The Rhino. Die Garage ist in ihrem Fall ein Keller im Elternhaus. Eine selbstproduzierte EP und einen Umzug nach Mainz später ist der lokale Bandcontest das Rock and Pop Youngsters 2022. Das gewinnt die Band, zu diesem Zeitpunkt schon mit Neubesetzung Ben Schiwek (Bass) und „seitdem läuft es wirklich sehr gut.“
Stil
The Rhino machen eine Mischung aus Blues-, Stoner- und Garage-Rock. Musikalische Vorbilder findet man in diesen Genres reichlich, was jedoch nicht bedeutet, dass es der Band nicht gelingt, frische, originelle Musik zu machen. Sarah sagt dazu: „Das Ding mit musikalischen Einflüssen ist, manche erkennt man und kann sie gut benennen und andere hat man so tief in sich drin, dass man gar nicht merkt, wie die wieder rauskommen, wenn man selbst was Neues macht.“ Ben nennt das musikalische DNA und Ian McEwan, der zwar nicht im Zoom Call dabei war, aber als britischer Autor sowieso zu allem was zu sagen hat, würde geistreich anmerken: „Der Künstler ist nur das Instrument, auf dem Kultur und Geschichte spielen. Unabhängig davon, ob ein Künstler mit – oder gegen – die Tradition arbeitet, er bleibt ihr hilfloses Produkt.“ Die hilflosen Produkte, mit denen ich die Freude hatte, ein Interview zu führen, scheinen eher bemüht gegen die Tradition zu arbeiten. Ben sagt dazu: „Wenn man nur macht, was Leute erwarten, dann ist das comfort food. Dann ist das meinem Gefühl nach nicht nachhaltig. Die Musik, die mit mir am längsten bleibt, ist etwas, wo ich beim ersten Hören nicht direkt alles entschlüsselt habe. “Nicolas ergänzt: „Kocht man den Leuten nach der Schnauze, macht man sich ersetzbar.“ Mit drei Instrumenten erreichen The Rhino eine erstaunliche Klangdichte und gleich ihrem Namensgeber gibt es, einmal ins Rollen gekommen, nur eine Richtung: nach vorne! Mit blindlinks nach vorne preschen hat das allerdings wenig zu tun, denn die Musiker:innen wissen Pausen und Kontraste gut einzusetzen, um Dynamik zu erzeugen: „Laut ist es nur, wenn es vorher leise war“, fasst Nicolas zusammen.
Life is Live
The Rhino ist eine klassische Live-Band. Sie sind natürlich nicht aus der Zeit gefallen und haben ihre Songs sowohl auf Spotify als auch Studio Livesessions auf YouTube. Trotzdem sind sie sich einig: „Lieber hundert Leute im Club als 60.000 Streams.“ Sie haben beides und man gönnt es ihnen. Der Fokus liegt allerdings klar auf den Liveshows. „Man könnte sagen, die Aufnahme ist die Visitenkarte, `ne ultrakrasse Visitenkarte, aber die richtige Wertschätzung kommt nicht über die Zahlen, sondern über die menschliche Interaktion“, sagt Ben. Für Sarah liegt in der Quantität der Klicks wenig spürbarer Erfolg: „Man hat online nicht so sehr das Gefühl, dass die Reichweite einem so viel bringt, aber wenn man weiß, hier hat man vor zwei Jahren als Vorband gespielt und jetzt ist man Hauptact fühlt sich das schon nach einem Stepup an.“ Die drei sind mit dem Verlauf des letzten Jahres sehr zufrieden. „Wir hatten vor allem in diesem Jahr voll das Gefühl, dass sich in Mainz eine Szene entwickelt hat und das in einer Zeit, in der man häufig hört, wie schlecht es mit Livemusik wegen Covid immer noch läuft. Das ist nur, wie wir das wahrnehmen, aber in Mainz läuft es für Bands in unserer Größe sehr gut.“ Kulminiert ist das Ganze bei einem Konzert im Caveau gemeinsam mit den befreundeten Bands „Greñas“ und „Snuckouts“. Deshalb soll eine Wiederholung dieses Konzerts ihr Comeback einläuten, wenn Nicolas im Frühjahr mit neuen Songs aus Schottland zurückkommt. Für diesen Termin gilt, was für Livemusik immer gilt: Einfach hingehen ist meistens die richtige Entscheidung und mal vorbeischauen auf therhinoband.com sicherlich auch.
Foto: Tessa Trautmann