Klein und Kariert #6
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Über Geschmack lässt sich nicht streiten? Quatsch! Bei der Aussicht auf die Diskussion vermeintlicher Nebensächlichkeiten bekommen unsere Autor:innen vor Aufregung schweißnasse Hände. Sind Lufthandtrockner geeignet, um Abhilfe zu schaffen?
von Myriam Neureuther und Julius Ferber
Meine Hände sind erstarrt durch das von Sparmaßnahmen der Universität kaltgewordene Wasser. Zaghaft stecke ich sie in das futuristisch anmutende Gerät, das an der Wand montiert ist und sofort startet ein Countdown. Wie wird mir? Die warme Luft schmiegt sich um die Eisklötze am Ende meiner Arme, die ich nun gierig schneller auf uns ab sausen lasse. Es ist die Maniküre des kleinen Mannes. Eine 15 Sekunden andauernde Auszeit vom Alltag, in der ich mich an den Strand träume, wo der Wind über meine Haut streichelt. Niemand kann guten Gewissens die unselige Schlacht verteidigen, die tagtäglich mit Papierhandtüchern geführt wird: Wie häufig finde ich mich mit einem Fuß im Mülleimer wieder, um die überquellende Menge an nassem Papier zu bändigen. Dabei erwische ich nur den Anteil, der sich nicht bereits nebenan mit Wasser und Urin zu einer unappetitlichen Pfütze verbunden hat. Ganz zu schweigen von der desaströsen Portionierbarkeit: Meist reißt lediglich ein Fetzen Papier ab. Bisweilen hat man aber das ganze Paket in der Hand. Klar, es gibt auch Stoffhandtuchspender. Diese verwenden viele, dem Stoff-Bräunungsgrads zufolge, scheinbar gleich ohne Händewaschen zum Abwischen ihrer Dreckgriffel. Und wenn sich mal wieder jemand gewaltsam von der Endlichkeit der Dinge überzeugen will und zu diesem Zweck ungehemmt an der Stoffbahn zieht, liegt der Inhalt nutzlos zusammengesackt auf dem Boden. Dem Handlufttrockner sind Alternativen hoffnungslos unterlegen. Er spart Müll, Chaos und ist vandalismusresistent.
Öffentliche Toiletten sind ein Dschungel aus Keimen. Wir schleichen durch das Dickicht und hoffen, die Gefahren der Expedition unbeschadet zu überstehen. Der Türgriff eine sich windende Schlange, die nur mit dem Ellbogen gefahrlos berührt werden kann; die Kloschüssel ein Teich voller Piranhas, deren schnappenden Mäulern durch gekonntes Schweben über der Klobrille ausgewichen werden muss. Der einzige Lichtblick: Die saubere Wasserstelle. Ein Quell kühlen Nass`, das, regelmäßige Legionellenprüfungen vorausgesetzt, absolut rein und klar ist. Nach den aufreibenden Strapazen kann man sich hier auffangen lassen, säubern, Trinkwasservorräte auffüllen. Bereit für die Rückkehr in die Zivilisation. Letzte Herausforderung: Das Trocknen der Hände. Wenig erfahrene Abenteurer lassen sich gerne dazu verleiten, ihre Hände in die warmen Lufttrockner zu halten. Doch Regel Nummer eins im Dschungel lautet: Stecke deine Hände nirgends hinein. Wer weiß, was darin lauert. Giftige Spinnen, Skorpione – oder einfach die Keime unserer Vorgänger, die das Konzept von richtigem Händewaschen nicht verinnerlicht haben und ihre Viren in dem Trockner hinterlassen, die uns nun um die Ohren und auf die Hände geschleudert werden. Nach allem, was ihr auf euch genommen habt, um jedem möglichen Krankheitserreger zu entgehen, wollt ihr jetzt eure Hände in diese Keimschleuder halten, nur weil sie ein bisschen warm ist? Dann seid ihr nicht bereit für den Dschungel.
Illustration: Leon Scheich