Katar zahlt, Bayern schweigt
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Michael Ott studierte an der JGU Rechtswissenschaften und ist seit kurzem Rechtsanwalt in Deutschem und Französischem Recht. Zudem ist er ein sehr aktiver Fußballfan. Als Mitglied des FC Bayern brachte er mit seinem Redebeitrag auf der Jahreshauptversammlung 2021 viel Aufruhr in die Debatte um die Geschäftspartnerschaft mit dem Scheichtum Katar. Mit dem „Katar-Antrag“ setzt er sich gemeinsam mit zwei anderen Mitgliedern dafür ein, dass der FC Bayern das Katar-Sponsoring beendet. Wir haben mit ihm über seine Sicht auf den modernen Fußball, die Verbindung des FC Bayerns zu Katar und seinem Selbstverständnis als Fußball-Fan gesprochen.
Interview: Leon Groß
Rummenigge: „Seitdem Bayern München Partner von Katar ist, ist nachweislich eine positive Entwicklung in Sachen Menschen- und Arbeitsrecht passiert. Der Dialog verbessert Dinge. Das Kritisieren hilft nicht, eine Situation zu verbessern.“ Hat der Dialog Dinge verbessert, die Kritik aber nicht?
Natürlich ist ein Dialog wichtig. Das Problem ist aber, dass die Partnerschaft des FC Bayern mit Katar im Kern nicht auf einen Dialog ausgelegt ist. Das ist auch normal, denn es handelt sich um eine Werbepartnerschaft. Dabei bietet der FC Bayern Katar eine Plattform mit extremer Reichweite, um einseitig die katarischen Werbebotschaften in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Das hat nichts mit einem Dialog zu tun. Einen Dialog kann man vielleicht in Trainingslagern vor Ort führen, aber auch dann nur ernsthaft, wenn man nicht gleichzeitig die Hand aufhält und Millionen vom Gegenüber kassiert.
Im Übrigen bestätigen mir auch immer wieder Experten, dass ein Dialog mit öffentlichem Druck einhergehen muss, um in den Golfstaaten etwas zu verändern. Allein vertrauliche Hinterzimmergespräche, wie sie der FC Bayern vorgibt zu führen, reichen nicht aus. Rummenigge stellte 2015 außerdem bezogen auf die Trainingslager des FC Bayern in Katar fest, dass „ein Trainingslager keine politische Aussage ist“. Kann man das so sehen?
Wenn man als einer der größten Fußballvereine der Welt in so ein umstrittenes Land fährt, dann hat das unvermeidbar einen politischen Beigeschmack. Man verschafft dem Land ja schließlich enorme Aufmerksamkeit. Es kommt dann darauf an, ob man mit seiner Anwesenheit nur zum Glanz des herrschenden Regimes beiträgt, oder ob man auch Aufmerksamkeit auf konkrete kritische Themen vor Ort lenkt.
Ein namentlich nicht bekanntes FC Bayern Mitglied ist 2020 Mitorganisator einer Podiumsdiskussion zum Thema „Arbeit und Lebensbedingungen der Arbeitsmigranten in Katar“. Mittlerweile hat er Hausverbot auf dem gesamten Gelände des FC Bayerns und bei allen Spielen. Offiziell wegen einem Banner mit der Aufschrift „Bayern Amateure gegen Montagsspiele.“ Einer Aktion an der sich neben ihm viele andere beteiligt haben. Unterdrückt der FC Bayern aktiv kritische Stimmen in den eigenen Reihen? Hast du Ressentiments erfahren für dein kritisches Engagement?
Ich kann mir dieses Hausverbot jedenfalls nicht anders erklären als als Einschüchterungsversuch. Auch die letzte Mitgliederversammlung war ja ein Ausdruck der Unterdrückung der Kritik. Ich bin aber vorsichtig optimistisch, dass sich seitdem ein gewisser Sinneswandel vollzogen hat und man mehr auf Kritiker zugehen will. Das heißt aber nicht automatisch, dass der Verein auch in der Sache flexibler wird.
Ich selbst habe im Internet durchaus auch Abneigung zu spüren bekommen, die Unterstützung überwiegt aber bei weitem.
Bei Paris St. Germain hatten treue Fans nach dem Kauf des Clubs durch Katar mit dem Verein gebrochen. Unter welchen Umständen könntest Du Dir vorstellen, dass dem FC Bayern ähnliches passiert?
Ich bekomme bei vielen Leuten schon heute mit, dass eine Entfremdung vom Fußball geschieht und erlebe das teilweise auch bei mir selbst. Dennoch bin ich generell kein Freund davon, das Feld ohne Widerstand den anderen zu überlassen. Damit verändert man nichts. Ein kritisches Korrektiv tut dem Verein in jedem Fall gut.
Werden Fans aus dem Blickwinkel der Fußballmanager immer mehr zur Kulisse? Für welches Selbstverständnis des Fans trittst du ein, was sollen Fans tun?
Teilweise hat man durchaus den Eindruck, dass sich viele Führungspersonen im Fußball gerne mit den treuen eigenen Fans brüsten, aber nur so lange man brav klatscht und gute Stimmung macht. Bei Verbänden wie der Fifa ist das besonders schlimm. Sobald Kritik kommt, wird man ignoriert, es wird versucht, einen in eine Chaoten- Ecke zu drängen oder Ähnliches. Zwar gibt es zaghafte erste Schritte auf die Fans zu, etwa gerade ganz aktuell beim FC Bayern. Wie nachhaltig das ist, kann ich noch nicht beurteilen. Solange man aber versucht, Fans selbst in grundlegenden Wertfragen von der Mitbestimmung auszuschließen, kann ich nicht feststellen, dass man sie wirklich ernst nehmen würden.
Als Mitglied hat man eine Verantwortung für das Wohlergehen seines Vereins. Das impliziert nicht nur das Anfeuern im Stadion, sondern gerade auch, dass man aktiv wird, wenn sich der Verein in wichtigen Fragen in eine völlig falsche Richtung entwickelt.
Nicht nur Korruptionsvorwürfe und WM-Vergaben sorgen für negative Schlagzeilen im Fußball. Auch Rassismus und Homophobie trüben immer wieder die reine Freude am Sport. Besonders beim Thema Homosexualität scheint der Fußball der gesellschaftlichen Debatte massiv hinterherzuhinken.
Entspricht das deiner Wahrnehmung? Hängt der Fußball hinterher oder ist er nur ein Abbild?
Ich glaube nicht, dass der Fußball homophober ist als die Gesellschaft. Das nehme ich persönlich jedenfalls nicht so wahr und das klingt für mich zu sehr nach dem alten Klischee eines bierseligen, einfältigen Fußballfans. Die Fanszene ist heutzutage deutlich diverser und ich denke, dass es einen merkbaren Unterschied gibt zwischen einem Stadionbesuch heute und einem Stadionbesuch vor 10 oder 15 Jahren. Es ist sicherlich nicht alles perfekt und es gibt auch einige schwarze Schafe. Aber insofern ist der Fußball tatsächlich eher ein Abbild der Gesellschaft und die Vereine machen hier grundsätzlich eine gute Arbeit.
Ist eine Grundsatzverpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte eine Möglichkeit nachhaltige Veränderung zu schaffen und wie könnte diese auf Vereinsebene aussehen?
Sie ist in jedem Fall ein guter Ausgangspunkt, um die Verantwortlichen an die Grundsätze des Vereins zu erinnern. Inwieweit man damit Einfluss auf konkrete Geschäfte nehmen kann, ist allerdings eine komplizierte Frage und so abstrakt kaum zu beantworten.
Ist eine solche Grundsatzverpflichtung auch auf den DFB oder die Fifa übertragbar, um zukünftig Umstände wie in Katar zu verhindern?
Grundsätzlich natürlich ja. Gerade die Fifa zeigt aber, wie groß die Gefahr ist, dass eine solche Grundsatzklausel nur zum Etikettenschwindel verkommt.
Katar, Beckenbauer, Bayern München, WM-Vergabe. Trugen ehemalige Verantwortliche des FCB dazu bei, dass letztlich tausende Arbeiter auf Baustellen in Katar zu Tode kamen?Der FC Bayern konnte die WM-Vergabe nicht beeinflussen. Er muss sich aber jedenfalls vorwerfen lassen, von dem Menschen ausbeutenden System abgelenkt zu haben durch den Werbevertrag mit Katar, der dem Land ein makelloses Image verschaffen soll.
Um die individuelle Verantwortung von Franz Beckenbauer zu beurteilen, fehlen mir spontan die Detailkenntnisse der Vorwürfe gegen ihn, aber mit Ruhm hat er sich sicher nicht bekleckert.
Bei der WM in Katar stehen auch viele Bayernspieler in verschiedenen Mannschaften auf dem Feld. Wirst du aktiv die WM verfolgen oder suchst du dir Alternativen?
Aktuell habe ich noch gar keine Vorfreude auf das Turnier. Ich will aber nicht ausschließen, dass ich doch das ein oder andere Spiel schaue. Grundsätzlich bin ich hin- und hergerissen zwischen dem Ansatz, das Turnier aus Prinzip komplett zu boykottieren und dem Ansatz, zu akzeptieren, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist und das Turnier für maximale Aufmerksamkeit auf die Probleme im Land zu nutzen.