Hinter den Schlagzeilen
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Investigativer Journalismus klingt actionreich, besteht in erster Linie aber aus intensiver Recherche. Im Gespräch mit STUZ berichtet Journalist Frederik Obermaier von seiner Arbeit.
Interview: Myriam Neureuther
Ein anonymer Hinweis, ein geheimes Treffen, Informationen, die alles verändern könnten – was sich nach der Handlung eines Jason Bourne Films anhört, ist die Arbeit des Investigativ-Ressorts der Süddeutschen Zeitung. Doch wo Bourne die Pistole zückt, besteht die Arbeit hier aus monate-, teils jahrelanger Recherche. Sorgfältiges Prüfen, Abwägen, Kontaktaufnehmen mit allen betreffenden Personen, juristische Beratung – können und sollen die Informationen veröffentlicht werden? Der Dokumentarfilm „Hinter den Schlagzeilen“ von Daniel Sager gibt Einblicke in die Arbeit der beiden Journalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer. Sie waren maßgeblich an den Enthüllungen zu den Panama Papers und zur „Ibiza-Affäre“ beteiligt, die eine Staatskrise in Österreich und den Rücktritt des damaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache auslöste. Der Film zeigt nicht nur wie akribisch die journalistische Arbeit im Investigativ-Ressort abläuft, sondern auch warum sie unbedingt notwendig ist.
STUZ: Wie beginnt eine investigative Recherche?
Frederik Obermaier: Wir suchen nach strukturellen Problemen, die wir uns genauer ansehen wollen. Es kommen mittlerweile viele Hinweise, sodass ich leider viel zu selten Zeit habe, mir diese strukturellen Gedanken zu machen. Es gibt aber auch Kolleginnen und Kollegen, die sich einfach für ein Thema interessieren, Bücher dazu lesen, Expertinnen und Experten anrufen und dann nach schwarzen Flecken Ausschau halten. Die findet man dann überraschend schnell.
Warum ist es wichtig, dass Journalist*innen diese Recherche machen und nicht Behörden?
Wir als Journalistinnen und Journalisten haben auch die Aufgabe, Behörden auf die Finger zu schauen. Es gibt genügend Skandale in Deutschland, bei denen Behörden nicht genau genug gearbeitet haben. Behörden machen auch nicht alle Fälle publik und ich glaube, es gibt viele Fälle und Missstände, bei denen es wichtig ist, dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Zum einen, um Muster erkennen zu können, aber auch um der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, den Mächtigen auf die Finger zu schauen.
Hatten Sie im Zuge einer Recherche schon mal Angst um Ihre eigene Sicherheit?
Ja, es gab solche Momente, aber die sind relativ selten. Ich bin da aber auch ein großer Verdränger. Ich habe auch schon mal mitbekommen, dass ich verfolgt werde. Bei uns in der Redaktion hat mittlerweile jeder so seine Vorkehrungen getroffen. Das Gute ist aber, dass Journalismus in Europa noch relativ sicher ist, auch wenn die Einschläge näherkommen.
Wie ist der Tag nach einer Veröffentlichung, können Sie die Resonanz immer abschätzen?
An dem Tag nach der Veröffentlichung der Ibiza-Affäre war ich mit meinem Kind Eis essen und habe die Pressekonferenz vor der Eisdiele auf dem Handy einer mir fremden Person angeschaut. Da war ich glaube ich etwas naiv, was die Folgen angeht.
Es gibt aber auch viele Recherchen, die wichtig sind, die aber nicht die Resonanz finden. Aber ich würde nie sagen, dass die Recherche deswegen nicht gut war. Wenn wir etwas Neues dazu finden, werden wir wieder veröffentlichen. Vielleicht haben wir es noch nicht richtig erzählt und müssen einen anderen Zugang finden.
Was ist wichtiger: eine Quelle zu schützen oder eine potenziell bahnbrechende Geschichte zu veröffentlichen?
Ganz klar der Schutz der Quelle. Wir haben als Journalistinnen und Journalisten auch die Verantwortung, alle potenziellen Folgen zu erklären. Es gibt auch Anwaltskanzleien, die sich auf Whistleblower spezialisiert haben und das zum Teil pro bono machen. Dann sagen wir: Rede mit denen und wenn du die Geschichte dann immer noch veröffentlichen möchtest, komm wieder. Manchmal ist die Antwort ja, manchmal nein.
Was ist die größte Gefahr für den Journalismus?
Dass wir Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten fast schon als selbstverständlich hinnehmen. Genauso, wie wir einen Angriff auf ein Parlament verurteilen müssen, müssen wir auch einen Angriff auf einen anderen Pfeiler der Demokratie – den Journalismus – anprangern. Ich glaube, wir Journalisten sind auch oft zu schlecht darin, für unseren Berufsstand einzustehen. Das bedeutet auch, dass wir unseren Beruf besser erklären und Missverständnisse beseitigen müssen.
Welches Missverständnis möchten Sie aufklären?
Dass wir einen Tipp, den wir bekommen, nicht ungeprüft in die Zeitung schreiben, sondern dass da ein langer Prozess dahintersteht: abwägen, überprüfen, gegenprüfen, der Gegenseite die Möglichkeit zur Stellungnahme geben. Und dass auch oft genug Recherchen nicht veröffentlicht werden, weil wir zu dem Schluss kommen, dass Informationen falsch sind oder dass das öffentliche Interesse nicht überwiegt, sodass wir eine Person nicht ins Rampenlicht zerren würden.
Foto: Friedrich Bungert/SZ