Gute Deutsche
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von Princesha Salihi
Im Herbst 2019 beantragte ich meine „Einbürgerung in den deutschen Staatsverband“. Das ist so lange her, da gab es noch kein Corona. Im Januar 2020 bekam ich meine Einbürgerungszusicherung. Im September 2021 wurde ich eingebürgert. Dazwischen ließ ich mich mühsam aus meiner Staatsangehörigkeit entlassen, denn die doppelte Staatsangehörigkeit wird noch immer schlecht begründet als Integrationshindernis abgetan. Beamt*innen waren im Urlaub und sie waren krank, wenn ich anrief. Zwischenzeitlich änderte sich meine Adresse. Es brauchte Monate, bis die Unterlagen von der Antragskommune an das zuständige Amt in Mainz übergeben wurden. Alles auf Papier versteht sich, der PDF-Reader ist noch drüben in Amerika. Mein persönliches Highlight: „Wir haben die Unterlagen, die Sie uns Ende Juni zugeschickt haben, gefunden. Bitte entschuldigen Sie das Versehen.“ Ich hatte Anfang August die verschollenen Unterlagen nochmals verschickt. Sich einbürgern zu lassen kostet aber nicht nur Zeit und Nerven, sondern, wie es sich gehört, auch eine Menge Geld. Mit den Gebühren für Entlassung, Einbürgerung und vor allem dem Hin- und Herübersetzen von Dokumenten kam ich auf 1.017 Euro.
Die Einbürgerungsfeier findet also im Frankfurter Hof statt. Oberbürgermeister Michael Ebling richtet ein paar Worte an die neuen Staatbürger*innen. Worte des Dankes, ein Lob auf die Stadt Mainz und die Demokratie, selbst der Schmelztiegel bleibt nicht unerwähnt. Danach geben wir gemeinsam ein Bekenntnis zur Freiheitlich-demokratischen Grundordnung ab. Der Bürgermeister spricht vor, die Gäste nach. Es erinnert an einen Gottesdienst, nur das Amen am Ende fehlt irgendwie. Anschließend werden die Einbürgerungsurkunden verliehen. Ein kurzes Innehalten vor jedem Namen, man gibt sich wirklich viel Mühe. Kurzes Fist-Bump mit dem OB, zur Urkunde bekommt man noch ein Grundgesetz in die Hand gedrückt. Zack fertig: ein Deutscher. 73 mal, die 74. Urkunde ging unterwegs verloren, wird aber wiedergefunden. Wofür bekommt man die noch gleich verliehen? Dafür, dass man es geschafft hat über Monate bürokratische Hürden zu nehmen und Unterlagen einzureichen? Oder doch dafür, dass man es aushält, wenn einem jedes Mal bei einem vorbeifahrenden Polizeiauto das Herz in die Hose rutscht, man sich nach Hanau noch in Shishabars traut und man im Zweifel in Kabul zurückgelassen wird, trotz deutscher Staatsbürgerschaft? Die Hymne wird angestimmt. Kaum eine*r kennt den Text. Ich kenne ihn, würde aber lieber Helene Fischers Atemlos singen. Im Anschluss gibt es Wein, Saft und Smalltalk. Die Stimmung ist gelöst, alle sind erleichtert. Als hätte man noch bis zur letzten Minute gebangt.
Nach einer Mail im September, in der ich resigniert schrieb, dass ich dieses Jahr gerne mitgewählt hätte, bekam ich schnell einen Anruf. Eine unheimlich nette Dame mit meiner Einladung. Ich mutmaße, wie man zu dieser doch so plötzlichen Entscheidung im Stande war: „Wieso hat sie noch keinen Termin? Sie wird eine gute Deutsche, die will sogar wählen“, denke ich etwas pathetisch am Morgen der Einbürgerung, während ich an meiner Bügelfalte für die Feier arbeite. Und ich werde eine gute Deutsche sein, wie ich eine gute Nicht-Deutsche sein werde.