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Umwelt

„Mit Klimaschutz retten wir uns selber“

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Katja Trippel, Co-Autorin des Buches „Überhitzt: Die Folgen des Klimawandels für unsere Gesundheit“, erklärt im STUZ-Interview, was wir gegen den Klimawandel und seine Folgen tun können und sollten.

Interview Shayan Julien Mirmoayedi

STUZ: Frau Trippel, in Ihrem Buch heißt es: „Die neue ‚normale‘ Hitze werden wir nicht mehr los.“ Welche Folgen des Klimawandels können wir noch beeinflussen und welchen neuen Normen müssen wir uns anpassen?
Katja Trippel: Die Treibhausgase, die wir in den vergangenen Jahrzehnten in die Atmosphäre gejagt haben, zeigen ihre Wirkung und haben das Klima verändert. Das lässt sich nicht mehr zurückdrehen, wir spüren die Folgen bereits am eigenen Leib. Aber wir können verhindern, dass es noch problematischer und ungesünder wird. Die Hitzewellen nehmen schon jetzt zu, sechs der elf extremsten Hitzewellen seit 1950 fanden nach 2000 statt. Im Sommer 2018 führten die Hitzewellen in Deutschland zu schätzungsweise 6000 Todesopfern. Das sind doppelt so viele wie Verkehrsopfer. Das Robert-Koch-Institut muss diese Zahlen schätzen, weil außer Hessen und Berlin kein Bundesland Statistiken dazu führt, allein das ist schon unfassbar. Außerdem beginnt der Pollenflug früher und hört später auf – für Allergiker ein großes Problem. Zecken werden früher im Jahr rege, schon im Februar erkranken Menschen an Borreliose oder FSME. Es schlagen auch neue Viren wie das Westnilvirus zu. Wenn wir jetzt nicht handeln, werden wir niemals die beim Paris-Abkommen vereinbarten 1,5 Grad halten können, nicht mal den doppelten Wert. Dann kommt es zu „Naturkatastrophen“, die im Grunde menschengemachte Katastrophen sind. Das bedeutet Überschwemmungen, ein steigender Meeresspiegel, gleichzeitig Dürren, Trinkwasserknappheit – Zustände, von denen wir denken, das betrifft uns hier in Deutschland ja nicht. Aber so weit sind wir davon nicht entfernt. Viel vielversprechender ist die Alternative: Die Welt wird, wenn wir weniger Treibhausgase in die Luft blasen, gesünder – und damit retten wir uns selber.

Welche Maßnahmen kann man ergreifen, um gegen Hitzesterblichkeit vorzugehen?
Hitzetote sind stille Tote. Sie sterben unbemerkt. Ich halte es für eine Fahrlässigkeit der deutschen Gesundheitspolitik, dass sie sich nicht um Vorsorge kümmert. In unseren Nachbarländern ist das anders. In Frankreich wurden etwa direkt nach der katastrophalen Hitzewelle 2003 Hitzenotfallpläne etabliert. Ab dem 15. Juni müssen alle Krankenhäuser, Altersheime und Schulen vorbereitet sein. Sie kühlen Medikamente, passen die Dosen an, haben kalte Räume zum Abkühlen und vieles mehr. Verschiedene Akteure arbeiten zusammen, um die vulnerablen Personen zu schützen. Auch im Medizinstudium sollten die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels behandelt werden. Beim diesjährigen Ärztetag wird das Thema aufgenommen, da entsteht erst langsam ein Bewusstsein.

Hat Hitze eigentlich unterschiedliche gesundheitliche Folgen je nach Geschlecht und wie viel weiß man darüber?
Es ist ein grundsätzliches Problem in der medizinischen Forschung, dass die Norm immer der Männerkörper ist. Bei den Wettervorhersagen des Deutschen Wetterdienstes werden gesundheitlich problematische Temperaturen am Klima-Michel, 1,75 Meter groß, 75 Kilo schwer berechnet. Es wird vernachlässigt, dass Frauenkörper anders sind: Sie sind kleiner, die Haut ist dünner, sie schwitzen weniger, sie haben eine andere Fettverlagerung, eine geringere Muskelmasse – kurz: Die Thermoregulierung des weiblichen Körpers funktioniert anders und das ist noch nicht wirklich berechnet worden. Man weiß nur, dass Frauen unter Hitze stärker leiden. Sie waren selbst mal Stadtplanerin in Potsdam.

Welche stadtplanerischen Maßnahmen können Kommunen ergreifen?
Die Hitze schlägt in den Städten viel stärker zu als auf dem Land, insbesondere in den eng bebauten Gebieten mit viel Beton und Asphalt, mit wenig Grün und Luftzug. In den urbanen Hitzeinseln sind die Temperaturen bei Hitzewellen bis zu 10 Grad wärmer als in weniger dicht bebauten Siedlungen, denn sie speichern die Tageshitze wie ein Backofen und können sie nicht abgeben, wenn die Außentemperatur nachts nicht sinkt. In diesen Gebieten sollten etwa Freiluftschneisen offenbleiben und viel Bepflanzung erfolgen. Das Grün funktioniert wie eine natürliche Klimaanlage und kann die unmittelbare Umgebungsluft um mehrere Grad abkühlen.

Sind der Klimawandel und die Coronapandemie miteinander verknüpft?
Der Klimawandel hat Corona nicht verursacht, das ist ganz klar. Aber es liegt auf der Hand, dass unser zerstörerischer Umgang mit der Umwelt viele solcher Krankheiten wie Ebola, HIV oder das erste SARS-Virus vorantreibt. Die Artenvielfalt, der Klimawandel, die Zerstörung der Natur sind miteinander verwoben. Man spricht heutzutage von der planetary health. Wenn die planetare Gesundheit Schaden erleidet, leiden auch wir.

Die Klimakrise hat auch Auswirkungen auf die Psyche. Was ist Klimaresilienz und wie werde ich klimaresilient?
Resilienz ist grundsätzlich die Fähigkeit auf schwierige oder schädliche Situationen adäquat zu reagieren und sich am besten dabei noch weiterzuentwickeln. Klimaresilienz bedeutet die Folgen des Klimawandels zu begreifen und nicht daran zu verzweifeln. Viele Klimaengagierte haben die Erfahrung gemacht, nicht gehört zu werden, egal was sie tun. Ob Forschende, Engagierte oder Umweltjournalisten: Wir kennen das alle und es ist kein schönes Gefühl. Vielen jungen Leuten bereitet die Vorstellung, in den nächsten Jahrzehnten die immer schlimmeren Folgen des Klimawandels zu erleben, Sorgen – und zwar zurecht. Ich finde alle, die sich keine Sorgen machen, sind das Problem. Auch zu sehen, wie sich die heimische Umwelt verändert, kann etwas mit einem machen. Oder wenn man als Landwirt seine Ernte wegen Hitze und Trockenheit verliert. Es ist wichtig, dass wir über diese existenziellen Themen reden, uns gegenseitig stützen und gemeinsame Wege  finden, wie wir aus dem Schlamassel herauskommen. Letztendlich hilft nur sich zu engagieren, am besten gemeinsam, und sich vorzustellen: Was kann ich gewinnen?

In Ihrem Buch wird eine Harvard-Studie zitiert, nach der das Engagement von 3,5 Prozent einer Bevölkerung gesellschaftliche Veränderungen bewirken kann. Sehen Sie denn genug Leute in der Gesellschaft, die sich engagieren?
Ehrlich gesagt schwanke ich da hin und her. Wenn ich zum Beispiel höre, dass der Kohleausstieg weiter verzögert wird, denke ich: Och Leute, ihr habt es immer noch nicht gerafft. Wenn ich mit Forschenden spreche, die versuchen, Zusammenhänge zu erklären und die gesamte Fridays-Bewegung oder auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sehe, gewinne ich große Hoffnung. Hoffnung nicht darauf, dass es so wird wie früher, die wird nicht erfüllt werden. Es wird ein anderes Leben sein, aber nicht unbedingt ein schlechteres – im Gegenteil: Wir können etwa ein gesünderes Leben, gesündere Luft und eine gesündere Natur haben. Ich schaue da durchaus optimistisch in die Zukunft.

Was wünschen Sie persönlich sich für die Klimadebatte?
Ich wünsche mir, dass wir sie realistischer und faktenbasierter führen und, dass wir verantwortungsvoller mit den Fakten umgehen. Ein Wunsch an die eigene Branche ist, dass wir nicht immer nur die Probleme und Bremser benennen, sondern die Chancen aufzeigen, die eine Wende bietet. Denn, wenn wir nicht handeln, befördern wir uns nur noch tiefer in die Patsche. Aber wenn wir etwas tun, können wir nur gewinnen.

Bild: Micha Pawlitzki

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