Period!
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Redet man heute eigentlich immer noch ungern über die Periode? Und warum gibt es nicht auf allen Toiletten Tampons und Binden? Ein Essay ohne Tabus und ein Plädoyer für die Selbstverständlichkeit.
von Shayan Julien Mirmoayedi (SSR) und Liah Kaiser (JuPa)
2018 entschied das schottische Parlament Menstruationsprodukte an Schulen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Eine Nachricht, die um die Welt ging. Kurz darauf folgte ganz Großbritannien, auch Neuseeland und Frankreich haben sich kürzlich angeschlossen. Im Vordergrund dieser Initiativen stehen die Bekämpfung von Periodenarmut, Teilhabe, aber auch der Fakt, dass Frauen Mehrkosten für den Kauf von Mentruationsartikeln tragen. In Großbritannien etwa gaben zehn Prozent der Schülerinnen an, sich nicht ausreichend Menstruationsprodukte leisten zu können. Irgendwann im Sommer 2020 fragten wir uns: Warum gibt es das nicht auch bei uns? Als Stadtschüler*innenrat (SSR) und Jugendparlament (JuPa) starteten wir in diesem Jahr ein Pilotprojekt an der Wiesbadener Diltheyschule und schlugen erfolgreich den politischen Weg ein, um unser Projekt an alle weiterführenden Wiesbadener Schulen zu bringen. Auch die Bereitstellung in öffentlichen Gebäuden soll folgen. Für diese Initiative gab es viel Lob, auch Kritik, aber, wenn wir neben der Umsetzung des Projekts eines erreicht haben, dann, dass über die Periode gesprochen wurde.
Wie’s früher war
Begeben wir uns auf einen kleinen Exkurs in die Vergangenheit. Wie wurde mit der Periode im Laufe der Geschichte umgegangen? In der Antike hielten viele namhafte Philosophen Periodenblut für Gift. Eine Flüssigkeit, die Frauen als unfertige Männer absonderten. Na ja gut, ist auch schon lange her. In der Renaissance und im Mittelalter hingegen… änderte sich das Bild kaum. Der christliche Aberglaube, dass die Periode eine Bestrafung Gottes für den Sündenfall war, trug jedenfalls nicht zur Entstigmatisierung bei. Fast forward in die Moderne: Selbst im 20. Jahrhundert blieb der Irrglaube von giftigem Menstruationsblut zumindest in Teilen der Bevölkerung hartnäckig bestehen, Pseudozusammenhänge zwischen verderbenden Pflanzen oder Lebensmitteln und der Periode wurden weiterhin von manchen renommierten Wissenschaftlern wie Béla Schick hergestellt. Kein schöner Rückblick.
Weg mit dem Tabu
Heute sind die Probleme andere. Natürlich sind wir über jene kruden Vorstellungen hinweggekommen. Dennoch gibt es ein subtiles Stigma gegenüber der Periode. Die Menstruation ist für viele Menschen ein Tabu-Thema. Es drückt sich durch „Nicht-Erinnern, Nicht-Beschäftigen und Nicht-Wissen, aber auch im heimlichen Austausch oder Kauf von Tampons, in Umschreibungen des Themas, beziehungsweise des Wortes Menstruation“ sowie in Scham und Fremdscham aus, wie Lotte Vera Bauer in ihrer Arbeit „Zwischen Normalität, Scham und Tabu“ an der Uni Marburg darlegt. Nehmen wir das Beispiel Pinky Gloves. Gerade Erfindungen wie diese suggerieren Frauen und Mädchen, dass die Periode etwas unreines, ekelerregendes ist. Zum Glück setzte der mediale Aufschrei unter dem Hashtag #Pinkygate eine klare Message: Frauen brauchen keine pinken Handschuhe für die Menstruation. Frauen brauchen Enttabuisierung und auch Unterstützung seitens der Politik. Nicht zuletzt hat auch die Autorin und Journalistin Franka Frei mit der Veröffentlichung „Periode ist politisch, ein Manifest gegen das Menstruationstabu“ ein Statement gesetzt und den öffentlichen Diskurs über die Menstruation gestärkt. Folglich trauen sich mehr Frauen und Mädchen offen über die Periode zu sprechen, obwohl heute weiterhin sexistische Sprüche und Vorurteile gegenüber der Menstruation gehegt werden.
Von der Selbstverständlichkeit
Für die Hälfte der Weltbevölkerung ist die Menstruation regelmäßig Teil des Alltags, war es oder wird es sein. Das sind fast vier Milliarden Menschen, die regelmäßig Hygieneartikel wie Binden, Tampons, Menstruationstassen oder -unterwäsche nutzen. Trotzdem ist die Bereitstellung von Binden und Tampons alles andere als selbstverständlich. Bis 2019 wurden Menstruationsprodukte in Deutschland sogar noch als Luxusgüter besteuert. Warum werden Binden und Tampons eigentlich nicht wie Toilettenpapier behandelt? Einen offeneren Umgang mit dem Thema würde die Bereitstellung auf Toiletten auch fördern. Letztendlich sind Menstruationsprodukte eben auch nur Hygieneprodukte, die zugänglich sein sollten für menstruierende Personen. Wir brauchen einen Kulturwandel. Nicht zu vergessen, dass es auch eine Selbstverständlichkeit sein muss, dass Mülleimer auf Toiletten stehen. Spätestens dann kommt hoffentlich auch niemand mehr auf die Idee pinke Handschuhe zu verkaufen. Projekte wie in Wiesbaden und einige Cafés, Bars, und Unternehmen machen es vor: Die Menstruation ist selbstverständlich, behandeln wir sie auch so.
Einmal die Woche, ne?
Ja, richtig gelesen, ob die Periode einmal pro Woche stattfinde, wurde eine Mitschülerin mal gefragt. Im Vergleich zu anderen Kenntnislücken vieler nicht-menstruierender Männer ist die Frage noch harmlos. Früher und teils bis heute wüssten viele Ehemänner nicht, wie „das mit der Periode“ überhaupt funktioniere, erzählte uns ein Landtagsmitglied. Das sei halt Frauensache, hört man oft. Dass sich das jetzt ändert, freute sie. Aber wie bekommen wir diese Veränderung hin und wozu braucht es sie? Zurück zu der Mitschülerin: Vierte Stunde, Sexualkundeunterricht, es geht um die Menstruation. Die heutige Stunde wird eine Mädchenstunde – mit diesen Worten wurden die Jungs aus dem Klassenzimmer verabschiedet, berichtet sie. Klar, ein sicherer Gesprächsraum, in dem man sich auch mal nur mit Mitschüler*innen, die die gleichen Erfahrungen machen, austauschen kann, ist wichtig. Nur, was haben die Jungs in der Zeit gemacht? Sich jedenfalls nicht mit der Periode beschäftigt. Und das bleibt oft ein Leben lang so – auch in Beziehungen. Doch die Menstruation ist ein Thema von gesellschaftlicher Relevanz, mit dem sich Männer genauso auseinandersetzen sollten wie Frauen. Die Unwissenheit und das fehlende Bewusstsein bringt einige Probleme mit sich, etwa im Leistungssport, wo erst jetzt langsam Trainingspläne an den Zyklus angepasst werden. Außerdem, um vom Guten auszugehen: Das Schweigen führt bei einigen Männern zu Unsicherheit gegenüber dem Thema und Scham vor der eigenen Unwissenheit zur Menstruation. Nicht nur Themen wie Verhütung sollten in der Schule in der ganzen Klasse behandelt werden, auch das Thema Menstruation und die hormonellen Prozesse gehen alle etwas an. Dieser Bildungsauftrag endet aber auch nicht mit der Schule. Informieren Sie sich demnächst doch mal ein wenig über die Menstruation oder noch besser: Führen Sie ein Gespräch – davon profitieren alle.