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Kultur

Lichtblicke der Mainzer Kulturszene

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Auf den Bühnen der Mainzer Clubs spielte lange keine Band mehr live. Mit einem neuen Konzept und Unterstützung des Landes änderte sich das nun.

Von Rodney Fuchs

Es ist der 10. April 2021. Zum ersten Mal seit dem 12. März 2020 steht eine Band auf der Bühne des Mainzer Kulturclubs schon schön. Doch das Konzert des Mainzer Duos TripAdLib war kein gewöhnliches. Es handelte sich um ein Livestream-Konzert, das über den YouTube Kanal des Clubs kostenlos zugänglich war. Ein Bestreben, das vom Land gefördert und ermöglicht wurde und auch im Mainzer Club Schick & Schön für bespielte Bühnen sorgte.

Hohe Kosten, gewohnter Aufwand
Mit dem Programm „Im Fokus – 6 Punkte für die Kultur: Lichtblicke“ hat das Land Rheinland-Pfalz eine Stiftung zur Kulturförderung ins Leben gerufen. Diese erlaubt es vielen Veranstaltungsorten Livestreams trotz überhöhter Kosten umzusetzen. Einer der Gründe dafür ist der höhere Personalaufwand, da sich mindestens fünf Menschen um das Gelingen des Konzertstreams kümmern müssen. Zudem fehlen Einnahmen an der Theke und Ticketverkäufe. Ohne die finanzielle Unterstützung des Landes wäre ein solches Event nicht rentabel.
Doch wie anders ist die Produktion eines solchen Livestream-Konzerts im Vergleich zu regulären Clubshows? Der Unterschied sei gar nicht so groß, „da die Organisation in vielen Aspekten gleich oder sehr ähnlich ist“, sagt Paul Kaspar, Booker im Kulturclub schon schön in Mainz. Neue Aspekte sind die Gestaltung des Streams, die Aufgabenverteilung und die Wahl des Kanals. „Dazu kommt, dass das Konzert ja nicht bei uns im Club über unsere PA gut klingen muss, sondern zuhause über Kopfhörer, Bluetooth-Boxen oder Stereoanlagen.“ Auch beim Licht sei zu beachten, dass sich dieses innerhalb eines Videos anders verhält als in einer Konzertlocation.

Und wie ist das Feeling der Künstler:innen?
Für Sinan Köylü (Sinu) ist Livemusik der Hauptgrund, warum er Berufsmusiker wurde. Dankbar über die Möglichkeit, trotz Pandemie live Musik darbieten zu können, hat er zusammen mit Schlagzeuger Tim Zeimet erst kürzlich ein Livestream-Konzert im Schick & Schön gespielt. Der Musiker berichtet von einer gewissen Leere, in die man während des Streams spielt: „Niemand klatscht nach den Songs, es ist sehr klinisch und steril und man kommt nicht wirklich in das Feeling rein. Es gab zwar kurze Momente, die sich wie ein Livekonzert anfühlten, doch das Endorphin fehlte.“
Die Zuschauer:innen hingegen zeigen sich positiv, wurden emotional, oder tanzten gar in den Wohnzimmern ihrer Wohnungen, so Köylü. „Insbesondere über die sozialen Medien war das nach dem Konzert dann zu sehen und greifbar. Während des Konzerts ist es allerdings schwierig gewesen, sich bewusst zu machen, dass man nicht nur in den leeren Raum singt, sondern tatsächlich Menschen erreicht und auch berührt.“

Lohnt sich also der Aufwand?
Während des ersten Livestreams im schon schön seien es etwa 100 Zuschauer:innen gewesen, die gleichzeitig das Konzert verfolgten und insgesamt 300 Zuschauer:innen, die reingeschaut haben, sagt Paul Kaspar. Auch nachträglich ist die Show noch abrufbar und sammelt fleißig Klicks. „Alle, die den Stream bisher gesehen haben, hätten gleichzeitig auch gar nicht in den Club gepasst“, sagt Kaspar zwei Tagen nach dem Stream. Auch die Reaktionen im Live-Chat seien ein positives Signal, dass das Angebot gut angenommen wurde und sich lohnt, jedoch ohne finanzielle Unterstützung des Landes nicht tragbar wäre.
Doch auch fernab des monetären Aspekts ist es die Euphorie aller Beteiligten, die enorm glücklich darüber waren, nach 13-monatiger Pause wieder Livemusik auf die Bühne bringen zu können: „Die Euphorie war groß.“

Eine nachhaltige Zukunftsperspektive?
Auf großen Festivals sind seit Jahren Fernsehteams mit der Ausstrahlung der Auftritte beschäftigt. Auch auf YouTube finden sich Formate, wie die Sessions von KEXP oder Audiotree. Dadurch ergeben sich für Musiker:innen viele Möglichkeiten, ein weltweites Publikum anzusprechen. Für den Kulturclub schon schön sind diese aber weniger als nachhaltige Perspektive zu sehen, so Kaspar. „Der Club als soziokultureller Raum lebt von der Begegnung, von der Lebendigkeit vor Ort, von der Interaktion, dem Kennenlernen. Ein Konzert fühlt sich anders an, wenn man mit vielen Menschen gemeinsam Begeisterung verspürt, dicht beisammensteht, miteinander tanzt, singt.“ All das fehlt in einem Live-Stream.
Für Sänger und Gitarrist Sinan Köylü ist es zwar denkbar, dass Livestream-Konzerte bestehen bleiben, die Perspektive auf richtige Konzerte bleibt aber im Fokus: „Ich glaube, wenn es für drei bis vier Jahre nur noch Livestream-Konzerte gäbe, würde ich aufhören Musik zu machen. Oder zumindest live zu spielen.“
So bleiben die Live-Sessions der Mainzer Clubs ein Happening für den Moment, die einen Lichtblick liefern und zeigen, dass Kultur auch in Zeiten der Pandemie vom Land ermöglicht wird. Die Dankbarkeit lässt sich von den Clubs auf alle Beteiligten inklusive Künstler:innen projizieren. Für Paul Kaspar zählt jedoch ganz klar der Ansatz. „Sobald wie möglich wieder Konzerte mit Publikum anbieten zu können, denn die fehlen uns wirklich sehr!“

WTF
In den kommenden Wochen sind sowohl im Kulturclub schon schön, als auch im Schick & Schön kostenlose Livestream-Konzerte angesetzt. Auch vergangene Livesessions sind noch abrufbar. Streams und weitere Infos unter: schick-und-schoen.de/lichtblicke
youtube.com/channel/UCU0SzE2JxJFETnf11lhauEA/

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