Schärfer als die Realität
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Die Mainzer Künstlerin Susanna Storch, international bekannt durch ihren bestechenden Realismus, hat am Kirschgarten ihr neues Atelier eröffnet. STUZ hat sich umgesehen.
von Konstantin Mahlow
Es passiert tatsächlich nicht allzu selten, dass eines ihrer Werke für eine schlichte Fotografie gehalten wird. Doch für eine Malerin, die sich ganz dem Realismus verschrieben hat, kann es wohl kaum ein größeres Kompliment geben. Susanna Storch sorgt mit verblüffend realitätsnahen Bildern immer wieder für solche unfreiwilligen Verwechslungen. Dabei ist ihr Stil längst über die Stadt- als auch Landesgrenzen hinaus bekannt: Jüngst wurde sie in der deutschen September-Ausgabe der renommierten Le Monde Diplomatique zur „Künstlerin des Monats“ gekürt – eine besondere Auszeichnung in der Welt der geschwungenen Pinsel.
Seit einiger Zeit nun kann man Storch bei einem gemütlichen Bummel durch die Mainzer Altstadt bei der Arbeit beobachten oder zumindest einige ihrer Bilder hinter Glasscheiben bewundern. Praktisch mit Beginn der Pandemie zog es sie aus der Mombacher Wagonfabrik an den Kirschgarten. Doch die Ausbreitung des Corona-Virus hätte ihre beinahe einen Strich durch die Rechnung gemacht, bevor sie selbigen auf die Leinwand bringen konnte. Die günstige Lage des neuen Ateliers erwies sich dabei als Rettung in der Not. Ihre Zeit in der Wagonfabrik, dieser ehrwürdigen Location im Industriecharme, war zwar eine ganz besondere, wie Storch betont. Aber im Vergleich zu ihrer Lage hat die Altstadt rund um eines der beliebtesten Fotomotive der Touristen, den Kirschgarten mit seinen Fachwerkhäusern, einen entscheidenden Vorteil: mehr Laufkundschaft. Weil die auch in Zeiten von Corona unterwegs war, lief das Geschäft mit der Kunst trotz der Krise weiter. Dass Storch lieber in der Neustadt gelandet wäre, wie sie uns beichtet, war damit auch kein Problem mehr.
In Mainz studierte Storch Kunsterziehung mit den Schwerpunkten Malerei und figürliche Plastik; in Gonsenheim wagte sie ihre ersten Schritte in Richtung Realismus. Mit realitätsnahen Details von Pflanzen, die sie in botanischen Gärten ausfindig machte, fing es einst an. Doch bis zu der Vollzeit-Künstlerin, die sie heute ist, zogen noch einige Jahre (und Projekte) ins Land: Storch widmete sich der Keramik, der Gestaltung von Unikatmöbeln und der Fotografie – bis sie sich 1998 wieder vor die Leinwand stellte und ihre alte Leidenschaft, den Realismus, aufleben ließ. Ab 2003 folgte dann eine Ausstellung nach der nächsten, die sie quer durch Deutschland und bis nach Venedig, St. Petersburg, Krakow und London brachte.
Heute verdient Susanna Storch ihr Geld vor allem mit Auftragsportraits. Gleichzeitig arbeitet sie an einem besonderen Projekt, das heute wie ein Vorgriff auf das Leben in Zeiten einer Pandemie wirkt: Häuserfassaden, vorzugsweise die trister Neubauten, stehen Motiv. Graue Betonwände, deren Trostlosigkeit von Fenstern durchbrochen werden, die einen kurzen Einblick in das Leben anderer gewährleisten. Eine Perspektive, die in den letzten Monaten viele Menschen genießen durften. Die Motive stammen aus verschiedenen Teilen der Welt; ihre vermeintliche Tristesse ist ein wiederkehrendes Bild des Lebens in der engen Großstadt und drückt ein globales Phänomen aus. Doch das Projekt ist nur ein kleiner Ausschnitt ihres umtriebigen Schaffens. Kunstinteressierte sollten daher unbedingt auf der Homepage susannastorch.de vorbei schauen und sich durch ihre bisherigen Werke klicken.
Wer sich von Susanna Storch porträtieren lassen möchte, sollte am besten über Mail Kontakt aufnehmen (post@susannastorch.de). Oder einfach mal auf gut Glück zu ihrem neuen Atelier am Kirschgarten schlendern.