Kunst auf dem Schulberg
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Ein vielseitiger Ort für Gestaltung – Wiesbadener Kunsthaus im Locationportrait
von Nadine Tannreuther
An einer steilen Hanglage gelegen, war das heute unter Denkmalschutz stehende Gebäude von der Schützenhofstraße ohne Umwege über eine große Treppe von der Innenstadt zu erreichen. Heute ist der direkte Blick von Wohnhäusern und Parkhaus verdeckt und auch der direkte Aufgang unterbrochen, so dass Besucher gezielt das Gebäude aufsuchen müssen – das Kunsthaus Wiesbaden.
Kreisbaumeister Philipp Hoffmann erbaute 1862/63 das heutige Kunsthaus zunächst als „Elementarschule“. Nach dem Krieg wurde am Schulberg 10 die WKS (Werkkunstschule) gegründet, die bis zur Fachhochschulgesetzgebung Mitte der 70er-Jahre den Status einer höheren Fachschule besaß. Orientiert am Lehrkonzept des Bauhauses, wurden als Ausbildungsziele Industrieberufe wie Grafik, Innenarchitektur, Mode-Design, wissenschaftliche Grafik oder Illustration angeboten. Unter Leitung des renommierte Malers Vincent Weber waren die Dozenten der 60er- und 70er-Jahre allesamt Künstler mit Rang und Namen. So leitete etwa Erwin Schutzbach den Bereich Bildhauerei, Oskar Kolb sowie anschließend Robert Preyer die Malerei und grafische Techniken (Lithografie und Siebdruck). Friedrich Poppl (Leiter der Grafik) war ebenso wie sein Assistent und Nachfolger Werner Schneider zunächst Schriftkünstler. Den Lehrauftrag für Holzschnitt hatte Klaus Menzel und Harald Mante lehrte im Fach Fotografie.
Über 300 Quadratmeter Kunst
Seit 1989 steht das Kunsthaus unter Leitung des Kulturamtes der Landeshauptstadt Wiesbaden und ist zum Ausstellungs- und Veranstaltungsort, Atelierhaus für Wiesbadener Künstler und Künstlerinnen, für Stipendiaten aus aller Welt sowie zur Werkstatt für Kinder geworden. Entworfen vom Wiesbadener Architekturbüro Kissler & Effgen, entstand neben dem Altbau ein kubischer Anbau mit über 300 Quadratmetern Ausstellungsfläche, der 2011 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Besucher werden durch ein lichtes Foyer begrüßt. Eine im Untergeschoss angesiedelte Artothek verleiht gegen eine Gebühr zudem originale Kunstwerke (Gemälde, Grafiken, Plastiken, Objekte) mit besonderem Rabatt für Studenten. Dr. Isolde Schmidt – Kunsthistorikerin und Referentin für Bildende Kunst im Kulturamt Wiesbaden – äußert sich wie folgt zum neuen Anbau: „Das Kunsthaus, Ausstellungs- und Veranstaltungsort von hoher ästhetischer Qualität, ergänzt die außermusealen Ausstellungsräumlichkeiten in Wiesbaden auf das Beste und bietet dem regionalen Kunstschaffen, auf das sich das Ausstellungskonzept konzentriert, in seiner Großzügigkeit und technischen Ausstattung einen professionellen Rahmen, der bis dato fehlte. Endlich können komplexe und anspruchsvolle Projekte samt Begleitprogrammen angemessen realisiert werden.“
Weltliches Kunstgut vereint
Zuletzt war die Ausstellung der Wiesbadener Künstlerin Sofi Zezmer mit dem Titel „Structural Change“ zu sehen. Eberhard Riedel – ehemals Schüler der Wiesbadener Werkkunstschule – präsentiert seine virtuosen Zeichnungen und Skulpturen seit dem 24. Mai. Ab dem 17. August stehen dann die Wiesbadener Fototage auf dem Programm, im Herbst eine Retrospektive des zu früh verstorbenen Künstlers Detlef Karsten. Margareta Tovar – Preisträgerin des Christa Moering-Stipendiums – wird das Jahr abschließen. „Das Kunsthaus positioniert sich als Ort für zeitgenössische bildende Künstlerinnen und Künstler aus der Stadt und der Region. Dazu gehört auch die jüngere Kunstgeschichte Wiesbadens mit einem Fokus auf der Werkkunstschule, ihren Schülern und Lehrern“, beschreibt Schmidt. Dabei steht das Kunsthaus für einen wandelbaren Ort: „Über den viel zitierten Tellerrand schauen wir zum Beispiel mit den Wiesbadener Fototagen, Ausstellungen mit Künstlern aus der Schweiz im vergangenen Jahr und mit den Werken der brasilianischen Künstlerin Berna Reale, die 2015 ihr Land auf der Biennale in Venedig vertrat. Dazu werden Wiesbadener Sammlungen gezeigt und Veranstaltungen durchgeführt, die sich zwischen Performance, Installation, Klangkunst und aktuellem Musikschaffen bewegen.“
Aktuell wird der Altbau einer umfassenden Renovierung unterzogen, um modernen Anforderungen und Bedürfnissen gerecht zu werden. Außen werden Dach und Fassade restauriert, innen wird energetisch aufgerüstet, es wird ein Aufzug eingebaut, der einen barrierearmen Zugang ermöglicht und auch die Haustechnik samt Fenster wird erneuert. Mit dem Abschluss der Sanierung ist 2021 zu rechnen.