Aus Grau mach Grün
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Einen neue Naherholungsfläche in der Altstadt könnte demnächst entstehen. Das Areal um das Kurfürstliche Schloss soll zum Bürgerpark werden. Die Stadtratsfraktionen teilen den Willen zur Umgestaltung, feilschen aber um das Wie.
von Jonas Julino
Wer die über die Theodor-Heuss-Brücke nach Mainz kommt, dem fällt die 75 Meter lange Rheinfront des sandsteinroten Gebäudes auf. Das „rote Schloss“, wie es im Mainzer Volksmund heißt, hat eine ebenso bewegte wie bedeutsame Geschichte. Bereits Mitte des Dreißigjährigen Krieg wurde der Grundstein gelegt, ehe es 1752 nach einigen Unterbrechungen fertiggestellt wurde. Neben der Nutzung durch Kurfürsten, zogen ab 1842 unter anderem die Stadtbibliothek und das Römisch-Germanische-Zentralmuseum (RGMZ) in das Gebäude. Wie die meisten Mainzer Gebäude fiel auch das Schloss den alliierten Luftangriffen während des zweiten Weltkriegs zum Opfer und brannte 1942 zwei Tage lang aus. Nach dem Krieg wurde die Fassade rekonstruiert und neu aufgebaut. Das Schlossumfeld bekam vor allem in den 1960er-Jahren sein jetziges Gesicht. Zu dieser Zeit entstanden mit dem Labor des RGZM und dem Jubiläumsbrunnen zwei große Betonbauwerke.
Unterschiedliche Pläne der Umgestaltung
Heute stehen das Schloss und die angrenzenden Anlagen vor einer drastischen Umgestaltung. 2020 beginnen nach dem Auszug des RGMZ die Sanierungsarbeiten im Rheinflügel des Schlosses. Die Stadtratsfraktionen wollen diese Umstände nutzen und das Areal umgestalten. „Wir sprechen uns dafür aus, die Nachkriegsbebauung aufzugeben: Das bald leerstehende Laborgebäude und der verwahrloste Betonbrunnen sollen abgerissen werden. Die tristen Beton- und Rasenflächen sollen einem attraktiven Schlossgarten weichen“, formuliert Andreas Behringer, Mitglied der SPD-Fraktion im Stadtrat, das Ziel. Der finanzpolitische Sprecher ist der Auffassung, man müsse Steuergelder sinnvoll ausgeben. Für die Altstadt-SPD sei ein aufgewerteter Schlossgarten inklusive einer ganzjährigen Gastronomie eine Investition in die Zukunft. Vor allem brauche die Altstadt mehr Raum für Naherholung, betont Stadtratskollegin Nora Egler. Nicht nur für das Auge des Betrachters soll die Umgestaltung einen Mehrwert bringen. Auch mit Blick auf den Klimawandel sieht die SPD einen großen Nutzen. Behringer spricht bei der Anpassung der Innenstädte an den Klimawandel von einem „Mega-Thema“. In diesen Zeiten sei es wichtig, innerstädtische Flächen zu entsiegeln und Bäume zu pflanzen, so Egler. Brian Huck (GRÜNE), Ortsvorsteher der Altstadt, sieht ebenfalls Handlungsbedarf. „Wir setzen uns für einen Bürgerpark im Regierungsviertel ein. Das Areal zwischen Landtag, Kurfürstlichem Schloss und Ernst-Ludwig-Platz wollen wir als Grünfläche mit hoher Aufenthaltsqualität entwickeln“, heißt es im Kommunalwahlprogramm der GRÜNEN. Seitens der ÖDP ist zu hören, man wolle das Schlossumfeld ebenfalls neugestaltet sehen. Claudius Moseler, Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, gibt zu verstehen: „Die ÖDP hatte als erste die Idee von einem Schlossgarten. Leider wurde unser Antrag auch von der SPD im Stadtrat abgelehnt.“ Das war 2015 und richtete sich auch gegen die Pläne, dort ein Hotel zu errichten. Grundsätzlich wolle die ÖDP im Schlossumfeld eine würdige Freifläche für die Mainzer Bürger schaffen, so Moseler. Die CDU-Stadtratsfraktion möchte vor allem den Ernst-Ludwig-Platz aufwerten. Ihrem Antrag zur Stadtratssitzung ist zu entnehmen, dass die Aufenthaltsqualität deutlich erhöht werden solle. „Der Ernst-Ludwig-Platz soll wieder ein kostbares grünes Kleinod der Altstadt werden, zum Verweilen einladen und zum Spielen geeignet sein“, heißt es weiter.
Bürgerbeteiligung ist geplant
Mehr Bäume und mehr Grün statt Grau in Grau. Aber wer soll das bezahlen? In Sachen Finanzierung gibt sich Behringer von der SPD durchaus gelassen: „Grundsätzlich ist die Gestaltung des Schlossumfeldes aus dem städtischen Haushalt zu finanzieren. Die Stadt Mainz investiert entgegen der allgemeinen Wahrnehmung Millionen in die Sanierung und Pflege öffentlicher Flächen.“ So seien, laut dem finanzpolitischen Sprecher, beispielsweise 15,4 Millionen für die ökologische Sanierung der Zitadellenmauer oder 3,3 Millionen Euro für die Rheinufergestaltung beschlossen worden. Neben dem städtischen Haushalt zieht er Landes- und Bundeszuschüsse und auch private Sponsoren, wie die Deutsche Stiftung für Denkmalschutz, in Betracht. „Es gibt viele mögliche Finanzierungsquellen. Doch bevor die Finanzierung steht, muss die Idee beworben werden: Wir möchten einen Wettbewerb und eine frühzeitige Bürgerbeteiligung. Und am Schluss muss der Stadtrat entscheiden.“
Über Kunst lässt sich ja bekanntlich streiten. Im Falle des großen Betonbrunnens auf dem Ernst-Ludwig-Platz wird das kontrovers getan. 1962 wurde der Brunnen anlässlich der 2000-Jahr-Feier der Stadt Mainz eingeweiht. Seit Jahren liegt die Anlage nun schon trocken. Für eine Sanierung sind 300.000 Euro veranschlagt. Bei einem Abriss würden rund 25.000 Euro anfallen. Behringer bezeichnet den Brunnen als „Geburtstagsgeschenk, das niemand haben mag“. Die Mainzer SPD wolle den Brunnen abreißen. Das sei auf dem Parteitag Anfang April einstimmig beschlossen worden. Das genaue Gegenteil möchte die CDU: Der Brunnen soll entweder saniert oder gegebenenfalls neu gebaut werden. Einen Abriss lehnt die Fraktion ab. Uneinigkeit herrscht hingegen bei den GRÜNEN und der ÖDP. Wie Brian Huck und Claudius Moseler mitteilen, gebe es in beiden Parteien Befürworter und Gegner des Brunnens. Man wolle erst das Fazit der Denkmalpflege abwarten und dann die Situation neu bewerten. „Derzeit arbeitet die Generaldirektion Kulturelles Erbe an einer denkmalschutzrechtlichen Beurteilung des Schlossumfeldes und somit auch des Brunnens. Sie liegt derzeit noch nicht abschließend vor“, erklärt Ralf Peterhanwahr von der städtischen Pressestelle.
Runder Tisch einstimmig beschlossen
Diskutiert wurde das Thema während der letzten Stadtratssitzung vor der Kommunalwahl am 26. Mai. Anlass war ein Antrag der CDU-Fraktion, in dem sie eine Umgestaltung des Ernst-Ludwig-Platzes forderte. Der Antrag befasste sich jedoch ausschließlich mit dem Ernst-Ludwig Platz und dessen Neugestaltung. Das geht anderen Fraktion nicht weit genug: Claudius Moseler betont, eine Konzeption für das gesamte Umfeld des Schlosses sei notwendig. In ihrem Änderungsantrag fordert die ÖDP den Erhalt der Bäume, eine weitgehende Entsiegelung, eine widerstandsfähige Begrünung und „Elemente mit Wasser“. Noch einen Schritt weiter geht die SPD. Auch der Gerichtsparkplatz in der Diether-von-Isenburg-Straße müsse entsiegelt werden. Außerdem sei eine Aufnahme des Kurfürstlichen Schlosses in die Umgestaltungspläne unerlässlich. Brian Huck forcierte die Begrifflichkeit Schlosspark. Man wolle keine Assoziationen zum barocken Park und wolle deshalb von einem Bürgerpark sprechen. Am Ende beschlossen die Mitglieder des Stadtrats einstimmig, dass es einen runden Tisch geben wird, der die Forderungen der ÖDP und CDU nach einem Abriss des RGMZ-Gebäudes berücksichtigt und die Umgestaltung des „Bürgerparks“ genannten Areals voranbringen soll.