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Ostern fällt aus

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von Lea Krumme

Dass die Mehrheit der in Mainz Studierenden auch von hier kommt, ist uns schon aufgefallen. Wer von weit her hinzuzieht, ist für die Lokalpatrioten zwar kein Eindringling – aber doch immerhin ein Exot. Wenn aber die Uni auf diese Exoten mit Familie in der Ferne in der Planung der Ferienzeiten so gar keine Rücksicht nimmt, ist das einfach gemein. Im April ist Ostern. Für die einen der bedeutendste Tag im Jahr, für die anderen immerhin ein besonderer Anlass, um gemütlich mit den Liebsten zusammenzukommen – so oder so ist der Feiertag vielen heilig. Aber für die, die es zu ihrer Familie nun mal weiter haben als bis Bingen oder Rüsselsheim, heißt es in diesem Jahr einmal mehr: Pustekuchen. In diesem Jahr hat sich die Uni nämlich freundlicherweise entschieden, das Semester schon eine Woche eher beginnen zu lassen.

Als wäre es nicht ärgerlich genug, wenn es nach Ostermontag morgens direkt wieder losgeht. Wägt man das Verhältnis der Reisedistanz und Wucherpreise der Bahn zu der tatsächlichen Aufenthaltszeit ab, die dann für besinnliche und gemütliche Stunden mit der Verwandtschaft bleibt, lohnt sich ein Trip in die Heimat einfach gar nicht. Damit geht einer von eh nur zwei traditionellen Anlässen verloren. Das ist ziemlich schade, wo sich ohnehin viel mehr Familien viel seltener zusammenraufen und Zeit miteinander verbringen, wenn nicht zu gegebenem Anlass wie eben Ostern oder Weihnachten. Höchstens noch, wenn einer heiratet oder verstorben ist – und es dann zu spät ist, mit dem Zeit verbringen zu wollen. Dann wird bei der Trauerfeier gefragt: „Erinnerst du dich noch an das letzte Osterfrühstück bei Opa Helmut?“ Und der in Mainz Studierende muss bedauernd antworten: „Nee, ich konnte nicht kommen, meine Uni hat mir nicht freigegeben.“

Dabei sollte doch Familie einen besonderen Stellenwert in unserer Gesellschaft einnehmen – oder sich zurückerobern. Ob im traditionellen Sinne „Vater, Mutter, Kind“ mit Tante und Onkel bei Oma und Opa sitzen, die Ostereier ebenso bunt sind wie das Patchwork, oder die Freunde zur „Familie, die man sich aussucht“ werden: Eine Gemeinschaft, in der wir uns angekommen und angenommen fühlen, gibt Halt, Geborgenheit, Vertrauen, Unterstützung, wird zum Anker und Hafen in einer turbulenten Welt voller Konflikte und Herausforderungen. Auch wenn nicht immer alles „Friede, Freude, (Oster-)Eierkuchen“ ist, und so manche Familienfeier über die Feiertage selbst zur Streichholzschachtel wird. Jedenfalls möchten wir uns die Gelegenheit gefälligst nicht nehmen lassen, mit Opa Helmut beim Osterfrühstück über Emanzipation zu diskutieren, um dann am Abend beim Osterfeuer die Friedenspfeife zu rauchen. Dieses Jahr wird das wohl nichts. Also heißt es: bis Weihnachten, Heimat! Wenn wieder alle erst kurz vor Heiligabend völlig gestresst und ohne jegliche Adventsstimmung in viel zu vollen, viel zu teuren Zügen anreisen, weil die Uni wieder bis zum bitteren Ende durchgezogen hat. Hoffentlich macht Opa Helmut noch so lange mit …

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