Zwischen Labor und Kampfring
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Wenn er gerade nicht damit beschäftigt ist, Zellen zu analysieren, wirft er seine Gegner durch den Ring: Dr. Bernd Föhr ist Wrestler und Biologe.
von Taylan Gökalp
Vielleicht hätte aus Bernd Föhr ein begnadeter Fußballer werden können. Aber schön früh merkte er, dass er mit dem runden Leder keine Freundschaft fürs Leben schließen wird. Auch Karate und Judo waren nichts für ihn, wie er schon nach kurzer Zeit feststellen musste. Als jedoch eines Tages ein Schnuppertraining für Wrestling in seinem Heimatdorf nahe Speyer angeboten wurde, war sein Schicksal besiegelt. „Ich hab gemerkt, dass es mir gefällt und bin dann dabei geblieben“, sagt er. Seit 2004 ist er mit Leib und Seele Wrestler. Weder ein gebrochenes Handgelenk, noch ein ausgefallener Zahn konnten ihn davon abhalten, wieder und wieder in den Ring zu steigen. Dennoch ist er sich über die Gefahren seines ausgefallenen Berufes im Klaren. „Man kann schon sagen, dass wir jedes mal unser Leben riskieren. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass du dir das Genick brichst, ist immer da“, sagt Bernd.
Wenn ein Wrestler in den Ring steigt, geht es ihm weniger um den Sieg, als um die Reaktion der Fans. „Natürlich steht der Sieger vorher fest, aber im Endeffekt macht man das Ganze für das Publikum. Es ist kein sportlicher Wettbewerb, sondern eher ein Unterhaltungssport“, erklärt Bernd.
Auch wenn es keinen Wettbewerb gibt: Wrestling ist anspruchsvoll. Regelmäßige Fitnessübungen sind eine Selbstverständlichkeit. Man müsse nicht nur in der Lage sein, die halsbrecherischen Würfe zu meistern, sondern auch, sich selbst gut abzufangen. Die Muskelmassen seien da, um die Knochen zu schützen. „Das ist wichtig, damit nicht sofort alles kaputt geht“, sagt Bernd. Ein guter Wrestler beherrsche seinen Körper und wisse, was er damit machen könne.
Bösewicht mit Babyface
Das Besondere bei einem Wrestlingfight ist der Kampf zwischen Gut und Böse. Die Wrestler legen im Ring ihre Identität ab und spielen eine Rolle. Bernd spielt sehr häufig den Guten, was auch mit seinem „Babyface“ zu tun habe. Gelegentlich habe er aber auch schon den Bösen gespielt und kleine Kinder angepöbelt. „Man sollte ruhig mal über seinen Schatten springen und total bescheuert sein“, sagt Bernd. Es gehe auch darum, die Leute zum Lachen zu bringen. Gelegentlich über die Stränge zu schlagen sei daher durchaus erwünscht.
Aber wie ist Bernd Föhr zu dem geworden, der er heute ist? In seiner Schulzeit war jedenfalls noch nicht abzusehen, dass mal ein Schaukämpfer aus ihm werden würde. „Ich gehörte nicht zu den coolen Kids“, sagt Bernd. Manchmal gab es dumme Sprüche von den Mitschülern, weil er kleiner war als die anderen. Das Wrestling habe ihn verändert, ihm Selbstvertrauen gegeben, wie er sagt. Als Streber sieht er sich nicht, obwohl seine Leistungen gut waren. So gut, dass er später in Mainz Biologie studierte und sich einen Doktortitel erwarb. Seinen akademischen Grad verdankt er nicht nur seinen grauen Zellen, sondern auch seinem Ehrgeiz. „Da gehört einfach der Wille dazu, das wirklich durchzuziehen“, sagt Bernd, der in Mainz noch sein WG-Zimmer hat und inzwischen in Karlsruhe lebt.
„Death-Match“ mit Leuchtstoffröhre
14 Jahre Wrestling-Karriere bieten viel Platz für schräge Erlebnisse. Besonders in Erinnerung geblieben ist Bernd ein „Death-Match“, bei dem er und sein Gegner mit Leuchtstoffröhren auf einander losgingen. „Nach dem Kampf war ich blutüberströmt“, sagt er. Die Narben von jenem Kampf trägt er noch heute. Ein anderes Mal habe er gegen einen zwei Meter großen Amerikaner gekämpft, der ihn aus einem Balkon vier Meter in die Tiefe geworfen habe. Seine negativste Erinnerung ist ein Kampf, bei dem er seinem Gegner das Genick brach und dieser ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. „Da macht man sich schon Vorwürfe und fragt sich, ob man das hätte verhindern können.“
Ans Aufhören denkt Bernd noch nicht, auch wenn er weiß, dass er nicht ewig weitermachen kann. „Irgendwann sagt der Körper Nein. Aber solange es mir Spaß macht, werde ich weitermachen“, sagt er.